Hamburg. Sechs Ministerien sollen das Geschäft ablehnen. Doch der Appell der Hafenbeschäftigten scheint Gehör zu finden – zum Verdruss der Grünen.

In der Regel erfreut sich der Hamburger Hafen keiner besonderen Aufmerksamkeit in der Bundespolitik – das ist jetzt anders. Am Donnerstag wurden Berichte bekannt, nach denen das Bundeskanzleramt die Genehmigung für den Einstieg der Chinesen in den Hafen durchdrücken will – was im Hamburger Rathaus für Erleichterung sorgte, an der Spree wiederum für Entrüstung.

Wie berichtet will die chinesische Reederei Cosco 35 Prozent am Containerterminal Tollerort der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) erwerben. Der Vertrag dazu wurde vor einem Jahr unterzeichnet. Doch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) warnte vor einer zu großen Einflussnahme der Chinesen und machte deutlich, dass er die Genehmigung des Deals versagen will.

Hafen Hamburg: China-Konzern Cosco will bei Tollerort einsteigen

Einem Bericht von NDR und WDR zufolge haben alle sechs Ministerien, die an der Investitionsprüfung fachlich beteiligt sind, das Geschäft abgelehnt. Neben dem Wirtschaftsministerium sind dies das Innen-, Verteidigungs-, Verkehrs- und Finanzministerium sowie Auswärtiges Amt . Das Kanzleramt drängt demnach jedoch darauf, dass der Einstieg zustande kommen soll. In der Ampelkoalition sorgt das für Aufregung: Sowohl Grüne als auch FDP üben an der Linie von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Kritik. Sie befürchten, dass die Chinesen bei einem Einstieg Coscos einen Zugriff auf die kritische In­frastruktur des Hafens gewinnen.

Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) hält hingegen an dem Geschäft mit den Chinesen fest. „In der Sache hat sich nichts verändert“, sagte Senatssprecher Marcel Schweitzer am Donnerstag mit Blick auf den Streit in der Berliner Ampelkoalition. Die Befürchtungen, dass China durch eine Minderheitsbeteiligung am HHLA-Containerterminal Tollerort Zugriff auf die kritische Infrastruktur erhalten könnte, teile der Bürgermeister nicht.

"Können wir es uns leisten, darauf zu verzichten?"

Tschentscher hatte mehrfach betont, dass weder China noch andere Länder Zugriff auf die kritische Infrastruktur in Deutschland haben dürften. Grund und Boden im Hamburger Hafen blieben daher vollständig in öffentlicher Hand. Auch der Betrieb des Hafens insgesamt liege weiterhin zu 100 Prozent bei der städtischen Hamburg Port Authority. „Mit der geplanten 35-Prozent-Minderheitsbeteiligung von Cosco an der Betreibergesellschaft für den Containerterminal Tollerort ist kein strategischer Einfluss oder Zugriff auf die Hafen-Infrastruktur verbunden. Die Betreibergesellschaft ist selbst nur Mieterin der Terminalflächen, die vollständig im Eigentum der Stadt verbleiben“, hatte der Bürgermeister betont.

Auch die Handelskammer Hamburg erneuerte am Donnerstag ihre befürwortende Haltung zur Transaktion. Hauptgeschäftsführer Malte Heyne betonte, dass mit einer Ablehnung von Terminalbeteiligungen die Gefahr einer Abkoppelung von der Weltwirtschaft bestehe. „Die Frage ist: Können wir es uns leisten, darauf zu verzichten? Zumal die Beteiligung von Cosco keine Einflussnahme auf die kritische Infrastruktur vorsieht.“

In Hamburg gibt es Widerstand gegen das Projekt

Dennoch formiert sich ausgelöst durch die Streitigkeiten in Berlin auch in Hamburg erheblicher Widerstand gegen das Projekt: Neben den Grünen rücken FDP und Jusos von der Haltung des Bundeskanzlers und des Bürgermeisters ab. So sagte die Fraktionsvorsitzende der Grünen in der Hamburgischen Bürgerschaft, Jenny Jasberg, zur Kritik aus der Bundeshauptstadt: „Das zu ignorieren ist fahrlässig. Aus den Folgen der Abhängigkeiten von Russland sollten wir gelernt haben und entsprechend auf unsere Infrastruktur schauen.“

Die Hamburger Jusos zogen in einer Erklärung den Vergleich zu Russland. „Unabhängig davon, dass sich HHLA und Cosco bereits vor einem Jahr auf die Beteiligung geeinigt haben, zeigen insbesondere die Abhängigkeiten beim Gas von Russland, welche gravierenden Auswirkungen ein solcher Schritt haben kann. Kritische Infrastrukturen wie der Hafen dürfen nicht in die Hände von autokratischen Ländern gelangen.“

Kritik von CDU und FDP

Der Hamburger Landesvorsitzende der FDP, der Bundestagsabgeordnete Michael Kruse, kritisierte, der Senat sei bisher sämtliche Informationen zu Chancen und Risiken dieser Beteiligung schuldig geblieben. „Es ist deshalb erstaunlich, dass die fachliche Einordnung sämtlicher befasster Bundesministerien ignoriert wird. Mit einer Absegnung des Anteilsverkaufs würde Olaf Scholz zwar seinem Parteifreund und Bürgermeister Peter Tschentscher einen Gefallen tun, nicht aber der wirtschaftlichen Souveränität Deutschlands.“

Der Hafenexperte der CDU-Fraktion in der Bürgerschaft, Götz Wiese, sagte, dass ein Umdenken stattfinde: Der Angriffskrieg Russlands habe auch den Blick auf China maßgeblich verändert. „Ob der Vertrag der Hamburger Hafengesellschaft HHLA mit der chinesischen Staatsreederei Cosco den Sicherheitsinteressen entspricht, ist völlig unklar.“

HHLA äußert sich zu Sachverhalt

Angesichts des heftigen Gegenwinds sah sich die HHLA am Nachmittag zu einer Stellungnahme gezwungen. „Die HHLA befindet sich nach wie vor in dem laufenden Verfahren zur Erteilung der erforderlichen investitionsrechtlichen Freigabe. Von einer ablehnenden Haltung durch sechs Bundesministerien ist der HHLA nichts bekannt“, sagte ein Firmensprecher.

Dem Unternehmen seien keine sachlichen Gründe genannt worden, die gegen eine Freigabe der Investition sprechen würden. Cosco erlange keinen Zugriff auf den Hamburger Hafen oder die HHLA, sagte der Sprecher weiter. Die Transaktion betreffe nur eine Minderheitsbeteiligung an der HHLA-Betriebstochter Tollerort. Cosco erhalte keinen Zugriff auf strategisches Know-how. „IT- und Vertriebsdaten bleiben allein in der Verantwortung der HHLA“, führte der Sprecher weiterhin aus.

Hafen Hamburg: Einstieg von Cosco – Entscheidung muss bald folgen

Vor wenigen Tagen hatten sich die Betriebsräte des Containerterminals Toller­ort in einem Brief direkt an Bundeskanzler Scholz gewandt und darum gebeten, die Transaktion zu genehmigen. „Bei einer Ablehnung der Minderheitsbeteiligung befürchten wir ein massives Umsteuern der Ladungsmengen“, hieß es in dem Schreiben. Dieser Gefahr dürfe die Bundesregierung die Mitarbeiter nicht aussetzen. Am Tollerort arbeiten rund 600 Beschäftigte. Die deutsche Außenwirtschaft und der Hamburger Hafen sind eng mit China verbunden. Fast jeder dritte Container, der in Hamburg über die Kaikante geht, stammt aus China.

Ob die Vereinbarung der HHLA mit ­Cosco nach all der Kritik noch verwirklicht werden kann, steht in den Sternen. Klar ist aber, dass die Entscheidung schnell kommen muss. Eine Absage bedarf nämlich dem Gesetz folgend eines Kabinettsbeschlusses, der bis Ende Oktober erfolgen muss.

Ein entsprechendes Votum hat Habeck schon vor Wochen vorbereitet. Doch das Bundeskanzleramt hob ihn bisher nicht auf die Tagesordnung. Jetzt bleibt noch eine Woche Zeit.