Voerde. Maren Menzel und Mario Funke sind Lehrer im Seiteneinstieg. Sie berichten, wie ihnen der Jobwechsel gelungen ist – und was gute Lehrer ausmacht.
Mit Ende 30 haben die meisten Menschen bereits den Beruf für sich gefunden, in dem sie bis zur Rente arbeiten werden. Die wenigsten von ihnen stecken noch in der Ausbildung, die wenigsten von ihnen müssen nicht mehr, wie noch zu Schulzeiten, lernen und Prüfungen absolvieren. Nicht so aber bei Maren Menzel und Mario Funke. Die Voerderin und der Weseler haben sich in ihren 30ern noch einmal dazu entschieden, einen anderen Weg einzuschlagen und sich für den Lehrberuf im Seiteneinstieg entschieden. Seit 2020 unterrichten die 39-Jährige in Sport und Biologie und seit 2021 der 42-Jährige in Mathematik und Technik die Schüler an der Comenius-Gesamtschule in Voerde. Damit sind sie zwei von insgesamt zehn Lehrern an der Voerder Gesamtschule (das Team besteht aus 90 Kollegen), die im Seiteneinstieg zum Lehrberuf gefunden haben.
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Der Wunsch, noch einmal eine andere berufliche Richtung einzuschlagen, kam bei beiden zu Corona-Zeiten. Funke – ursprünglich studierte er Logistik, absolvierte in dem Bereich auch sein Diplom – arbeitete zu diesem Zeitpunkt als Produktionsleiter in einem Unternehmen. Dort sei er auch für die Auszubildenden zuständig gewesen. „Die Arbeit mit den jungen Leuten hat mir schon immer Spaß gemacht.“ Doch als die Pandemie ausbrach, gingen auch die Bewerbungen um die Ausbildungsplätze in seinem Unternehmen zurück. „Ich habe gemerkt, dass ich die Arbeit mit den Jugendlichen vermisse und wollte mich zu diesem Zeitpunkt sowieso beruflich umorientieren“, sagt er. Ein Freund von ihm berichtete von dem Seiteneinstieg ins Lehramt. Er suchte außerdem das Gespräch mit seinem Vater, ein ehemaliger Lehrer. Dann absolvierte er verschiedene Hospitationen – „wegen meines Studiums zunächst an Berufsschulen“ – bis er dann 2021 ein Bewerbungsgespräch unter anderem an der Voerder Gesamtschule vereinbarte – mit Erfolg.
Voerderin über Seiteneinstieg an der Comenius Gesamtschule: „Mir hat es vom ersten Tag an gefallen“
Auch Maren Menzel ist über einen Freund zum Lehramt gekommen. Er arbeitet nämlich auch an der Comenius-Gesamtschule und berichtete ihr, dass der Sportunterricht wegen fehlendem Personal oft ausfallen müsse. Menzel, die in Köln Sportwissenschaft studiert und 12 Jahre in einer physiotherapeutischen Einrichtung gearbeitet hatte, war sofort begeistert von der Idee, als Vertretungslehrerin an der Schule anzufangen. „An meinem ehemaligen Arbeitsplatz waren wir wegen Corona in Kurzarbeit, ich war phasenweise ganz zu Hause“, erinnert sie sich und ergänzt: „Mir hat es vom ersten Tag an in der Schule gefallen.“
„Die Arbeit mit den jungen Leuten hat mir schon immer Spaß gemacht.“
Das sagt auch Mario Funke – auch, wenn es für beide zunächst nur im Entferntesten etwas mit der Tätigkeit zu tun hatte, der sie bis dahin nachgegangen waren. Funke erinnert sich noch genau an den ersten Tag, den er ganz alleine vor einer Klasse stand. Mathe in der 8e stand auf dem Plan. „Das war schon etwas anderes“, sagt er. Der heute 42-Jährige habe damals sehr starr auf seine Unterrichtsplanung geachtet, sei weniger auf die Schüler eingegangen. „Das konnte ich aber schnell ändern“, sagt er. Menzel gesteht: Ihr habe am Anfang vor allem die Technik Probleme bereitet. Die Comenius-Schule sei technisch sehr gut ausgestattet, Kreidetafeln gibt es dort nicht mehr. „Ich habe vorher nie mit einem iPad gearbeitet. Mich haben zum Beispiel Fragen beschäftigt: Wie bekomme ich von dort etwas aufs Whiteboard übertragen?“, erklärt sie und lacht.
Voerderin und Weseler sind Lehrer durch den Seiteneinstieg geworden: Sie unterrichten in der Sekundarfstufe I
Doch von den Anfangsschwierigkeiten haben sich die beiden Lehrer nicht entmutigen lassen, ihre Entscheidung nie bereut. „Die Unterstützung durch die Kollegen ist auch einfach super. Auch in den Ferien ist jeder ansprechbar, man erhält Literaturtipps und es wird beim Korrigieren geholfen“, betonen die beiden Seiteneinsteiger. Generell seien sie gut im Team aufgenommen worden und auch das Verhältnis mit den Schülern sei gut. Menzel, die genau wie Funke, nur in der Sekundarstufe I unterrichtet, erinnert sich an eine Situation mit einem Oberstufenschüler. „Er kam zu mir, hat mich gedrückt und gesagt, dass er es schade findet, dass er nicht mehr von mir unterrichtet wird.“
Dass der Unterricht bei ihm Spaß mache, werde auch Funke regelmäßig widergespiegelt. Das sei „das schönste Feedback“. Er erinnert sich an den Tag, an dem er seine Prüfung bestanden habe: „Die Schüler standen am Fenster, haben gefragt wie es gelaufen ist und haben dann alle geklatscht und gejubelt, als ich über den Schulhof gelaufen bin.“ Die Schüler an ihren Herausforderungen wachsen sehen, mit ihnen zu arbeiten, Teil ihrer Erfolgsgeschichten zu sein, das ist es, was Funke besonders schätzt an seiner Arbeit als Lehrer. Doch es gibt auch Momente, die nicht nur schön, sondern auch belastend sind, zum Beispiel, wenn sich ein Schüler beim Sportunterricht verletzt, sagt Menzel. Oder aber auch, wenn Schüler Probleme haben.
„Mir hat es vom ersten Tag an in der Schule gefallen.“
Voerder Schulleiterin: „Mit schlimmen Schicksalen von Kindern konfrontiert, die wir selber auch erst einmal verarbeiten müssen“
„Wir sind manchmal mit schlimmen Schicksalen von Kindern konfrontiert, die wir selber auch erst einmal verarbeiten müssen“, erklärt Schulleiterin Kirsten Baumeister. Immer noch sei es so, dass der Beruf eines Lehrers oft aufs Fachliche reduziert werde, „dass wir manches aber auch mit nach Hause nehmen, das uns auch abends beim Einschlafen noch beschäftigt“, das würden viele Menschen „leider“ immer noch nicht erkennen. Genau das sei aber wichtig zu wissen, sollte sich jemand für den Lehrberuf interessieren, bestätigen auch Funke und Menzel.
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„Viele haben ein falsches Bild, denken, man hat viel frei“, berichtet Menzel. Dabei seien vor allem die Oster-, Herbst- und Weihnachtsferien von Korrekturarbeiten geprägt. „Ich komme jetzt nicht mehr nach Hause und habe einfach Feierabend. Da muss Unterricht vor- und nachbereitet werden, es gibt Elterngespräche. Die Arbeit ist mehr als nur der Unterricht an sich“, betont die Bio- und Sportlehrerin. Das sollten potenzielle Bewerber wissen, sagt sie. Was diese noch mitbringen müssten? „Eine gute Menschenkenntnis“, sagt Funke. Menzel ergänzt: „Ruhe bewahren können und eine gewisse Strenge.“ Doch am allerwichtigsten sei es „authentisch zu sein, sich gut zu reflektieren und auch den Schülern gegenüber eigene Fehler eingestehen zu können“.