Hamburg. Ob Haspa, Gasnetz Hamburg oder Lufthansa Technik: Sie sind alle auf der Suche nach Talenten. Einige Firmen zahlen Mietzuschüsse.
„Viertausendzweihundertvierzig.“ Knut Böhrnsen, der Sprecher der Hamburger Arbeitsagentur, kennt diese Zahl auswendig. Exakt 4240 Ausbildungsstellen sind in der Hansestadt noch unbesetzt – der zweithöchste Wert in den vergangenen fünf Jahren. Junge Menschen können sich also immer häufiger aus mehreren Angeboten ihre Traumlehrstelle aussuchen, Unternehmen müssen zugleich um die begehrten Nachwuchskräfte kämpfen. Und das tun sie mit vielen sogenannten Benefits, die zum Teil teuer für die Firmen und lohnend für die Azubis sind.
Ausbildung: So locken Hamburger Unternehmen Azubis an
Unter Benefits versteht man Vorteile, die Arbeitgeber gewähren, wobei es nicht um betriebliche Altersvorsorge oder einen Gratis-Kaffee geht. „Klassische Lockmittel gehören längst standardmäßig dazu, wie beispielsweise der Zuschuss zum ÖPNV-Abo oder zum Fitnessstudio“, sagt Böhrnsen. Doch Azubis in der Hansestadt dürfen noch mehr erwarten. Ein beliebter Benefit ist ein längerer Auslandsaufenthalt. Ein global aufgestelltes Unternehmen wie Hapag-Lloyd hat es hier leichter als kleine Firmen. So schickt die Traditionsreederei ihren Nachwuchs gerne eine Zeit lang in eines der 135 Büros weltweit. Aber auch das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) bietet Auslandspraktika an.
Darüber hinaus können Azubis am UKE eine Beratungsstelle, Lerncoachings sowie hausinterne Sportkurse nutzen. Außerdem gibt es pro Lehrjahr einen Büchergutschein in Höhe von 50 Euro. Der Einkaufscenterbetreiber ECE stellt ein hauseigenes Fitnessstudio zur Verfügung, wirbt bereits für Azubis mit 32 Urlaubstagen sowie mit den nicht mehr selbstverständlichen jährlichen Sommerfesten und Weihnachtsfeiern. Und wer beim Nivea-Hersteller Beiersdorf in die Lehre geht hat die Möglichkeit, im Anschluss ein Stipendium für einen berufsbegleitenden Bachelor-Studiengang zu bekommen. Ein Angebot, das auch viele andere Firmen in der Stadt ihren Auszubildenden unterbreiten.
Ausbildung: Vier-Tage-Woche für Auszubildende
Oft geht es bei den Benefits um die Arbeitszeit. Die häufig verwendeten Stichworte in den Stellenanzeigen der Firmen lauten „flexible Zeiteinteilung“, „Gleitzeitmodell“ oder „Vertrauensarbeitszeit“. „So etwas muss natürlich im Hinblick auf den Berufsschulunterricht passen, denn der findet unabhängig von den Unternehmensrichtlinien statt“, sagt Arbeitsagentursprecher Böhrnsen. Ein aktuelles Beispiel sei die Vier-Tage-Woche für Auszubildende, die unter anderem im Handwerk ausprobiert werde.
Der in Vollzeit stattfindende, mehrwöchige Blockunterricht an der Berufsschule, lässt sich mit einer Vier-Tage-Woche zwar nur schwer vereinbaren. Trotzdem wollen Betriebe, wie beispielsweise Gasnetz Hamburg, zumindest während des praktischen Teils der Ausbildung einen freien Tag pro Woche anbieten. Nach Angaben von Unternehmenssprecher Lars Hägerbäumer sind bei Gasnetz Hamburg unterschiedliche Modelle möglich oder in Planung. Aktuell arbeiten Azubis bei dem Unternehmen 37 Stunden pro Woche. Diese sollen in Zukunft generell auf vier Tage verteilt werden können. „Auch wenn das an den anderen Tagen mehr Arbeit bedeutet, kommt ein freier Freitag gut an“, so Hägerbäumer.
Ausbildung: Mietzuschüsse für Auszubildende
Zudem zielen Hamburgs Unternehmen mit ihren Benefits immer stärker auf den angespannten, teuren Wohnungsmarkt. So erhalten Auszubildende, die für ihre Lehre nach Hamburg ziehen, bei Gasnetz Hamburg einen monatlichen Mietzuschuss von 150 Euro. Dieser werde gewährt, wenn die Nachwuchskräfte zuvor mehr als 50 Kilometer von der Zentrale in Hamburg-Tiefstack entfernt gewohnt haben, sagt Hägerbäumer. „Insbesondere Azubis aus Schleswig-Holstein und Niedersachsen nutzen dieses Angebot gerne.“
Lufthansa Technik geht noch weiter. Auszubildende, die zur Miete wohnen und namentlich im Mietvertrag aufgeführt sind, erhalten bei dem Luftfahrtdienstleister bis zu 240 Euro pro Monat. Die genaue Höhe sei abhängig von der Nettokaltmiete, so Sprecher Michael Lagemann. Zusätzlich zahlt die Flugzeugwerft weitere 90 Euro für eine Heimfahrt pro Monat. Voraussetzung: Die Eltern oder Angehörigen wohnen nicht im Hamburger ÖPNV-Bereich.
Ausbildungsvergütung reicht oft nicht zum Leben
Der teure Wohnungsmarkt schreckt tatsächlich immer mehr Jugendliche davon ab, in Hamburg eine Ausbildung zu beginnen. Ein Rechenbeispiel verdeutlicht das Problem: So bekommt ein angehender Rohrleitungsbauer bei Gasnetz Hamburg zwischen 610 und 690 Euro im ersten Ausbildungsjahr. Nach Abzug von Sozialabgaben bleiben ihm weniger als 500 Euro.
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Wohnen die Eltern nicht in Hamburg, müsste er folglich jeden Tag sehr lange pendeln oder eben in die Stadt ziehen. Und hier werden auf dem freien Wohnungsmarkt schnell 500 oder mehr Euro für eine Bleibe fällig. Zwar gibt es auch Wohnheime für Azubis, doch die Plätze sind knapp. Sie werden von Genossenschaften oder privaten Unternehmen betrieben und teilweise von Sozialbehörde und Handelskammer gefördert. Aber sogar hier kostet ein Zimmer zwischen 300 und 600 Euro, wobei die genaue Miete vom Anbieter und von der Wohnfläche abhängt.
Ausbildung: Haspa baut eigenes Wohnheim für Azubis
Auch die Hamburger Sparkasse (Haspa) reagiert auf die Wohnungsnot und hat 2020 ein Grundstück am Alsenplatz in Altona-Nord erworben. Ursprünglich sollte dort bereits 2022 ein Wohnheim für die eigenen Auszubildenden gebaut werden. Wegen baulicher Komplikationen auf dem Grundstück können die ersten Bewohner nun aber erst im Sommer 2024 einziehen. 63 Apartments für 140 Personen sind geplant - ein Zimmer kostet 235 Euro zuzüglich Nebenkosten. Nicht benötigte Zimmer will die Haspa an Auszubildende anderer Unternehmen zu gleichen Konditionen anbieten. „Für unsere Helden der Zukunft geben wir alles“, sagt Haspa-Chef Harald Vogelsang.
Und bei der Sparkasse gibt es noch eine Idee, die junge Menschen anlocken soll: In einer eigenen Azubi-Filiale können sich die Nachwuchskräfte schon früh ausprobieren und alle Aufgaben eines Bankangestellten übernehmen. Sogar Chef sein ist dort während der Ausbildung möglich. Und die Zahl der Azubis wird von 90 auf 150 aufgestockt.