Hamburg. Nach dem Preisverfall erwarten Experten eine Kehrtwende. Geringer Neubau und steigende Mieten in Hamburg machen Immobilienkauf wieder attraktiv.
Seit rund einem Jahr häufen sich die Berichte über fallende Immobilienpreise. Makler berichten von einer dramatischen Entwicklung: „In relativ kurzer Zeit haben die Preise in Hamburg und dem erweiterten Umland bis zu 40 Prozent nachgegeben“, sagt Andreas Gnielka, Geschäftsführer von Grossmann & Berger. Nach rund einem Jahrzehnt stetig steigender Preise steht der Immobilienmarkt vor einer Neubewertung.
Doch die Korrektur könnte schneller enden, als potenziellen Käufern lieb sein kann. Nach Einschätzung der von dieser Redaktion befragten Immobilienexperten ist im zweiten Halbjahr mit einer Konsolidierung des Marktes zu rechnen. „Viele Marktbeobachter sind noch skeptisch, aber wir gehen davon aus, dass die Immobilienpreise im zweiten Halbjahr nicht noch stark sinken werden“, sagt Ralph Henger, Immobilienexperte des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Köln. „Sie werden eher stagnieren und danach wieder anziehen.“ Das könnte schon im kommenden Jahr der Fall sein.
Immobilien Hamburg: Der Preisverfall endet in zweiter Jahreshälfte
Diese bundesweite Einschätzung wird auch von Hamburger Experten geteilt: „Die Käufer kehren allmählich an den Markt zurück, und wir können wieder eine erhöhte Anzahl an Abschlüssen machen, aber es bleibt mit Blick auf das nächste Jahr ein Käufermarkt“, sagt Gnielka. „Angesichts dieser Entwicklung rechne ich jetzt nicht mit weiteren großen Preisabschlägen in der zweiten Jahreshälfte, sofern die Zinsen nicht weiter deutlich steigen.“
Da jetzt das Angebot an Immobilien mehr als doppelt so groß ist wie noch vor zwei Jahren, zugleich aber die Zahl potenzieller Käufer geschrumpft ist, können sich Interessenten mehr Zeit lassen und über Kaufpreise verhandeln. Das ist ein Käufermarkt.
Immobilienpreise in Hamburg: Reihenhäuser wieder unter 300.000 Euro
Nicole Reise registrierte im Juni rund 20 beurkundeten Kaufverträge. „Das war bisher der beste Monat des Jahres“, sagt die Geschäftsführende Gesellschafterin von Frank Hoffmann Immobilien. „Wo die Verkäufer die Preise reduziert haben oder sich von vornherein auf die neue Lage mit ihren Forderungen einstellen, ist auch wieder ein Verkauf möglich.“ Der Markt habe sich eingependelt und Reihenhäuser seien für unter 300.000 Euro zu haben. Dann werden sie auch schnell verkauft, aber nicht bei Preisforderungen von 450.000 Euro für Bestandsobjekte in durchschnittlichen Lagen wie Bramfeld.
Probleme sieht die Maklerin im Moment eher bei hochpreisigen Immobilien mit Kaufpreisvorstellungen von 1,5 bis 2,5 Millionen Euro für Bestandsobjekte mit großen Wohnflächen und großen Grundstücken an der Elbe oder im Alstertal. Schon an der langen Vermarktungsdauer könne man sehen, dass diese Objekte im Moment nicht laufen, sagt Reise.
Nicht alle können sich den Traum von den eigenen vier Wänden erfüllen
Neben den gesunkenen Immobilienpreisen trägt auch die Zinsentwicklung zur Stabilisierung des Marktes bei. „Die Zinsen haben jetzt ein Niveau erreicht, bei dem die potenziellen Käufer nicht fürchten müssen, dass sich die Konditionen in ein, zwei Wochen schon wieder verändert haben. Alle können jetzt wieder besser kalkulieren und das bringt den Immobilienmarkt wieder in Schwung“, sagt Gnielka.
Die Kalkulation auf Basis höherer Zinsen bedeutet für manche allerdings das Aus für ihre Immobilienträume. Sie können sich die Finanzierung trotz gesunkener Kaufpreise nicht mehr leisten. Denn die Zinsen sind für eine zehnjährige Zinsbindung von knapp einem Prozent Ende 2021 auf aktuell vier Prozent gestiegen. Bei einer Kreditsumme von 400.000 Euro und zwei Prozent Tilgung beträgt die aktuelle monatliche Belastung 2000 Euro. Selbst unter Berücksichtigung einer höheren Kreditsumme von 500.000 Euro wegen der damals noch höheren Preise lag die Monatsrate zur Finanzierung Ende 2021 lediglich bei 1250 Euro.
Hohe Nachfrage: Mieten steigen in Hamburg um fast neun Prozent
Auch die steigende Wohnungsnachfrage und verstärkte Zuwanderung sorgen dafür, dass die Immobilienpreise nicht ins Bodenlose fallen. „Gemessen an der Entwicklung der Zinsen für Immobilienfinanzierungen hätten die Preise im Schnitt um bis zu 40 Prozent sinken müssen, aber der hohe Wohnungsbedarf wirkt dem entgegen. Langsam kommt die Nachfrage zurück“, sagt IW-Experte Henger.
Während die Immobilienpreise gefallen sind, steigen die Mieten. Nach einer Studie von ImmoScout24 sind die Mieten für Bestandsobjekte in Hamburg vom zweiten Quartal 2022 bis zu zweiten Quartal 2023 um 8,6 Prozent gestiegen. Im Schnitt kostet ein Quadratmeter Wohnfläche 13,27 Euro. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht abzusehen, da immer weniger Wohnungen fertiggestellt werden.
Immobilienexpertin: Steigende Mieten machen Kauf wieder attraktiv
„Sofern keine neuen Wohnungen auf den Markt kommen, wird sich die Nachfrage auf dem hohen Niveau halten und zum Teil noch weiter verstärken. Die Folge sind weiter steigende Mieten, sodass Kaufen trotz des hohen Zinsniveaus wieder attraktiver wird“, sagt Gesa Crockford, Geschäftsführerin von ImmoScout24. Mit einer solchen Entwicklung rechnet Reiner Braun, Vorstandsvorsitzender des Beratungsunternehmens Empirica, für die nächsten zwei bis drei Jahre. „Das wird noch schlimmer werden.“
In Hamburg wird in diesem Jahr nur mit bis zu maximal 8000 neuen genehmigten Wohnungen gerechnet. Das wäre der niedrigste Wert seit 2012 (8731 Genehmigungen). Ziel des Senats sind mindestens 10.000 neue genehmigte Wohnungen pro Jahr. Allerdings wird nicht aus jeder Genehmigung auch eine fertiggestellte Wohnung.
Bisher 22 Prozent Preisrückgang bei Immobilien im Hamburger Umland
Wer jetzt nach einer Immobilie sucht, kann sich über ein deutlich gefallenes Preisniveau freuen. Hamburg und fast alle Regionen im Umland sind von der Abwärtsentwicklung erfasst. Ob Bestandsimmobilie oder Neubau, ob Eigentumswohnung oder Einfamilienhaus: Innerhalb eines Jahres haben die Immobilienpreise auch im Durchschnitt deutlich nachgegeben, wie die neuesten Zahlen von Empirica zeigen (s. Grafik). In diesen Daten sind renovierte und veraltete Immobilien erfasst. Dabei handelt es sich um Angebotspreise. Unter den aktuellen Rahmenbedingungen heißt das: Selten wird eine Immobilie auch zu diesem Preis verkauft. Die Käufer fordern weitere Abschläge.
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Bei Eigentumswohnungen aus dem Bestand reichen die Abschläge bis zu 22 Prozent im Kreis Steinburg. Diese etwas abseits gelegene Region wurde als eine der letzten vom Preisboom erfasst und muss jetzt besonders hohe Abschläge hinnehmen – bei Bestandsobjekten wie auch den Neubauten. In diesem Segment gibt es ebenfalls deutliche Preisrückgänge bei Eigentumswohnungen und Einfamilienhäusern. In Hamburg verbilligten sich neue Eigentumswohnungen um rund sechs Prozent und neue Einfamilienhäuser um elf Prozent. „Neubauten sind im Moment besonders schwer zu vermarkten“, sagt Heise.
Hohe Preisabschläge bei energetisch unsanierten Immobilien
Doch selbst in gefragteren Regionen wie im Kreis Pinneberg fielen die Preise bei Eigentumswohnungen aus dem Bestand um 13,7 Prozent innerhalb eines Jahres. Überträgt man das auf eine 80 Quadratmeter große Wohnung, so wurde die um rund 42.000 Euro günstiger. Auch im Landkreis Harburg sanken die Immobilienpreise um 13,5 Prozent und der Quadratmeterpreis liegt nun wieder knapp unter 3000 Euro. Hamburg liegt bei den Eigentumswohnungen aus dem Bestand mit einem Rückgang von rund elf Prozent im Mittelfeld, ist aber mit einem Quadratmeterpreis von rund 5350 Euro für viele noch unerschwinglich.
Auch die beliebten Einfamilienhäuser bleiben von der Entwicklung nicht verschont. In Hamburg fielen die Preise von Bestandsobjekten um elf Prozent, im Kreis Pinneberg um 15 Prozent und im Landkreis Harburg um 14 Prozent. „Die Abschläge fallen um so höher aus, je weiter das Objekt von der Innenstadt entfernt und je schlechter die Energieeffizienz ist“, sagt Gnielka.
Immobilienkauf in Hamburg: Gesunkene Preise und mehr Verhandlungsspielraum
Wer sich eine Immobilie noch leisten kann, für den haben sich die Bedingungen bei den Preisen deutlich verbessert. Die Käufer haben eine größere Auswahl, weniger Konkurrenten und können über die Preise verhandeln. Aber es gibt auch Risiken: „Das Heizungsgesetz und die EU-Gebäuderichtlinie bleiben zwei große Unsicherheitsfaktoren für den Immobilienmarkt“, sagt IW-Experte Henger. „Veraltete Heizungen und schlechte Dämmung führen unverändert zu überproportionalen Preisabschlägen.“
Zumindest können sich Immobilienkäufer jetzt wieder auf die Suche begeben. „Den optimalen Zeitpunkt erwischt man ohnehin nicht“, sagt Braun von Empirica. Meistens dauere eine Immobiliensuche mehrere Monate. Wann konnten Käufer schon einmal über Angebotspreise noch verhandeln? Braun: „Das hat es in den letzten zehn Jahren nicht mehr gegeben.“