Mit der Einigung beim Euro-Gipfel im Rücken buhlt Europa um neue Milliarden-Investitionen aus China. Bestnote für Rettungsfond.
Kommt es zu einem stärkeren Engagement der Chinesen in Europa? Europa gibt sich mit der Einigung beim Euro-Gipfel im Rücken Selbstbewusst und buhlt um Milliarden-Investitionen aus China. Doch Peking gibt sich voräufig noch zurückhaltend. Zwar brachte die chinesische Regierung vor einigen Wochen selbst ein potentielles Engagement ins Gespräch, doch mit einer konkreten Vereinbarung kann Europa derzeit wohl noch nicht rechnen. Momentan verhandelt der Chef des europäischen Rettungsschirms (EFSF), Klaus Regling, in Peking über möglich Zusagen. Positive Signale aus China gibt es allerdings. So begrüßte Vizeaußenministerin Fu Yingausdrücklich die „positiven Ergebnisse“ des Euro-Krisengipfels: Es sei wieder Vertrauen hergestellt worden. „Europa macht Fortschritte bei der Lösung seiner Probleme“, hieß es lobend. Ausserdem versprach sie an die Europäer gerichtet: „Wir wollen ihnen in dieser schwierigen Zeitphase beistehen.“
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Bevor es aber zu tatsächlichen zusätzlichen Investitionen in einen erweiterten europäischen Rettungsschirm komme, will China abwarten, wie die technischen Details des geplanten neuen Investment-Vehikels aussehen. Vizefinanzminister Zhu Guangyao nannte seine Gespräche mit dem EFSF-Chef „sehr professionell“. Regling habe ihn informiert, wie die Schlagkräftigkeit des Rettungsfonds vergrößert werden solle. Zhu Guangyao rechnet erst für Ende November oder Anfang Dezember damit, dass die Rahmenbedingungen für den geplanten Sondertopf klar sind.
Nach seinen Gesprächen in der Zentralbank und im Finanzministerium sagte Regling vor der Presse, er habe „keine genauen Ergebnisse“ erwartet. Sein länger geplanter Besuch sei so kurz nach dem Krisengipfel aber „sehr nützlich“, um China als wichtigen Investor zu informieren. Es seien „keine Verhandlungen“ gewesen, so dass es auch keine Beschlüsse gebe. China sei ein „guter, loyaler Kunde“ von EFSF-Anleihen. Rund 40 Prozent hielten Investoren aus Asien.
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Es sei nur normal, wenn der EFSF für seine Anleihen oder neue Produkte werbe – denn wegen seiner Handelsüberschüsse müsse der Exportweltmeister seine Devisen anlegen, sagte Regling. China hält die weltgrößten Devisenreserven mit einem Wert von insgesamt 3,2 Billionen US-Dollar (2,3 Billionen Euro), davon schätzungsweise ein Viertel in Euro. Der EFSF-Chef äußerte sich optimistisch, dass China auch langfristig in „sichere Anleihen“ wie die seines Rettungsschirms investieren werde.
Vizeaußenministerin Fu Ying bekräftigte, dass China die Grundlagen der europäischen Wirtschaft als positiv einschätze und noch enger mit ihrem größten Handelspartner kooperieren wolle. Sie verwies indirekt auf die alte chinesische Forderung nach Gewährung des Marktwirtschaftsstatus, der vor Handelsklagen schützt, und sagte, das Verhältnis solle gestärkt und „ausstehende Fragen“ müssten gelöst werden. Beide Seiten müssten sich „gleich behandeln“.
EFSF-Chef Regling wollte sich nicht auf Fragen nach politischen Bedingungen einlassen. Das Angebot sei rein kommerziell. „Ich bin nicht hier, um irgendwelche Konzessionen zu diskutieren“, sagte Regling auf Fragen, ob die chinesische Seite im Gegenzug für Finanzhilfe ein Entgegenkommen wie die Einstufung des Marktwirtschaftsstatus durch die EU erwarte. „Es gibt keinen speziellen Handel“, sagte der EFSF-Chef und verwies auf die Gepflogenheiten auf den globalen Finanzmärkten.
EFSF behält Bestnote
Der europäische Rettungsfonds EFSF erhält von der Ratingagentur Standard & Poor’s weiter die Bestnote „AAA“. Der Ausblick für die Kreditwürdigkeit sei stabil, teilte S&P am Freitag in London mit. Es sei „fast sicher“, dass der EFSF weiter durch die Länder mit einer Bestnote getragen werde.
Die wichtigsten Fragen zum möglichen finanziellen Engagement Chinas im Überblick
Warum sollte China den Euro-Ländern helfen?
Die Europäische Union ist der mit Abstand wichtigste Handelspartner des Exportweltmeisters. Die 27 Länder kauften 2010 chinesische Waren im Wert von 282 Milliarden Euro – 18,9 Prozent mehr als 2009. China hat deshalb ein großes Interesse an stabilen Verhältnissen bei seinem wichtigsten Kunden. Ein Viertel seiner riesigen Devisenreserven sind bereits in Euro-Wertpapieren wie Staatsanleihen angelegt. Weitet sich die Schuldenkrise in der Währungsunion aus, droht auch der Euro erheblich an Wert zu verlieren – und damit auch Chinas Euro-Investitionen.
Kann sich China das leisten?
Ja. Mit 3,2 Billionen Dollar (rund 2,3 Billionen Euro) besitzt die Volksrepublik die mit Abstand größten Devisenreserven der Welt. Allerdings steht nicht die gesamte Summe zur Verfügung, sondern wohl nur etwa 500 Milliarden Dollar. Der Rest ist entweder schon gebunden oder wird von China in Reserve gehalten, um den eigenen hoch verschuldeten Regionen im Notfall zu helfen.
Gibt es auch kritische Stimmen in China?
Bedenken kommen vor allem aus der Zentralbank. Deren Berater Li Daokui warnt davor, größere Summen in europäische Staatsanleihen zu stecken. Auch Yu Yongding, ein ehemaliger Notenbank-Berater, warnt vor der Anhäufung immer größerer Devisenreserven.
Fordert China Gegenleistungen?
Ja. China möchte von der EU den Status als Marktwirtschaft erhalten. Das würde automatisch den Abbau von Handelshemmnissen bedeuten, über die sich der Exportweltmeister seit langem beklagt. China erhofft sich auch ein Ende des seit dem Massaker gegen die Demokratiebewegung auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989 geltenden EU-Waffenembargos. Auch größere Garantien für neue Hilfen und eine Reform der Währungsunion werden gefordert.
Steht China tortzd er Krise zu den Investitionen in Europa?
China hat seit Ausbruch der Krise vor mehr als einem Jahr immer wieder sein Vertrauen in die Währungsunion betont. „Wir haben es zigmal gesagt, dass China bereit ist zu helfen“, betonte Ministerpräsident Wen Jiabao. „Wir werden dort weiter investieren.“ Bei Worten hat es Peking nicht belassen. Die Volksrepublik hat für viele Milliarden Staatsanleihen von angeschlagenen Euro-Ländern gekauft, während sich private Investoren aus Sorge vor einem Zahlungsausfall entweder zurückhalten oder exorbitante Zinsen verlangen.
Kauft China nur Wertpapiere auf?
Nein, China sichert seine Interessen auf ganz unterschiedliche Weise. Griechischen Reedern wurde ein Kredit über zehn Milliarden Dollar zur Verfügung gestellt. Hintergrund: Ein Großteil der internationalen Handelsflotte fährt unter griechischer Flagge, viele der Tanker und Schiffe werden in China gebaut. Auch in Ungarn – das zwar nicht zur Euro-Zone gehört, aber ebenfalls mit einer Schuldenkrise kämpft - engagieren sich die Chinesen. Der Technologiekonzern Huawei baut dort sein weltweit zweitgrößtes Logistikzentrum, während die chinesische Fluggesellschaft HNA Group nach der ungarischen Malev greift und die China Railway Construction Corporation das Schienennetz des osteuropäischen Landes modernisieren soll.
Gibt es Kritik an der Shoppingtour Chinas?
Amnesty International befürchtet, dass Menschenrechtsfragen in den Hintergrund gedrückt werden. „Es ist zu befürchten, dass Kritik an den Menschenrechten in Zukunft noch leiser geübt wird“, sagt AI-China-Experte Dirk Pleiter. „Geraten einzelne EU-Länder in Abhängigkeit von China, wird es schwerer, innerhalb der EU eine einheitliche Linie gegenüber der Volksrepublik zu formulieren, Probleme klar anzusprechen und auch Konflikte auszutragen.“ Auch der Wirtschaftsweise Peter Bofinger ist kritisch: „Es ist bedenklich, wenn ein Land, das keine Demokratie ist, Einfluss auf EU-Mitgliedsländer erhält. Ob in Menschenrechts- oder Umweltfragen: China ist in vielen Belangen kein Vorbild.“