Hamburg. Zuletzt ist der Erdgaspreis an der Börse stark zurückgegangen. Doch sollte man sofort wechseln? Was es dabei zu beachten gilt.
Das hatten noch zu Jahresbeginn viele so nicht erwartet: Der Erdgaspreis an den Börsen ist in den zurückliegenden Wochen weiter zurückgegangen, er liegt jetzt sogar unter dem Niveau zu Beginn des Ukraine-Kriegs. Für Verbraucher zeigt sich jedoch ein geteiltes Bild. Wer aktuell einen neuen Gasvertrag abschließt, kann sich in manchen Tarifen einen Arbeitspreis von weniger als 10 Cent je Kilowattstunde (kWh) sichern.
„Wer aber zu einem ungünstigen Zeitpunkt im vorigen Jahr einen Vertrag unterschrieben hat, zahlt jetzt unter Umständen noch 18 Cent oder mehr“, sagt Jan Bornemann, Energieexperte der Verbraucherzentrale Hamburg. Zwar deckelt die Gaspreisbremse des Bundes die Kosten auf 12 Cent je kWh, aber nur für 80 Prozent des prognostizierten Verbrauchs.
Doch wie geht es mit dem Erdgaspreis weiter? Sollte man jetzt auf jeden Fall zu einem günstigeren Anbieter wechseln und sich dabei so lange wie möglich mit einer Preisgarantie binden? Oder ist es ratsam, auf noch weiter sinkende Preise zu spekulieren?
Hier die wichtigsten Fragen und Antworten dazu:
Wie viel kann man gegenüber der Grundversorgung sparen?
Im Herbst vorigen Jahres war es für Verbraucher vielfach die günstigste Option, beim Auslaufen ihres bisherigen Gasvertrags in die jeweilige Grundversorgung zu wechseln. Doch das hat sich radikal geändert. Nach Erhebungen des Vergleichsportals Check24 liegen jetzt noch 89 Prozent aller Grundversorgungstarife über der Gaspreisbremse. Das gilt auch für Hamburg.
Hier berechnet der Grundversorger E.on Energie derzeit 15,183 Cent je kWh. Ganz anders sieht das bei den aktuellen Neukundenkonditionen aus. „Fast 90 Prozent aller Tarife in unserem Gasvergleich liegen unterhalb der Preisbremse“, sagt Steffen Suttner, Geschäftsführer Energie bei Check24. „Deswegen sollten Verbraucherinnen und Verbraucher jetzt aktiv werden und ihren Anbieter wechseln.“
Bezogen auf Hamburg bieten die günstigsten Neukundentarife derzeit eine Ersparnis von mehr als 600 Euro im Jahr gegenüber Grundversorgung. Dieser Abstand hat sich zuletzt noch vergrößert: Anfang März waren es erst etwas mehr als 400 Euro.
Wie viel Entlastung bringt die Gaspreisbremse?
Trotz der Gaspreisbremse waren die Heizkosten in der zurückliegenden Heizperiode nach Berechnungen von Check24 so hoch wie noch nie. Ein Musterhaushalt, der sein Reihenhaus mit Gas heizte, zahlte im Zeitraum von September 2022 bis April 2023 im Schnitt 2406 Euro, das waren zwölf Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Ohne Gaspreisbremse wären es 2630 Euro gewesen und ohne die zusätzliche staatliche Übernahme des Dezemberabschlags sogar 2904 Euro. Damit habe der Bund die Gaskunden auf Basis dieser Musterrechnung um jeweils fast 500 Euro entlastet.
Sollte man jetzt den Gastarif wechseln?
„Wer wechseln kann, sollte das tun“, sagt Bornemann mit Blick auf die aktuell wieder deutlich günstigeren Neukundentarife. Im Schnitt liegt deren Arbeitspreis laut dem Vergleichsportal Verivox bei 10,3 Cent je kWh. In manchen Fällen seien die Versorger auf Nachfrage sogar bereit, Kunden trotz weiter laufender Vertragsbindung in einen günstigeren Tarif wechseln zu lassen, sagt der Verbraucherschützer.
Allerdings gibt es eine alternative, wenngleich nicht unbedingt sozial orientierte Strategie: „Für Menschen, die besonders viel Gas einsparen, kann es sinnvoll sein, in einem teuren Tarif zu bleiben“, so Bornemann. Denn wer den Verbrauch um mehr als 20 Prozent senkt, bekommt mit der Jahresabrechnung den Betrag erstattet, den man für die eingesparte Gasmenge bezahlt hätte – und zwar zu dem im Tarif vorgesehenen Preis.
Eine Verbrauchssenkung von 20 Prozent ist keineswegs unrealistisch: Einer nicht repräsentativen Auswertung von Check24 zufolge haben die Deutschen 2022 rund 21 Prozent weniger Gas verbraucht als 2021. Am meisten hätten die Haushalte in Hamburg gespart. Hier sei der Verbrauch sogar um fast 30 Prozent zurückgegangen.
Wie entwickelt sich der Gaspreis weiter?
Im Hinblick auf die Gaspreise gebe es Grund für „vorsichtigen Optimismus“, heißt es im jüngsten Gasmarktbericht der Internationalen Energiebehörde (IEA). Der Druck auf den Markt habe seit Jahresbeginn 2023 aufgrund günstiger Wetterbedingungen und politischer Maßnahmen nachgelassen. Der europäische Börsenpreis für Erdgas dürfte nach Einschätzung der IEA-Analysten im weiteren Jahresverlauf knapp unterhalb des im ersten Quartal gesehenen Niveaus verharren.
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Allerdings gebe es eine Reihe von Risiken, die den Ausblick unsicher machen. Dazu gehöre die Möglichkeit einer weiteren Verringerung der russischen Gaslieferungen nach Europa. Nach Auffassung der Experten des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln (EWI) könnten sich die Gaspreise mittelfristig wieder dem historischen Preisniveau in Europa annähern. Wegen tendenziell sinkender Gasnachfrage würden sie im Jahr 2030 wieder das Niveau der 2010er-Jahre von weniger als 20 Euro je Megawattstunde erreichen, heißt es in einer im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums erstellten Studie.
Sollte man einen Tarif mit kurzer Laufzeit wählen?
Zwar sieht die Mehrzahl der auf dem Markt befindlichen Neukundentarife jeweils zwölf Monate Laufzeit und Preisbindung vor, es gibt aber auch Verträge, bei denen man sich nur für einen Monat binden muss. Sind sie in der aktuellen Situation empfehlenswert? „Das ist eher eine Typfrage“, findet Verbraucherschützer Bornemann. Wer sich nicht scheue, regelmäßig die Marktentwicklung zu beobachten und gegebenenfalls wieder zu wechseln, könne durchaus darauf setzen, dass die Neukundenpreise bis zum Sommer noch etwas weiter sinken, und erst dann einen längerfristigen Vertrag abschließen.
Wie viele Verbraucher wechseln den Gasanbieter?
Nach der Liberalisierung des Gasmarktes im Jahr 2007 hat zunächst eine größere Zahl der Haushalte mit eigenem Gaszähler die Möglichkeit des Anbieterwechsels genutzt – bis 2013 taten das mehr als ein Viertel der Haushalte. Seitdem jedoch ist es in wesentlich kleineren Schritten weitergegangen. Bis März 2023 haben nach Angaben des Branchenverbands BDEW knapp 40 Prozent der Haushalte den Anbieter mindestens einmal gewechselt – die Mehrheit also noch nicht.
Ist das Heizen mit Öl derzeit günstiger?
Über den größeren Teil des Jahres 2022 war es für Privathaushalte deutlich teurer, mit Öl zu heizen, als mit Erdgas. Zuletzt hat sich das jedoch abrupt geändert. „Die Gaskosten für den Zeitraum von September 2022 bis April 2023 lagen trotz Gaspreisbremse und Übernahme des Dezemberabschlags über den Heizölkosten“, heißt es von Check24. Schließlich haben sich die Heizölpreise seit Ende August 2022 nahezu halbiert.