Dinslaken. Immer wieder versuchen Betrüger mit sogenannten Schockanrufen, Senioren um ihr Geld zu bringen – wie Gertrud aus Dinslaken. Was sie erlebt hat.
Es ist halb elf an einem Mittwochmorgen Anfang Juli als Gertrud, die gerade in ihrer Küche sitzt, den Anruf erhält: Ein angeblicher Polizist teilt ihr mit, dass ihre Tochter einen Unfall hatte. Sie wollen nun am Telefon mit ihr die Daten abgleichen. Die 87-Jährige ist im Schockzustand. „Mein erster Gedanke war: ,Du hast gerade deinen Mann verloren und jetzt verlierst du auch noch deine Tochter‘“, erinnert sie sich ein paar Wochen später im Gespräch mit der NRZ an den Moment zurück. „Ich konnte nicht mehr klar denken, ich war einfach stumm“, ergänzt sie. Der angebliche Polizist am anderen Ende des Telefons habe sie immer wieder aufgefordert, zu reden: „Er hat gesagt: ,Sprechen Sie, sprechen Sie.‘ Ich konnte aber nicht. Es war, als hätte ich einen Nackenschlag bekommen“, beschreibt sie ihr Gefühl.
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Ihrer Tochter Heike berichtet sie später, dass ihr der Anrufer gedroht hatte: „Nachdem sie keine Auskunft geben wollte, beschimpfte man sie noch, dass man sie dafür belangen würde, der Polizei keine Auskunft zu geben.“ Die 87-Jährige legte daraufhin auf. „Wahrscheinlich hätten sie im nächsten Schritt nach Geld gefragt, für einen juristischen Beistand oder eine Kaution“, mutmaßt Tochter Heike während des Gesprächs mit der NRZ. Schließlich sei das auch die bekannte Masche, mit der Betrüger immer wieder, vor allem ältere Menschen, um ihr Geld bringen.
Polizei Dinslaken gibt Tipps, wie sich Betroffene vor Betrügern schützen können
„Dinslakener fällt auf Schockanruf rein – und zahlt viel Geld“, „Schockanruf in Dinslaken: Senior übergibt wertvollen Schmuck“ oder aber auch „Schockanruf: Betrüger bringen Dinslakenerin um Bargeld“ sind nur drei Überschriften aus der NRZ der vergangenen Monate. Die Polizei gibt deswegen regelmäßige Tipps, wie Betroffene mit dieser Art von Betrügeranrufen umgehen sollen: „Legen Sie einfach den Telefonhörer auf, sobald Ihr Gesprächspartner, oft ein angeblicher Enkel, Verwandter oder eine Amtsperson, Geld von Ihnen fordert! Auch wenn man Ihnen sagt, dass sie nicht auflegen sollen!“, heißt es in einer kürzlich veröffentlichten Pressemitteilung der Polizei. Ein Appell in der Mitteilung richtet sich auch an jüngere Angehörige: „Klären Sie Ihre lebensälteren Eltern, Großeltern, Freunde und Nachbarn über die Maschen der Betrüger auf.“
Das hat auch die Familie von Gertrud bereits getan, denn: Der Anruf ist nicht der erste dieser Art, den die 87-Jährige erhalten hat. „Man sagte mir auch schon einmal, dass mein Mann festgenommen wurde“, berichtet sie. Zudem sei die Dinslakenerin nur ein paar Tage nach dem vergangenen Telefonat erneut angerufen worden: „Da sagte eine Frau am Telefon: ,Mama, Mama, du musst mir helfen‘“, so die 87-Jährige. Zwar sei sie, weil der letzte Schockanruf nicht lange her war, in dieser Situation sensibilisiert gewesen und habe sofort aufgelegt, doch sie meint auch: „Wenn man schlechte Nachrichten am Telefon erhält, macht man sofort zu. Man denkt doch dann nur: Wie kann ich helfen?“
Dinslakener Seniorin hatte „tagelang Angst“
Tochter Heike pflichtet ihr bei: Die Betrugsmasche hinter solchen Anrufen sei bereits schlimm, doch was ein solcher Schock bei den meist älteren Menschen anrichte, sei enorm: „Meine Mutter war so hilflos. Sie dachte sogar, meine Stimme im Hintergrund des Anrufers erkannt zu haben. Wir konnten sie kaum trösten und beruhigen. Sie hat tagelang Angst gehabt, ins Bett zu gehen, weil sie immer wieder dachte, die Betrüger machen sie ausfindig, stehen irgendwann bei ihr vor der Tür.“ Deswegen wolle sie auch nicht mit ihrem vollständigen Namen in der Zeitung stehen oder erkennbar fotografiert werden. „Ich habe mittlereile wieder ein Stück Abstand gewonnen, aber man steigert sich da immer wieder rein“, erklärt sie. Es sei ihr „schwer gefallen“ nach diesem Anruf wieder „runterzukommen“.
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Doch nicht nur Gertrud habe dieser Anruf „völlig fertig“ gemacht. „Meine Mutter hat unmittelbar nach dem Anruf meine Schwester angerufen, denn ich selbst bin nicht ans Telefon gegangen. Ich habe in dieser Zeit gesaugt und das Handy nicht klingeln gehört. Meine Schwester hat daraufhin meine Tochter informiert, die sofort in Tränen ausgebrochen ist und schon von der Arbeit nach Hause kommen wollte“, beschreibt Tochter Heike. Ein Nachbar habe jedoch helfen können: Er habe die aufgelöste 87-Jährige vor der Tür getroffen, die in ihrer Panik aus dem Haus gelaufen ist, um zu sehen, ob das Auto von Heike – sie wohnt direkt nebenan – vor der Tür steht. „Das tat es auch, aber mir ist dann eingefallen, dass sie ja auch mit dem E-Bike unterwegs sein könnte“, erinnert sich die 87-Jährige. Der Nachbar habe jedoch beherzt reagiert und einfach bei Heike geklingelt, die ihm die Tür öffnete und wohlauf war. „In der Zwischenzeit hat meine Schwester auch bei der Polizei angerufen, die ihr versichert haben, dass es im Stadtgebiet Dinslaken keinen Unfall gab“, erklärt Heike.
Nach Schockanruf bei Dinslakenerin: „Wir lassen unsere Mutter jetzt aus dem Telefonbuch streichen“
Die Schwester habe daraufhin auch die Betrugsmasche bei der Polizei gemeldet, doch Heike schüttelt den Kopf, winkt ab: „Keine Chance. Kann man sich eigentlich sparen. Die haben gesagt, sie können nichts machen. Aber ehrlich gesagt, was sollten sie auch tun? Die Nummer ist unbekannt, die kann man nicht zurückverfolgen.“ Gertruds Kinder haben die Sache nun selbst in die Hand genommen: „Wir lassen unsere Mutter jetzt aus dem Telefonbuch streichen und haben ihr gesagt, sie soll auf keinen Fall mehr rangehen, wenn ,unbekannte Nummer‘ auf dem Display steht.“ Zudem hat Heike die Geschichte ihrer Mutter auch über die sozialen Medien verbreitet, um Andere zu sensibilisieren und zu warnen. Sie hoffe immer noch, dass „diese Betrüger irgendwann mal dafür bestraft werden“.