Hamburg. Bedenken der Bundesregierung verzögern den Vertragsabschluss. Deal mit der HHLA fast geplatzt. Jetzt setzt Cosco eine Frist.

Die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) wird am Wachstum gehindert. Seit rund einem Jahr wartet der führende Hafenkonzern der Stadt auf eine wichtige Transaktion. Der chinesische Reedereikonzern Cosco will sich mit 35 Prozent am Container Terminal Toller­ort (CTT) beteiligen. Die Verträge sind fertig.

Nicht nur für die HHLA, für die Zukunft des Hafens ist die Beteiligung wichtig. Denn der staatliche, chinesische Reedereikonzern Cosco will Hamburg in Europa im Gegenzug zu einem „preferred hub“, also zu einem bevorzugten Anlaufhafen, machen und mehr Ladung in die Hansestadt bringen. Doch die Bundesregierung bremst die Transaktion aus.

Hafen Hamburg: Habeck will Cosco-Deal verbieten

Insbesondere Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat erhebliche Bedenken wegen des etwaigen Einflusses der Chinesen. Er will das Geschäft verbieten. „Ich tendiere in die Richtung, dass wir das nicht erlauben“, sagte der Vize-Kanzler Mitte September der Nachrichtenagentur Reuters. Der Container-Hafen Tollerort sei zwar nur kleiner Teil des Gesamthafens, doch China könnte auf diesem Weg Einfluss auf den Handel nehmen. „Aber in der Tat finde ich insgesamt, dass wir kritischer gegenüber chinesischen Investments in Europa sein sollten“, ergänzte Habeck.

Solche Töne werden auch in Peking vernommen. Jetzt machen die Chinesen Druck: Sie wollen das Geschäft bis zum Jahresende über die Bühne bringen. In einer Pflichtmitteilung an ihre Aktionäre erklärt die Cosco Shipping Ports Limited, dass sie mit der HHLA übereingekommen sei das sogenannte Long Stop Date – also das Enddatum für den Vertragsabschluss – bis zum 31. Dezember zu verlängern.

Hafen-Deal fast geplatzt

Hätte Cosco dieser Verlängerung nicht zugestimmt, würde der Deal schon Ende September, also in wenigen Tagen, platzen. In der Regel haben die Parteien nämlich nach Vertragsabschluss ein Jahr Zeit, um sich zu einigen. Und der Abschluss war am 21. September 2021.

Durch die neue Übereinkunft gibt es nun eine Frist: Der Bundesregierung stehen jetzt noch gut drei Monate zur Verfügung, um den Daumen zu heben oder zu senken. Eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums sagte dem Abendblatt auf Anfrage: „Zum Investitionsprüfverfahren gibt es keinen neuen Sachstand. Es ist noch nicht abgeschlossen.“ Detaillierte Fragen dazu könnten nicht beantwortet werden, weil Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse betroffen seien.

HHLA hält an Vertrag mit Cosco fest

Tatsache ist, dass Cosco bereits in 13 europäischen Häfen zum Anteilseigner geworden ist und Schätzungen zufolge damit bereits etwa zehn Prozent der europä­ischen Hafenkapazitäten unter seinem Einfluss hat. Auf der anderen Seite benötigt der Hamburger Hafen Impulse zur Revitalisierung, da das Umschlagvolumen im Gegensatz zu den Konkurrenten Antwerpen und Rotterdam, die Wachstum verzeichnen, stagniert. Die HHLA leidet zudem darunter, dass einige Reedereikunden mit einem Teil ihrer Ladung zum Eurogate-Terminal abgewandert sind, wie Hamburg Süd oder CMA CGM.

Die HHLA hält deshalb ungeachtet der Zweifel aus Berlin an dem Vertrag fest: „Wir gehen davon aus, dass die Voraussetzungen für eine Genehmigung der Minderheitsbeteiligung erfüllt sind, und diese dann auch erteilt wird“, sagte ein Sprecher der HHLA. Der Hamburger Senat, dem 69 Prozent an der HHLA gehören, steht ebenfalls hinter dem Geschäft.

Auch Tschentscher befürwortet den Deal

„Was unternehmerisch sinnvoll ist, muss auch praktisch möglich sein und gemacht werden“, sagt Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD). Beteiligungen von Reedereien an Terminals auch in der Hansestadt hätten gute Gründe. „Die Terminalbetreiber können ihre Auslastung verbessern, die Reedereien sichern sich zuverlässige Anlaufpunkte und nehmen über den Seeweg hinaus an der gesamten Wertschöpfungskette teil.“

Beim Hafensymposium der Handelskammer vor wenigen Tagen hatte Tschentscher noch einmal betont: der Minderheitsgesellschafter also Cosco werde keinen strategischen Einfluss auf den Hafen haben. Auch Kammer-Präses Norbert Aust hatte an die Bundesregierung appelliert, die Transaktion zu genehmigen: „Wir fordern eine grundsätzliche Offenheit gegenüber Terminalbeteiligungen durch Reedereien. Sie sind ein wichtiger Baustein zur Ladungssicherung.“ Die Bundesregierung solle daher das Signal senden, dass solche Beteiligungen ausdrücklich erwünscht und ermöglicht werden, so der Präses.

„Cosco ist seit langen Jahren Kunde am CTT"

Unter Wirtschaftswissenschaftlern sind die Ansichten geteilt: Der Hafenexperte und Logistik-Professor an der Hamburg School of Business Administration (HSBA), Jan Ninnemann, hält die Diskussion um die Cosco-Anteile für „etwas verwunderlich“. Schließlich gehe es nicht – wie oft falsch dargestellt – um Hafenflächen, sondern lediglich um die Beteiligung an einer Betriebsgesellschaft.

„Cosco ist seit langen Jahren Kunde am CTT – und die Beteiligung würde einen wichtigen Beitrag leisten, um Ladung an den Standort zu binden.“ Reedereibeteiligungen seien an anderen Hafenstandorten schon lange ein „Erfolgsrezept“, um das Ladungsaufkommen gerade in Krisenzeiten zu stabilisieren, so Ninnemann.

Institut für Weltwirtschaft warnt vor dem Deal

Das Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel warnt dagegen vor einer Beteiligung des chinesischen Terminalbetreibers Cos­co am HHLA-Terminal Tollerort ohne strenge Auflagen. Dazu sollte vor allem eine Garantie gehören, dass der Hamburger Senat Einblick in die von Cosco genutzte digitale Infrastruktur der Abwicklung des Handels hat und diese auch beeinflussen kann, sagte IfW-Handelsexperte Rolf Langhammer.

Diese Infrastruktur müsse Wettbewerbern offengehalten werden. „Gleiches gilt für das Preisgebaren von Cosco, das nicht dazu führen darf, dass Wettbewerber als Folge von Unterstützungen durch den chinesischen Staat aus dem Markt gedrängt werden“, fügte der IfW-Experte an.

Hafen Hamburg: Scholz macht Station in Peking

Aus gut informierten Kreisen heißt es, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) werde auf seiner Reise zum G-20-Gipfel auf der indonesischen Insel Bali Mitte November Station in Peking machen. „Und vor diesem Besuch wird nichts entschieden“, sagte ein Insider.