Hamburg. Hamburgs Hafenkonzern kommt nicht vom Fleck. Äußere Einflüsse und hausgemachte Probleme behindern das Wachstum. Eine Analyse.

Die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) war einst ein stolzes, ein sehr bedeutendes Unternehmen. Ihre 1885 gegründete Vorgängergesellschaft, die Hamburger Freihafen-Lagerhaus-Gesellschaft (HFLG), galt seinerzeit als Betreiber des größten und modernsten Logistikzentrums der Welt. Sie machte den Hamburger Hafen zum Tor zur Welt und war ein Treiber der Globalisierung. Stolz ist die HHLA angesichts ihrer langen Geschichte immer noch. Doch weltweit ist sie nurmehr ein Hafenkonzern unter vielen.

Ein Motor des Welthandels ist das Unternehmen schon lange nicht mehr. Und während die Reederei Hapag-Lloyd derzeit irrwitzig hohe Gewinne einfährt und allein der an ihr mit knapp 15 Prozent beteiligten Hansestadt 2023 Dividenden in Milliardenhöhe auszahlen wird, gibt die mehrheitlich der Stadt gehörende HHLA zunehmend Anlass zur Sorge. Der Gang ihrer Geschäfte wird von einem ganzen Strauß von Problemen und Herausforderungen begleitet.

Hafen Hamburg: HHLA verzeichnet hohe Lagergeld-Einnahmen

Dabei sind die Ergebnisse der HHLA auf den ersten Blick keineswegs beunruhigend. Das Unternehmen fährt unter seiner Vorstandsvorsitzenden Angela Titzrath seit Jahren beständig Gewinne ein. 2021 erhöhte sich der Konzernüberschuss im Vergleich zu 2020 sogar um 163,9 Prozent auf 112,3 Millionen Euro. Kritiker sprechen allerdings von „Augenwischerei“ und verweisen darauf, dass das sehr gute Ergebnis vor allem aufgrund der stark gestiegenen Lagergelderlöse zustande gekommen sei, und weniger, weil die HHLA mehr Güter umgeschlagen hatte.

Die hohen Lagergeld-Einnahmen jedoch sind darauf zurückzuführen, dass wegen der während der Pandemie in Unordnung geratenen Lieferketten viele Container lange auf den Terminals herumstanden. Dafür bekommt der Betreiber Geld. Doch das Lagergeld ist kein nachhaltiger Gewinntreiber, die Containerstaus lösen sich bereits langsam auf.

Rivalen in Antwerpen und Rotterdam wachsen stark

Zahlenmäßig kommen der Hafen und die HHLA beim Containerumschlag seit Jahren nicht voran, während die Rivalen in Antwerpen und Rotterdam eine Wachstumsgeschichte schreiben. Insgesamt wurden an den Hamburger Terminals im vergangenen Jahr 8,7 Millionen Standardcontainer (TEU) über die Kaikanten gehoben.

Allein bei der HHLA waren es 6,9 Millionen Transportboxen – und damit 200.000 weniger als fünf Jahre zuvor. Angesichts dieser Zahlen kommt der Hamburger Schifffahrtsexperte Ulrich Malchow zu einem harschen Urteil. „Mit mehr als 75 Prozent lokalem Marktanteil am Containerumschlag ist es naturgemäß die HHLA, die für die bröckelnde Wettbewerbsfähigkeit des Hamburger Hafens verantwortlich ist“, sagt er.

Aktienanalyst sieht Risiken wegen neuer Kosten

Und auch Aktienanleger beurteilen das Wirken des Konzerns und seine Perspektiven trotz des zuletzt respektablen Gewinns sehr zurückhaltend: Die HHLA-Aktie, die einst mehr als 60 Euro kostete, bewegt sich seit geraumer Zeit abwärts in Richtung der Zehn-Euro-Marke. Der Hamburger Analyst Christian Cohrs von Warburg Research hat den Zielkurs zuletzt auf 13,50 Euro gekappt und rät, die HHLA-Aktie zu halten. Im kommenden Jahr seien die Perspektiven des Unternehmens negativer, sagt er.

Cohrs hat in seiner jüngsten Analyse eine Reihe von Risiken und negativen Trends ausgemacht. Einer davon ist der jüngste Tarifabschluss. Demnach muss die HHLA den Lohn ihrer Hafenarbeiter um rund zehn Prozent aufstocken. „Basierend auf (...) dem heftigen Wettbewerb der Containerterminals erwarten wir nicht, dass die HHLA in der Lage sein wird, die Kostensteigerungen in besonderem Maße weiterzugeben“, heißt es in der Cohrs-Analyse. Das bedeutet: Die HHLA wird die steigenden Personalkosten nicht voll durch höhere Rechnungen an ihre Kunden ausgleichen können.

Konkurrenzhäfen genau so schnell wie die HHLA

Ohnehin sind die Konkurrenzhäfen Rotterdam und Antwerpen deutlich günstiger, aber beim Umschlag inzwischen genau so schnell wie die HHLA. Für die Reedereien, die in den vergangenen Jahren mächtige Allianzen gebildet haben, ist das ein willkommenes Argument bei Preisverhandlungen: „Wir können unsere Liniendienste auch woanders hin erlagern“, lautet dann die Drohung. Bisweilen wird sie wahr gemacht: So hat Hapag-Lloyd einen wichtigen Liniendienst zwischen Asien und Deutschland vom HHLA-Terminal Burchardkai abgezogen. Die Frachter fahren jetzt nach Wilhelmshaven.

Den Hafenkonzern, der zu 69 Prozent im Besitz der Stadt ist, belasten zudem Ereignisse und Umstände, die außerhalb seines Einflusses liegen. So ist das Terminal im Schwarzmeerhafen Odessa, das die HHLA 2001 übernommen hatte, seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine vor annähernd acht Monaten zwar noch intakt, aber nicht mehr nutzbar. Und wird es auf absehbare Zeit auch nicht wieder sein.

Pötte zu groß für Durchfahrt unter Köhlbrandbrücke

Das größte HHLA-Terminal Burchardkai (Umschlagskapazität 5,2 Millionen Standardcontainer pro Jahr), bietet Riesenfrachtern, die mehr als 20.000 TEU transportieren, zwar die besten Tiefgangsbedingungen, zugleich leidet es aber unter Produktivitätsschwierigkeiten und hohen Kosten. Sie sind nach dem jüngsten Tarifabschluss noch um einen zweistelligen Millionen-Betrag pro Jahr gestiegen.

Das am stärksten automatisierte HHLA-Containerterminal in Altenwerder dagegen kann nur von mittelgroßen Schiffen angelaufen werden. Die wirklich großen Pötte passen nicht unter der Köhlbrandbrücke hindurch. Abhilfe könnte der geplante Tunnel unter dem Köhlbrand schaffen. Doch den wird es frühestens 2034 geben. Größter Ladungsbringer in Altenwerder ist Hapag-Lloyd. Die Reederei ist zu 25 Prozent am Terminal beteiligt und hat sich verpflichtet, dort pro Jahr 800.000 TEU umzuschlagen.

Elbe verschlickt schneller als erwartet

Dafür erhält sie dann sogar 50 Prozent des Gewinns. Doch nun hat die Reederei gewarnt, sie könne 800.000 Container nicht garantieren – weil Altenwerder für große Frachter so schlecht zu erreichen ist. Die jüngsten schlechten Nachrichten für die HHLA und den Hafen sind erst wenige Tage alt. Weil die Elbe nach der Fahrrinnenvertiefung schneller wieder neu verschlickt als erwartet und die Behörden beim Ausbaggern nicht hinterher kommen, gibt es neue Probleme für große Frachter bei der Fahrt nach Hamburg.

Große Hoffnungen auf mehr Container und eine bessere Zukunft ranken sich bei der HHLA um einen Einstieg der chinesischen Reederei Cosco beim dritten Hamburger Terminal Tollerort. Die Chinesen hätten gern eine Minderheitsbeteiligung von 35 Prozent. Im Gegenzug – so das Versprechen – solle Tollerort zum bevorzugten Umschlagplatz von Cosco in Europa werden.

Cosco-Einstieg steht weiterhin auf der Kippe

Die HHLA ist sehr für den Cosco-Einstieg, der aktuell allerdings auf der Kippe steht. Das Bundeswirtschaftsministerium hat grundlegende Bedenken aufgrund der aggressiven Expansionspolitik der Volksrepublik. Zuletzt hieß es aus Berliner Regierungskreisen, man könne sich wohl mit einer 25-prozentigen Beteiligung von Cosco arrangieren. Ob die Chinesen einen solchen Kompromiss eingehen, muss sich erst noch zeigen.

Geplatzt sind hingegen vorerst die Bemühungen, den Containerumschlag der HHLA und des Bremer Konkurrenten Eurogate zu fusionieren und so Europas größtes Hafenunternehmen zu bilden. Zwei Jahre wurde verhandelt. Am Ende lagen die Vorstellungen zu weit auseinander. Schifffahrtsexperte Malchow ist überzeugt, dass Gründe des Scheiterns auch in elb-hanseatischer Hochnäsigkeit und einem übersteigerten Selbstbewusstsein der Hamburger zu finden sind: „Mit der Stadt als Haupteigentümer hat sich bei der HHLA über Jahrzehnte eine Betriebskultur festgesetzt, die sich den Effizienzbestrebungen widersetzt hat“, so Malchow.

"Der Hamburger Hafen, das sind wir.“

Aus seiner Sicht ist die strukturelle Aufstellung des Hamburger Hafens das entscheidende Hemmnis für eine höhere Prosperität der HHLA. „Ein Blick auf die erfolgreichen Westhäfen (Antwerpen und Rotterdam, d. Red.) zeigt, wie es effizienter geht. Dort gibt es starke Port Authorities (Hafenverwaltungen), unter denen diverse private Umschlagsbetriebe ohne staatliche Einflussnahme, aber mit Reedereibeteiligungen erfolgreich im Wettbewerb stehen. Das Selbstverständnis der HHLA ist dagegen: Der Hamburger Hafen, das sind wir.“

Mittlerweile tut Hapag-Lloyd, was der HHLA nicht gelungen ist. Die Reederei kooperiert mit Eurogate, um Terminalbeteiligungen zu erwerben. So geschehen in Wilhelmshaven, im marokkanischen Tanger und im ägyptischen Damietta.

Hafen Hamburg: Experte prognostiziert Ende der HHLA

Und welche Perspektive hat die HHLA? Ein Hafenexperte, der nicht namentlich genannt werden will, prognostiziert schon das Ende des Hafenkonzerns als eigenständiges Unternehmen: „Die großen nordeuropäischen Häfen haben sich alle international aufgestellt und mit Reedereibeteiligungen gestärkt. Der Senat muss sich von dem Gedanken verabschieden, dass er die HHLA als Einzelunternehmen auf Dauer halten kann.“