Hamburg. Vor allem die Grundversorgung ist aktuell teuer. Der Wechsel lohnt sich deshalb. Doch man sollte einiges beachten. Die Details.
Im vergangenen Jahr galten die Grundversorger als sichere und noch bezahlbare Bastion der Stromversorgung. Doch die Lage hat sich grundlegend geändert, die Energiekrise entspannt. Dennoch halten Versorger wie Vattenfall an hohen Preisen in der Grundversorgung fest. Verbraucherschützer raten zum Anbieterwechsel, denn viel günstiger wird der Strompreis wahrscheinlich nicht mehr. Bis zu 670 Euro Ersparnis im Jahr sind möglich. Wie sicher und verlässlich sind die Stromdiscounter? Welche Alternativen gibt es zu ihnen? Wie entwickelt sich der Strompreis? Das Abendblatt sprach mit Experten und beantwortet die wichtigsten Fragen.
Welche Entwicklung gibt es beim Strompreis?
Der Strompreis für Neukunden sinkt wieder. Nach Angaben des Vergleichsportals Verivox liegt er derzeit bei 28 Cent je Kilowattstunde (kWh). Anfang des Jahres waren es noch über 40 Cent. Von dieser Entwicklung profitieren aber nur Stromkunden, die zu einem neuen Anbieter wechseln können. Denn bezieht man in den Durchschnittspreis die Tarife der mehr als 800 Grundversorger mit ein, steigt der durchschnittliche Strompreis nach den Daten von Verivox auf 41,4 Cent je KWh.
Was sind die Gründe dafür?
Strom, der kurzfristig beschafft werden kann, wird an der Börse immer günstiger. Eine Megawattstunde kostet dort rund 80 Euro. Das ist so günstig wie seit August 2021 nicht mehr. Ein Grund ist der Rückgang des Gaspreises, denn auch in Gaskraftwerken wird Strom erzeugt. Mit der schwindenden Angst vor Versorgungsengpässen seien die Großhandelspreise für Energie in den vergangenen Monaten kontinuierlich gesunken, sagt Thorsten Storck, Energieexperte bei Verivox. Photovoltaik und Wind erzeugen jetzt zumindest tagsüber mehr als die Hälfte der benötigten Energie. „Grundversorger haben in der Regel eine langfristige Beschaffungsstrategie. Daher gehörten sie während der Energiekrise zu den günstigsten Anbietern im Markt. Das Bild hat sich nun gedreht, sinkende Beschaffungskosten kommen bei Neukundentarifen überregionaler Versorger schneller an“, sagt Storck.
Wie können Verbraucher jetzt reagieren?
„Sie sollten jetzt aktiv den Wechsel betreiben, wenn sie nicht noch in langfristigen Verträgen gebunden sind“, sagt Jan Bornemann, Energieexperte der Verbraucherzentrale Hamburg. „Abwarten bringt nichts.“ Aus der Grundversorgung kann mit einer Kündigungsfrist von zwei Wochen gewechselt werden. Wollen Grundversorger womöglich nicht auch die Preise senken? „Die Grundversorger haben trotz Preissenkungen nach wie vor mit Abstand die höchsten Preise im Markt“, sagt Steffen Suttner, Geschäftsführer Energie bei Check24. Nur ein Fünftel der Grundversorger habe bisher die Preise gesenkt.
Aber günstig sind die Tarife deshalb noch lange nicht, wie das Beispiel der Stadtwerke Norderstedt zeigt. Dort soll der Strompreis für die kWh in der Grundversorgung zum 1. Oktober nur um 2,13 Cent auf 46,87 Cent sinken. Auch Vattenfall will auf Nachfrage nicht sagen, ob und wann Strom in der Grundversorgung günstiger wird. „Im Vergleich mit anderen Grundversorgern liegt der Arbeitspreis mit knapp 42 Cent in Hamburg auf einem moderaten Niveau“, sagt Vattenfall-Sprecher Stefan Müller. „Im Gegensatz zu vielen anderen Wettbewerbern hat Vattenfall die hohen Beschaffungskosten lange nicht an seine Kunden weitergegeben. Aufgrund unserer langfristigen Beschaffungsstrategie wirken Preisvorteile am Großhandelsmarkt daher immer zeitversetzt in beide Richtungen.“ Als Alternative verweist der Unternehmenssprecher auf einen günstigeren Tarif von Vattenfall mit rund 34 Cent je kWh.
Wie viel Ersparnis bringt ein Anbieterwechsel in Hamburg?
Bei alternativen Versorgern sind bereits 88 Prozent der Tarife günstiger als die Preisbremse, die bei 40 Cent je kWh liegt. Wer mit einem Jahresverbrauch von 5000 kWh aus der Grundversorgung von Vattenfall zu Entstroga wechselt, kann bis zu 670 Euro im ersten Jahr sparen. Arbeitspreis und Grundpreis sind rund 28 Prozent günstiger als bei Vattenfall in der Grundversorgung. Für Norderstedter liegt die Ersparnis sogar bei mehr als 1000 Euro im Jahr, weil sie eine sehr teure Grundversorgung haben. Auch bei einem Wechsel zu Grünwelt Energie kann man als Hamburger noch mehr als 600 Euro im Jahr sparen. Strom kann auch vom Discounter Lidl bezogen werden. Das spart im Jahr rund 540 Euro. Hinter dem Angebot steht E.on.
Wie sicher ist die Preisgarantie?
Die Anbieter übernehmen keine Preisgarantie, wenn sich die Mehrwertsteuer ändert, die Stromsteuer erhöht wird oder eine Anpassung der Netzentgelte droht. Gestiegene Beschaffungskosten auf dem Großhandelsmarkt sind aber kein Grund für eine Preiserhöhung in Verträgen mit einer solchen Preisgarantie, „Wenn man sich für einen Sondervertrag entscheidet, sollte man schon auf eine Preisgarantie achten“, rät Bornemann. Allerdings kann es sein, dass mit Beginn des nächsten Jahres auch bei einer Preisgarantie eine Preiserhöhung droht. Denn die Bundesnetzagentur hat den Stromnetzbetreibern ab dem nächsten Jahr höhere Renditen für den Ausbau der Netze zugestanden. Das verteuert die Netzentgelte und am Ende die Stromrechnung. Die Preisgarantie schützt davor nicht.
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Wie verlässlich sind die günstigen Anbieter?
Stromdiscounter haben in der Energiekrise im vergangenen Jahr für negative Schlagzeilen gesorgt, indem sie während der Preisgarantie höhere Preise forderten oder die Belieferung ganz eingestellt haben. In den Vergleich wurden nur Anbieter aufgenommen, die beim Vergleichsportal Check24 eine Weiterempfehlungsquote von mindestens 80 Prozent haben. „Allerdings wird dabei meist nur das Prozedere des Wechsels bewertet und nicht Probleme, die sich erst später ergeben“, sagt Verbraucherschützer Bornemann. „Ich würde zunächst im Internet nach aktuellen Beschwerden suchen. In der gegenwärtigen Lage wäre ich aber nicht zu ängstlich, denn die Lage am Strommarkt hat sich entspannt.“
Welche Alternativen gibt es zu den Stromdiscountern?
Wer bei ihnen nicht abschließen will, findet günstigere Angebote außerhalb der Grundversorgung auch bei den großen Energiekonzernen Vattenfall und E.on. Bei einem Verbrauch von 5000 kWh im Jahr liegt die jährliche Ersparnis für Hamburger bei E.on noch bei 530 Euro und bei Vattenfall bei 441 Euro.
Was ist mit den Boni?
Im Dezember 2022 gab es wieder viele Tarife mit hohen dreistelligen Boni auf dem Markt, bevor die Regierung den Anbietern einen Strich durch die Rechnung machte. Doch das hatte auch Auswirkungen auf den Strompreis, der meist die Marke von 50 Cent überschritt. Das Kalkül der Anbieter war klar: Der Verbraucher kassiert hohe Boni und der Strompreis ist für 80 Prozent des Verbrauchs bei 40 Cent gedeckelt. Doch mit der Strompreisbremse erließ die Regierung eine Regelung, nach der Zugaben oder Vergünstigungen ab 1. Januar 2023 den Wert von 50 Euro im Jahr nicht übersteigen dürfen. Schon Ende Dezember haben die Anbieter die Tarife wieder vom Markt genommen und bieten jetzt einen Bonus von rund 50 Euro, der die Stromrechnung im ersten Jahr senkt.
Was muss ich nach dem Wechsel beachten?
Neukunden werden mit günstigen Tarifen gelockt, aber nach zwölf Monaten drohen höhere Preise. „Dann muss man sich auf einen erneuten Wechsel zu einem dann günstigeren Anbieter einstellen“, sagt Bornemann. Eine Option ist eine längerfristige Preisgarantie. Doch nur wenige Stromversorger wie Vattenfall im Tarif Easy24 Strom bieten eine Preisgarantie für 24 Monate an. Bornemann: „Wenn der Preis akzeptabel ist, so ist auch das eine Option.“