Hamburg. Tarifverhandlungen sind gescheitert, Ver.di spricht von Angebot als “klassischer Mogelpackung“. Nun gibt es einen 24-Stunden-Streik.
Der Hamburger Hafen ist für 24 Stunden stillgelegt. Nach dem Scheitern der Tarifverhandlungen für die rund 12.000 Beschäftigten der Deutschen Seehäfen hat die Gewerkschaft Ver.di zu erneuten Streiks aufgerufen. Mit Beginn der Frühschicht traten nun am Donnerstag zahlreiche Hafenarbeiter an Deutschlands großen Seehäfen in einen Warnstreik – in Hamburg zogen rund 3000 Hafenarbeiter durch die City, wie die Polizei am Mittag mitteilte.
Hafen Hamburg: 3000 Teilnehmer – Pyrotechnik gezündet
Die Demonstranten waren nicht nur gut zu hören – sie machten auch durch Böller, die sie zündeten, und Pyrotechnik auf sich aufmerksam. Der Veranstalter bat die Streikenden jedoch per Lautsprecherdurchsage, auf das Zünden von Pyrotechnik zu verzichten. Offenbar gab es auch Ermahnungen der Polizei. Die Stimmung sei emotional geladen gewesen, aber es gab einen "störungsfreien Verlauf", so Polizeisprecher Thilo Marxsen.
Bei der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) wurde bereits in der Nacht mit ersten Arbeitsniederlegungen gerechnet. Ab 6 Uhr morgens wurden Streikposten an den Terminaleinfahrten aufgestellt. Um 9 Uhr startete in Hamburg eine große Demonstration vor dem Sitz des Zentralverbands der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) am Sandtorkai. Nach einer Zwischenkundgebung auf dem Jungfernstieg endet die Demo vor dem Gewerkschaftshaus am Besenbinderhof 60. Die Abschlusskundgebung ist bis 13 Uhr geplant.
Hafen Hamburg: Warnstreik – Linken-Fraktion glaubt an Erfolg
Die Linken-Bürgerschaftsfraktion begrüßt den Warnstreik der Hafenarbeiter. "An dieser Auseinandersetzung wird sich zeigen, ob die Beschäftigten die Auswirkungen der Inflation tragen müssen", sagte Norbert Hackbusch, hafenpolitischer Sprecher der Linken-Fraktion, am Donnerstag. Die breite gesellschaftliche Unterstützung ihrer Forderungen sei den Kolleginnen und Kollegen im Hafen sicher.
Er sei optimistisch, dass der Streik erfolgreich ist. „Die Voraussetzungen für eine harte Auseinandersetzung sind auf Seiten der Beschäftigten gut", so Hackbusch. "Die Logistiker-Ketten sind belastet. Schon heute warten viele Schiffe in der Nordsee auf Abfertigung." Damit steige der Druck auf die Arbeitgeber. "Außerdem weisen die Reeder in den letzten Jahren unvorstellbar hohe Gewinne aus – die sie noch nicht mal versteuern. Angesichts dessen ist der Hinweis an die Beschäftigten im Hafen, bitte bescheiden zu sein, eine reine Provokation.“
Hafen Hamburg: Streik der Hafenarbeiter – Ver.di lehnt Angebot ab
Zuvor war die vierte Verhandlungsrunde der Gewerkschaft mit dem ZDS ohne Ergebnis zu Ende gegangen. In dem Gespräch hatte die Arbeitgeberseite ein letztmalig nachgebessertes, finales Angebot vorgelegt. Dieses sieht im Kern bei einer Laufzeit von 18 Monaten eine Erhöhung der Grundstundenlöhne um 1,20 Euro sowie eine Erhöhung der Zulage im Containerbereich um 1200 Euro vor. Zudem ist eine Einmalzahlung über 1000 Euro in den Vollcontainer-Betrieben bzw. 500 Euro in den konventionellen Betrieben vorgesehen.
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Die Grundstundenlöhne für Beschäftigte im Automobilumschlag sollen abweichend um 90 Cent steigen. Inklusive weiterer Einmaleffekte entspricht das Angebot laut ZDS einem sofort wirksamen Volumen von bis zu elf Prozent in Vollcontainerbetrieben und acht Prozent in den sonstigen Betrieben, die Löhne würden dauerhaft um 7,2 Prozent steigen. Ver.di lehnt das ab. „Das von den Arbeitgebern in der vierten Verhandlungsrunde vorgelegte Angebot ist völlig unzureichend; es hat keine substanzielle Verbesserung zum vorherigen Angebot gebracht, sondern sich als klassische Mogelpackung entpuppt“, sagte Ver.di-Verhandlungsführerin Maya Schwiegershausen-Güth. „Nach der Annäherung in der dritten Runde haben wir jetzt einen Rückschritt gemacht.“
Es droht eine Eskalation des Konflikts: Randale und Pyros
Bei den Arbeitgebern stößt diese Haltung auf Unverständnis. „Wir haben ein sofort wirksames Volumen von bis zu elf Prozent angeboten, davon eine dauerhafte Erhöhung der Löhne um bis zu 7,2 Prozent", sagte die ZDS-Verhandlungsführerin Ulrike Riedel. Das Angebot gehe auf Grundlage der von Ver.di geforderten Komponenten über eine echte Reallohnsicherung hinaus, zu der dann noch die Entlastungspakete der Bundesregierung kämen. „Damit liegen wir deutlich über vergleichbaren, aktuellen Tarifabschlüssen.“
Nun droht eine Eskalation des Konflikts, denn der Tarifstreit wird auch noch von Randale begleitet. Bereits bei den Gesprächen am Dienstag war eine Protestdemonstration aus dem Ruder gelaufen, als eine Reihe von Hafenarbeitern vor das Verhandlungshotel stürmte und dort pyrotechnische Brandsätze (Bengalos) zündeten. Die Polizei musste die Brände löschen und den Platz räumen.
In der Nacht zum Mittwoch stürmten dann Unbekannte vor das Hauptgebäude des Bremer Hafenkonzerns BLG Logistics. Sie warfen Farbbeutel und schmissen mit Steinen eine Fensterscheibe des denkmalgeschützten Baus ein. Auch hier wurden Rauchbomben gezündet, um den Überwachungskameras eine Identifizierung der Angreifer zu erschweren. „Wir verurteilen diesen blinden Vandalismus“, sagte Riedel. „Ver.di hat die Kontrolle verloren“, urteilte ein Hafenmanager. „Gemäßigte und radikale Kräfte können sich so nicht einigen. Eigentlich müsste jetzt die Politik einschreiten.“
Trotz Streiks: Gewerkschaft signalisiert Verhandlungsbereitschaft
Die Gewerkschaft möchte indes weiterverhandeln: „Wir hätten einen weiteren Warnstreik gerne vermieden, aber das jetzt vorliegende, mehrheitlich verschlechterte Angebot ist für uns nicht annehmbar. Wir werden den Druck erhöhen und fordern die Arbeitgeber zu weiteren Verhandlungen auf. Ihr Angebot kann nicht das letzte Wort bleiben“, sagt Schwiegershausen-Güth. Die Arbeitgeber sehen darin hingegen keinen Sinn und wollen einen Vermittler einschalten.
Beide Seiten stehen unter Druck, denn der Hamburger Hafen wird weiterhin von überfüllten Lagern und einem gewaltigen Stau bei der Schiffsabfertigung belastet. Damit geraten die seit Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 gestörten Lieferketten weiter außer Takt. Derzeit warten mehr als 30 Schiffe in der Deutschen Bucht darauf, in einem der vom Streik betroffenen Häfen abgefertigt zu werden.
Hafen Hamburg: Reeder "mischen sich nicht ein", verurteilen Streik trotzdem
Die Reeder und Schiffsmakler sind empört. „Wir mischen uns sicher nicht in die Tarifauseinandersetzung der Häfen ein“, sagte der Geschäftsführer des Verbands der Bremer und Hamburger Schiffsmakler, Alexander Geisler. „Aber angesichts der derzeit angespannten Versorgungssituation sind Streiks für uns unverständlich.“ Selbst in den USA, wo es in den Häfen derzeit Tarifauseinandersetzungen gebe, werde auf Streiks verzichtet.
„Sich als Teil der kritischen Infrastruktur zu sehen und gleichzeitig die Arbeit zu verweigern ist unverantwortlich“, sagte Geisler. Der Handel müsse nun noch länger auf neue Ware warten, die Industrie noch länger auf benötigte Rohstoffe und Vorprodukte zur Verarbeitung.