Hamburg. Lufthansa spricht von „erhöhter Zahl“ an Gepäckstücken. Eurowings weist auf längere Bearbeitungszeit aus Nicht-EU-Ländern hin.

Als Regina Wilson* vor gut einer Woche mit Lufthansa vom Flughafen Hamburg via Frankfurt nach Stockholm flog, landete die Hamburgerin zwar pünktlich in der schwedischen Hauptstadt – ihr Koffer hatte es aber leider nicht geschafft. Erst gut eine Woche später kam ihr Gepäckstück dort an.

Doch Wilson ging zu dem Zeitpunkt schon längst ihrer Arbeit auf einem Kreuzfahrtschiff nach – und das lag nicht mehr in Stockholm, sondern war längst in die Ostsee aufgebrochen. Einige Passagiere des Meeresriesen sollen dieselbe negative Erfahrung mit ihren Gepäckstücken erlebt haben.

Flughafen Hamburg: Verlorene Koffer? Gibt es auch in diesem Sommer, aber …

Kofferchaos – das war im Sommer 2022 ein Dauerbrenner in der Luftfahrt. Es gab wohl keinen Airport, an dem es nicht zu verlorenen Taschen, Rucksäcken und Co. kam – dem sogenannten Rush-Gepäck. Am Flughafen Hamburg strandeten in der Spitze bis zu 2000 herrenlose Koffer. Rund um die Gepäckbänder standen mitunter zig Koffer, das stillgelegte Terminal Tango musste als Lagerfläche genutzt werden.

Und wie sieht es in diesem Jahr aus? Ganz ist das Thema nicht von der Bildfläche verschwunden, wie der Fall von Regina Wilson zeigt.

Lufthansa spricht von einer „erhöhten Zahl“ an betroffenen Koffern

„Aufgrund der extremen Wetterverhältnisse in den vergangenen Tagen und Wochen, insbesondere an unseren Drehkreuzen in Frankfurt und München, konnte eine erhöhte Zahl an Koffern erst mit einem späteren Flug als deren Besitzerinnen und Besitzer an ihren Zielflughafen befördert werden“, sagte Lufthansa-Sprecher Jörg Waber auf Anfrage.

Bei Gewittern wird beispielsweise die Beladung von Flugzeugen aus Sicherheitsgründen eingestellt. Eine absolute Zahl an verloren gegangenen Koffern nannte Waber nicht. Die Situation sei aber nicht mit dem Sommer 2022 zu vergleichen.

Bei Umsteigeverbindungen kommt es häufiger zu Gepäckverlusten

Betroffen von Gepäckverlusten sind insbesondere vor allem Passagiere, die Umsteigeverbindungen buchen. Kommt es zu Verspätungen bei Zubringerflügen, reicht die Zeit vielleicht gerade noch für den Passagier, um in den nächsten Jet zu springen. Das Gepäck kann aber nicht mehr so schnell aus der ersten Maschine aus- und in die zweite eingeladen werden. Im eng getakteten Flugplan entscheidet sich der Kapitän dann, auch ohne Koffer der Passagiere abzuheben.

Betroffen davon sind in erster Linie Passagiere von sogenannten Netzwerk-Airlines wie Lufthansa oder auch Emirates. Die arabische Fluglinie nutzt Dubai als ihr Drehkreuz und ist als Verbindung zwischen den Kontinenten gefragt – durch die täglich zwei Direktflüge aus der Hansestadt in das Emirat auch von Hamburgern.

Durchlaufzeit aus Nicht-EU-Ländern soll sich deutlich verlängert haben

Große Probleme beim Gepäcktransport soll es aber nicht gegeben haben. „In der Sommer-Hauptreisezeit kam es in wenigen Einzelfällen auch mal zu Verzögerungen“, sagte ein Airline-Sprecher: „Aber wir hatten keine größeren Unregelmäßigkeiten.“ Aktuell gebe es keine sogenannten offenen Kofferfälle.

Allerdings gebe es bei Rush-Gepäck aus Nicht-EU-Ländern Probleme durch eine neue Regelung, auf die Eurowings hinweist. Seit diesem Frühjahr müsse dieses „einen speziellen Zollprozess durchlaufen, was die Bearbeitungszeit eines Gepäckstücks um bis zu 40 Prozent erhöht“, sagte Sprecher Florian Gränzdörffer.

Grundlage dafür sei eine Verordnung des Zollamts Hamburg, nach der für all diese Gepäckstücke aus Nicht-EU-Ländern beim Zollamt Hamburg eine Nummer beantragt werden müsse. Unter dieser Nummer würden die Daten des Gepäckstücks erfasst. Bei der Herausgabe des Koffers erfolgt ein erneuter Abgleich. Dieser Prozess sei einmalig und werde an keinem anderen Flughafen in Deutschland so praktiziert, hieß es.

Kofferchaos? Laut Eurowings hat sich Situation deutlich stabilisiert

Die Auswirkungen für die Kunden habe man bisher aber begrenzen können – durch verschiedene Gegenmaßnahmen. So habe man zum einen die Bearbeitungsflächen und die Abläufe optimieren können. Zum anderen habe der beauftragte Dienstleister das Personal trotz der Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt wie Fachkräftemangel deutlich aufgestockt.

Die Abwicklung verloren gegangener Koffer kehre „nach dem Ende der Pandemie wieder in einen eingeschwungenen Zustand zurück“, so Gränzdörffer: „Generell hat sich die Gepäcksituation in HAM deutlich stabilisiert und ist mit 2022 nicht zu vergleichen.“ Das sieht auch der Hamburger Flughafen so. Das Rush-Gepäck bewege sich in diesem Sommer wieder auf dem üblichen Niveau der Vorjahre, hieß es. Für das Zusammenführen von Koffer und Passagier sind generell die Airlines zuständig.

Diese Entschädigungsrechte haben betroffene Passagiere

Betroffene Passagiere haben ein Recht auf Entschädigung. Die Haftungshöchstgrenze liege bei etwa 1600 Euro pro Fluggast, schreibt die Verbraucherzentrale auf ihrer Internetseite. Automatisch gezahlt wird diese Summe aber nicht. Im Gegenteil: Es sei sinnvoll, vor dem Flug Fotos zu machen, um den Inhalt des Koffers nachweisen zu können. Zu ersetzen sei der Zeitwert der verloren gegangenen Artikel.

Wenn das Gepäck für eine gewisse Zeit am Urlaubsort nicht zur Verfügung stehe, können sich Passagiere in der Regel notwendigen und angemessenen Ersatz beschaffen, zum Beispiel Unterwäsche, Kleidung und Toilettenartikel. Wichtig: Quittungen aufbewahren!

Was notwendig und angemessen ist, hänge von der Art der Reise (etwa Strandurlaub oder Luxuskreuzfahrt) sowie der Dauer der Zeit ab, die überbrückt werden müssen. Generell müssten die Kosten so gering wie möglich gehalten werden. Der ADAC weist zudem darauf hin, dass es in der Regel keinen Anspruch auf Erstattung für Ersatzwäsche gibt, wenn der Koffer auf dem Heimflug verloren geht.

Flughafen Hamburg: Lufthansa will Gepäck innerhalb von 48 Stunden zustellen

Bei Pauschalreisen stehe den Reisenden pro Tag ohne Gepäck eine Entschädigung zu, die zwischen fünf und 50 Prozent des Tagesreisepreises schwanke, so die Verbraucherzentrale. Allerdings dürfte das Einklagen der Ansprüche meist mit einigem Durchhaltevermögen verbunden sein. Denn gern zahlen die Airlines oder Reiseveranstalter das Geld natürlich nicht zurück.

Eurowings zählte im Sommer 2022 rund 200 verloren gegangene Koffer pro Tag in Hamburg. Nun seien es rund 80 Gepäckstücke pro Tag. Allerdings waren es im (reiseschwächeren) November sogar nur 20. Insgesamt verliefe die Bearbeitung von nachgesendeten oder stehen gebliebenen Gepäckstücken aber reibungslos und schnell, sagte Gränzdörffer: „Grundsätzlich wird die Gepäckmenge derzeit tagesaktuell abgearbeitet – es entsteht also kein Nachlauf.“

Die Lufthansa versuche, ihren Gästen das verspätete Gepäck so schnell wie möglich zuzustellen, sagte Sprecher Waber: „In Hamburg wird das Gepäck in der Mehrzahl der Fälle innerhalb von 24 Stunden nach dem Eintreffen in Hamburg an ein Zustellunternehmen übergeben und kann so innerhalb von 48 Stunden seinen Besitzerinnen und Besitzer zugestellt werden.“

Bei Regina Wilson dauerte es deutlich länger. Die Airline stellte aber die Auslieferung des verlorenen Hab und Guts „in Kürze“ in Aussicht – bei einem Aufenthalt des Kreuzfahrtschiffes in einer anderen skandinavischen Hafenstadt.

* Name geändert