Hamburg. „Aidanova“ fährt keinen ihrer geplanten norwegischen Zielhäfen an. Was die Reederei dazu sagt und welche Rechte Betroffene haben.
- Auf der Aidanova herrschte Anfang August dicke Luft: Wegen ungünstigen Wetterbedingungen musste die Route der Kreuzfahrt geändert werden.
- Von den im Voraus versprochenen Fjorden Norwegens sahen die Passagiere an Bord nichts.
- Jetzt fordern einige von ihnen eine Entschädigung, auch die Verbraucherschutzzentrale hat sich eingeschaltet.
Als die Michalskis* am 5. August mittags den Kieler Hafen erreichen, ist die Vorfreude groß. Ab und an blinzelt an diesem Sonnabend die Sonne durch die Wolken. Der Wind verhält sich an der Förde eher unauffällig. Dass er in den Folgetagen zum Problem werden soll, deutet sich nicht an.
„Wir wollten uns schon immer mal die grandiose Fjordlandschaft Norwegens ansehen“, sagt Familienvater Hans Michalski, der sich mit der Kreuzfahrt einen Herzenswunsch erfüllen will. Mit der „Aidanova“ soll es für die Hamburger Familie für eine Woche gen Norden gehen.
Kreuzfahrt: Ostsee statt Fjorde – wenn die Reise ganz anders wird als gedacht
Die Küstenstädte Måløy, Nordfjordeid, Ålesund und Stavanger stehen auf dem Programm. Nach und nach kommen die Mitreisenden an Bord des Kreuzfahrtschiffes. Noch ahnt wohl keiner von ihnen, dass alle dieser geplanten Ziele nicht erreicht werden.
Um 18 Uhr läuft der Meeresriese der Kussmund-Flotte planmäßig aus. Der Kapitän stellt sich kurz vor. „Dabei deutete er in einem Nebensatz an, dass leider keine gute Witterung erwartet wird und deshalb nicht alles wie geplant laufen könne“, sagt Hans Michalski. „Es hieß: Dazu später mehr.“
Kurz nach der Abfahrt: „Die Nordsee ist gestrichen“
Zwei Stunden später sitzen die Passagiere beim Abendessen, als sich der Kapitän erneut zu Wort meldet. Es würden schwere Stürme erwartet, sodass die „Aidanova“ aus Sicherheitsgründen gar nicht in die Nordsee fahren könne, habe der Kapitän gesagt.
Sein Team arbeite daran, ein schönes Ersatzprogramm auf die Beine zu stellen. Statt eines Seetages zu Reisebeginn gebe es am Sonntag einen Stopp in Skagen, am Montag gehe es nach Oslo – immerhin am Oslofjord gelegen. Michalskis Frau Hilke ist entsetzt und findet die Routenänderung unmöglich.
Aida Cruises begründet Reiseänderung mit Sicherheitsgründen
In den nächsten Tagen kristallisieren sich die nächsten Programmpunkte heraus. Kristiansand im Süden Norwegens am Skagerrak wird zwar angelaufen. Doch richtig in die Nordsee und zu deren Fjorden an der Westküste geht es nicht hinaus. Kopenhagen und Aarhus an der Ostsee folgen, dann geht es zurück nach Kiel. „Von dem versprochenen Reiseverlauf ist nichts eingetreten“, sagt Hans Michalski.
Aida Cruises bestreitet den geänderten Reiseverlauf nicht. Zu dem Zeitraum habe ein Sturmtief über Skandinavien in Teilen Norwegens und Schwedens zu starken Überschwemmungen und Stromausfällen geführt, teilte die Reederei mit Sitz in Hamburg und Rostock auf Anfrage mit. „Für Norwegen galt die höchste Gefahrenstufe Rot. Die Sicherheit und Gesundheit unserer Gäste und Crew hat zu jeder Zeit oberste Priorität sowie unseren Gästen ein schönes, unbeschwertes Reiseerlebnis zu bieten.“
Hätten Passagiere vor dem Ablegen informiert werden können?
Der Sicherheit Vorrang einzuräumen, ist sicherlich richtig. Dennoch bleiben Fragen. Wenn der Kapitän schon beim Auslaufen wusste, dass es Wetterprobleme gibt, hätten die Passagiere nicht vor dem Betreten des Schiffes über den geänderten Reiseablauf informiert werden müssen, um gegebenenfalls gar nicht an Bord zu gehen?
Julia Rehberg von der Verbraucherzentrale Hamburg wägt ab. Natürlich wäre das grundsätzlich besser gewesen, sagt die Juristin. Allerdings könne sie nicht beurteilen, zu welchem exakten Zeitpunkt die Reederei eine Umplanung der Route vorgenommen hat. „Wenn die Reiseleistung aufgrund höherer Gewalt nicht erbracht werden kann, dann muss der Veranstalter die Möglichkeit haben, die Reise abzusagen“, sagt Rehberg. Grundsätzlich sei ein Verändern der Reiseroute aus Sicherheitsgründen möglich, bei sich verändernden Wetterlagen auch kurzfristig.
Zwei andere Aida-Schiffe kreuzen vor Norwegens Westküste
Darauf verweist auch Aida Cruises. „Wetteränderungen geschehen meist innerhalb kürzester Zeit. Daher war es von allen Beteiligten an Bord eine Mammutleistung, innerhalb weniger Stunden einen attraktiven alternativen Fahrplan mit einem neuen Ausflugsangebot für unsere Gäste zu erarbeiten“, so die Reederei.
Allerdings handelte die Reederei nicht bei allen Schiffen gleich. Die „Aidadiva“ und „Aidaperla“ waren zu dem Zeitpunkt an der Westküste Norwegens unterwegs. Wieso ging das bei der größeren „Aidanova“ nicht? Bot das 20 Decks hohe und mit 337 Metern längste Kreuzfahrtschiff der Kussmund-Flotte, auf dem 2626 Gästekabinen untergebracht sind, dem Wind zu viel Angriffsfläche?
Für Veränderungen der Routen kann es mehrere Gründe geben
Aida Cruises weicht bei der Antwort aus: „Mit unseren Schiffen können wir, wenn immer nötig, flexibel und kurzfristig auf unvorhersehbare Ereignisse reagieren und somit unseren Gästen stets eine sichere und die bestmögliche Alternative anbieten.“ Auch bei der „Aidadiva“ und „Aidaperla“ sei es „zu kleineren Umroutings“ gekommen.
Veränderungen der Routen kommen bei Kreuzfahrten – auch von anderen Anbietern – immer mal wieder vor. Gründe dafür können neben Unwettern auch politische Unruhen im Zielland, Gesundheitsgefahren, operative Erwägungen oder technische Probleme sein. Die Fragen, wie häufig Schiffe der Aida-Flotte die Route kurzfristig ändern müssen und wann Passagiere darüber informiert werden, ließ die Reederei unbeantwortet.
Das Geld für die gestrichenen Ausflüge gibt es zurück
Fakt für die Passagiere der „Aidanova“ ist: Die vorgesehenen Fjorde Norwegens sahen sie auf dieser Reise nicht. Auch die geplanten Ausflüge fanden nicht statt. Beispielsweise wurden Gletschertouren und eine Fahrt zum Vestkapp angeboten. Immerhin: Das Geld für ihre gebuchten und ausgefallenen Ausflüge sei bereits zurückerstattet worden, so die Michalskis.
Weltgrößtes Kreuzfahrtschiff- Was Gäste an Bord erwartet
Am letzten Abend habe der Kapitän dann eine „Überraschung“ als Kompensation angekündigt, sagt Michalski. „Als Dankeschön für Ihr Verständnis bezüglich der wetterbedingten Reiseanpassung“, bekämen alle einen Aida-Gutschein über 25 Prozent des gezahlten Reisepreises (exklusive An- und Abreise und Versicherungsleistungen), hieß es. Bei Einlösung des Gutscheins bis 31.12.2025 werde die jeweilige Summe mit dem Preis der neuen Reise verrechnet.
Verbraucherschützerin: Gutschein als Kompensation reicht nicht
Aus Sicht von Rehberg ist das nicht angemessen. „25 Prozent sind zu wenig, weil die Abweichungen von der geplanten Reiseroute erheblich waren“, sagte die Verbraucherschützerin. „Im Grunde genommen wurde der Reisezweck ja gar nicht erreicht. Zudem gibt es einen Anspruch auf Geld – nicht auf einen Rabatt bei der nächsten Buchung.“
Zwar hätten die Passagiere Essen und Trinken bekommen, die vereinbarte Leistung sei aber nicht erbracht worden. „Ich würde den Leuten auf jeden Fall raten, das Angebot nicht vorschnell anzunehmen“, sagt Rehberg. Mit einer neuen Buchung sei der Kunde quasi schon geknebelt, er zahle noch mal – und das käme der Reederei zugute, die nochmals Einnahmen erhält. Betroffene sollten sich Beratung holen. „Dass man die Fjorde nicht gesehen hat, finde ich schon einen Hammer“, sagt Rehberg: „Das war ja das Highlight der Reise.“
Gutscheinlösung kam laut Reederei bei Gästen „sehr gut an“
Es gebe ein Gerichtsurteil zu einer Kreuzfahrt, die durch das östliche Mittelmeer erfolgte statt wie geplant durch das Schwarze Meer. Der Gesamtcharakter der Reise habe sich dadurch geändert, so der Tenor des Urteils. Die Richter hielten einen Nachlass von 40 Prozent des Tagereisepreises für berechtigt. Die Hamburger Juristin hält diesen Fall mit der norwegischen Fjord-Tour für vergleichbar.
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Die Reederei sieht das offenbar anders: „Das Feedback unserer Gäste über die Routenänderung, Kommunikation und schnelle Kompensation kam sehr gut an. Und das Wichtigste: Unsere Gäste, darunter viele Familien, und Crew haben sich zu jeder Zeit sicher gefühlt.“
Michalski berichtet hingegen davon, dass dem Kapitän beim abendlichen Auftritt im Theater schon der „Unmut der Gäste entgegenschlug“. Ob die Hamburger einen neuen Anlauf unternehmen und erneut eine Reise mit Aida gen norwegische Fjorde buchen, ließen sie offen.
* Name geändert