Hamburg. Das Ausmaß der Triebwerksprobleme wird immer deutlicher. Konzern will dennoch 720 Jets in diesem Jahr ausliefern.
Das Ausmaß der Triebwerksprobleme bei Airbus-Flugzeugen nimmt einen Tag nach dem Bekanntwerden deutlichere Züge an. Weltweit müssten rund 1200 Turbinen überprüft werden, sagte Lars Wagner am Mittwoch in München.
Er ist Chef des Triebwerkbauers MTU, der zusammen mit seinem US-Partner Pratt & Whitney die Motoren vom Typ PW1100G-JM fertigt. Damit müssen mindestens 600 Airbus-Jets in nächster Zeit zum Ausbau und zur Inspektion der Aggregate.
Der Pratt&Whitney-Mutterkonzern Raytheon Technologies hatte am Dienstag Unregelmäßigkeiten in einem verwendeten Pulvermetall öffentlich gemacht, das für Rohlinge in Turbinenscheiben im Zeitraum des vierten Quartals 2015 bis Jahresanfang 2021 eingeschmolzen wurde.
Airbus Hamburg: Rückruf betrifft mindestens 600 Flugzeuge
Rund 200 Turbinen müssen nun sehr schnell bis Mitte September untersucht werden. Die übrigen sollen laut MTU-Chef Wagner bis zum Jahr 2024 oder 2025 folgen: „Wir versuchen alles zusammen mit Pratt & Whitney, um die Auswirkungen so gering wie möglich zu halten.“ Ähnliches hatte Airbus einen Tag zuvor ebenfalls kommuniziert.
Wie viele Jets wegen der Probleme am Boden bleiben müssen, wollte Wagner nicht prognostizieren. Zwar hat jeder der A320neo, von denen etwa die Hälfte in Hamburg endmontiert worden sein dürfte, zwei Triebwerke gleichen Typs. Diese müssen aber nicht unbedingt aus demselben Produktionszyklus stammen.
Triebwerke von Pratt & Whitney hängen an jedem zweiten A320neo
Die Folge: An manchen Flugzeugen kann nur ein Triebwerk betroffen sein – dann könnten sogar mehr als 600 Airbus-Flieger vom Rückruf betroffen sein.
MTU selbst habe dieses Pulver nie verwendet, hieß es. Wie lange die Reparaturen pro Triebwerk dauern und wie viel sie kosten werden, muss sich laut Wagner erst noch herausstellen.
Der Triebwerkstyp PW1100G-JM kommt etwa bei jedem zweiten Jet aus der A320neo-Familie zum Einsatz. Die übrigen sind mit Triebwerken vom Typ Leap von CFM ausgestattet, einer Gemeinschaftsfirma von Safran und General Electric. MTU liefert Teile für das Pratt-Triebwerk und baut in München etwa jedes dritte Exemplar davon zusammen.
Airbus hält an Auslieferungsprognose fest
Die derzeitige Produktion neuer Triebwerke und Ersatzteile soll davon nicht betroffen sein. Das dürfte auch der Hintergrund sein, warum Airbus am Mittwochabend seine Jahresprognose nicht zurücknahm. Nach Börsenschluss verkündete der Flugzeugbauer seine Halbjahreszahlen.
In diesem Jahr seien weiterhin rund 720 Auslieferungen geplant, hieß es – eine wichtige Zielmarke für das Unternehmen. Im ersten Halbjahr waren es bisher 316 – daher klafft rechnerisch eine Lücke von knapp 50 Fliegern. Der Umsatz legte im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um elf Prozent auf 27,663 Milliarden Euro zu. Der Gewinn fiel allerdings unterm Strich um 20 Prozent auf 1,526 Milliarden Euro.
Dennoch zeigte sich Guillaume Faury zufrieden. „Im ersten Halbjahr 2023 haben wir trotz des weiterhin komplexen Geschäftsumfelds in allen Aktivitäten gute Fortschritte erzielt“, sagte der Airbus-Chef. „Die Nachfrage nach unseren Verkehrsflugzeugen ist stark, wie die mehr als 800 auf der Paris Air Show angekündigten Bestellungen belegen.“ Insgesamt lag der Auftragsbestand Ende Juni nun bei 7967 Flugzeugen.
Konkurrent Boeing steckt weiter tief in den roten Zahlen
Erzrivale Boeing hatte wenige Stunden zuvor seine Zahlen bekannt gegeben. Nach vier Jahresverlusten in Folge von 2019 bis 2022 steckt der US-Konzern weiter in den roten Zahlen. Unterm Strich wurde im zweiten Quartal ein Verlust von 149 Millionen Dollar (etwa 135 Millionen Euro) gemeldet.
Der Erlös stieg im Jahresvergleich um 18 Prozent auf knapp 19,8 Milliarden Dollar und damit deutlich stärker als von Analysten im Schnitt erwartet. In diesem Jahr sollen weiterhin 400 bis 450 Maschinen an die Kunden gehen.
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Der US-Konzern will seine Flugzeugproduktion hochfahren. Vom Mittelstreckenjet der 737-Reihe sollen spätestens bis 2026 wieder 50 Stück pro Monat gefertigt werden. Derzeit steigert Boeing die Rate von 31 auf 38 Maschinen. Zum Vergleich: Airbus fertigt derzeit um die 50 Maschine des Konkurrenzmodells A320neo-Familie und will bis 2026 auf 75 Flieger im Monat kommen.