Hamburg. Junge Fluggesellschaft kündigt Maßnahmen an, um den Betrieb zu stabilisieren. Experte hält bisherige Planung für „blauäugig“.

  • Marabu kämpft seit dem Start mit massiven Problemen.
  • Immer wieder kommt es zu Verspätungen und Ausfällen bei der jungen Arline.
  • Die Fluggesellschaft kündigt nun Maßnahmen an, um den Betrieb zu stabilisieren.
  • Die Änderungen betreffen auch den Flughafen Hamburg.

Der Name sollte Urlaubsgefühl vermitteln. Als der britische Finanzinvestor Attestor Ende vergangenen Jahres eine neue Fluggesellschaft gründete, entschied er sich für die Bezeichnung Marabu Airlines. Auf stolze bis zu drei Meter Spannweite bringen es die Männchen der zu den Störchen zählenden Vögel.

Von den Flughäfen Hamburg und München aus sollte die junge Airline den Markt aufmischen und Sonnenziele in Griechenland, Ägypten, Spanien, Portugal und Italien anfliegen – doch bisher erwies sie sich viel zu oft als flügellahm.

Flughafen Hamburg: Problem-Airline Marabu streicht zwei Ziele ab Fuhlsbüttel

Am 5. Mai nahm die Fluggesellschaft mit Sitz in Estland den Betrieb von Fuhlsbüttel aus auf. Doch immer wieder fehlten Flugzeuge und Crews. Die Bilanz ist daher erschütternd. 344 Flüge habe man ab und nach Hamburg durchgeführt, hieß es Anfang der Woche. Acht mussten gestrichen werden.

Unterm Strich seien knapp zehn Prozent der Flüge stark verspätet gewesen, sagte ein Unternehmenssprecher und ergänzte jetzt auf Nachfrage: „Als stark verspätete Flüge betrachten wir eine Verspätung von mehr als drei Stunden.“

Ein Flug nach Kos hob mit zwei Tagen Verspätung ab

Immer wieder erreichten unsere Redaktion E-Mails von erbosten Lesern, die auf massive Verspätungen und Landungen mitunter weit nach Mitternacht hinwiesen – wegen der Nachtflugbeschränkungen allerdings nicht am Airport mit dem Kürzel HAM, sondern mit dem Kürzel HAJ.

Neun Maschinen wurden nach Hannover umgeleitet. So kamen Passagiere von einem Faro-Flug erst fast zehn Stunden später morgens um kurz nach 7 Uhr in Fuhlsbüttel an. Ein Flug nach Kos ist mit etwa zwei Tagen Verspätung in Hamburg gestartet.

Marabu streicht Rom und Tallinn aus dem Hamburger Flugplan

„Marabu prüft verschiedene Maßnahmen, um die Flugpläne anzupassen und somit Verbindungen zu entzerren“, sagte der Sprecher nun. Man wolle die Auswirkungen auf die Gäste bei Unregelmäßigkeiten so gering wie möglich halten. Erste Schritte sind nun eingeleitet worden.

Ursprünglich wollte Marabu in diesem Sommer 14 Ziele vom Helmut-Schmidt-Flughafen aus ansteuern. Zwei wurden nun gestrichen. „Die Flüge von Hamburg nach Tallinn und von Hamburg nach Rom wurden vollständig ab dem 22. Juni bis zum Saisonende aus dem Flugplan genommen“, sagte der Sprecher.

Auch nach Hurghada gibt es Veränderungen

Tallinn wäre die Verbindung in das Heimatland der Airline gewesen. Zudem wäre damit ein Direktziel zurück in das Hamburger Streckennetz gekommen. Geplant waren die Flüge in die estnische Hauptstadt ab 7. Juli.

Hinter einer Lufthansa-Maschine steht ein Marabu-Jet auf dem Hamburger Flughafen. Einst sollten 14 Ziele von Hamburg aus bedient werden.
Hinter einer Lufthansa-Maschine steht ein Marabu-Jet auf dem Hamburger Flughafen. Einst sollten 14 Ziele von Hamburg aus bedient werden. © dpa | Bodo Marks

Weitere Veränderungen sind auf der Strecke nach Hurghada ab dem 3. Juli geplant. Bisher flog eine Maschine von Hamburg in den ägyptischen Badeort und dann auf dem Rückflug nach München – der zweiten Stadt, von der aus Marabu operiert. Der in München gestartete Flieger gen Hurghada nahm auf dem Rückweg Passagiere mit Ziel Hamburg mit.

Passagiere sollen „proaktiv informiert“ werden

Dahinter könnte die Idee gesteckt haben, Zeit zu sparen. Wegen der südlicheren Lage ist der Flug nach Ägypten vom Franz-Josef-Strauß-Airport rund eine halbe Stunde kürzer als vom Helmut-Schmidt-Flughafen. Allerdings sei es dabei immer wieder zu operativen Schwierigkeiten gekommen, hieß es. Offenbar harmonierte es am ägyptischen Urlaubsziel nicht wie gewünscht.

Künftig sollen die Maschinen nun die Umläufe Hamburg–Hurghada–Hamburg und München–Hurghada–München bedienen. Auch seien Frequenzen reduziert worden. „Gäste werden darüber proaktiv informiert und bei Bedarf auf alternative Verbindungen umgebucht“, sagte der Sprecher.

Derzeit fliegen fünf Flieger für Marabu

Marabu kämpfte schon kurz nach dem Betriebsstart im April aus München damit, zu wenig Flugzeuge zu haben. Neben einem eigenen Airbus A320neo mit 180 Sitzen setzt die Airline vor allem Wet-Lease-Maschinen ein, die mitsamt Crew von anderen Fluggesellschaften gemietet werden. Ende April schrieb Marabu-Chef Paul Schwaiger unserer Redaktion, man habe sieben Flieger der A320-Familie zur Verfügung.

„Aktuell fliegen fünf Flugzeuge für Marabu“, sagte der Unternehmenssprecher nun: „Weitere Flüge werden derzeit von Flugzeugen abgedeckt, die kurzfristig beauftragt werden, bis in den kommenden Wochen weitere Marabu-Flugzeuge in den Dienst gestellt werden.“

Hamburger Experte spricht von „Fehlstart“ der neuen Airline

Einen grundsätzlichen Mangel an Flugzeugen und Crews gebe es auf dem Markt zu dieser Jahreszeit nicht, das Grundprogramm sei zu anspruchsvoll gewesen, sagte der Hamburger Luftfahrtexperte Cord Schellenberg im Gespräch mit unserer Redaktion: „Es ist schon überraschend, dass eine Fluglinie zu Mittelstreckenzielen einen solchen Fehlstart hinlegt. Man ist absolut blauäugig vorgegangen. Das anzuschauen ist richtig traurig.“

Die Passagiere, die zudem wegen der gestiegenen Ticketpreise wohl viel Geld für ihre Reise ausgegeben haben, müssten jetzt die handwerklichen Fehler der Airline ausbaden. Die Planungen hätten sich wohl auf den bestmöglichen Fall konzentriert, aber keine möglichen Schwierigkeiten berücksichtigt.

Schellenberg sieht Markennamen Marabu beschädigt

Es hätte mindestens ein Flugzeug und mehrere Crews als Reserve vorgehalten werden müssen. Jeder Euro dafür wäre gut investiert gewesen, sagte Schellenberg und ergänzte: „Der Markenname Marabu ist jetzt schon beschädigt – auch für Condor ist das eine schwierige Situation.“

Der Hamburger Luftfahrtexperte Cord Schellenberg spricht von blauäugiger Planung bei Marabu und einem Fehlstart der Fluglinie.
Der Hamburger Luftfahrtexperte Cord Schellenberg spricht von blauäugiger Planung bei Marabu und einem Fehlstart der Fluglinie. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Im Juli 2021 hatte Finanzinvestor Attestor 51 Prozent der Anteile an Condor übernommen. Die deutsche Ferienfluglinie ist damit eine Schwesterairline von Marabu. Die Marabu-Flüge sind über die Condor-Homepage buchbar. Zwar wird dort ausgewiesen, dass Marabu Airlines den Flug durchführt. Manche Kunden haben den Hinweis in kleinerer Schrift aber überlesen, wie Mails an unsere Redaktion zeigen.

Condor arbeitet an Stabilisierung der Schwesterairline Marabu mit

Das Nutzen der bewährten Vertriebsstrukturen sei „ein marktübliches Vorgehen bei vielen Fluggesellschaften, so auch bei Condor für weitere Airlines über Marabu hinaus“, sagte eine Condor-Sprecherin. Die Frage, ob man einen Reputationsverlust wegen der schwachen Marabu-Performance auch für die Marke Condor befürchte, blieb unbeantwortet.

Aber: „Marabu arbeitet unter Hochdruck daran, den Flugbetrieb zu stabilisieren. Hierfür wurde eine Taskforce ins Leben gerufen, von der Condor Teil ist und innerhalb derer Condor bei der Planung und Umsetzung von Stabilisierungsmaßnahmen nach Kräften unterstützt“, so die Condor-Sprecherin.

Experte: „Marabu ist so eine Art Lotto geworden“

Bei einem gemeinsamen Investor hätte Experte Schellenberg erwartet, dass man sich viel bei den Strukturen von der etablierten Fluglinie abschaut, gerade auch in Bezug auf die Flugplanung und eine funktionierende Kundenkommunikation.

„Ich hätte gedacht, dass man sich Condor als Vorbild nimmt und sich Marabu danach schnitzt. Aber bei Marabu ist das ja so eine Art Lotto geworden: Fliegt mein Flugzeug überhaupt? Wann fliegt es? Sitze ich mit meiner Familie einen ganzen Tag am Flughafen? Werde ich informiert? Das sind Dinge, die man von der Marke Condor nicht gewöhnt ist.“

Flughafen Hamburg: Wird es mit Marabu ab Sommer besser?

Die Ansiedlung in Estland mit seinem geringeren Lohnniveau sieht Schellenberg nicht als Grund für die zahlreichen Flugprobleme an. Das Land sei flugerfahren, hoch digitalisiert, und es gebe genug Profis, die bei einer vernünftigen Planung den operativen Betrieb hätten steuern können. Ob es im Sommer besser oder noch schlimmer werde, da wollte er keine Prognose wagen.

Eine neue Airline zu gründen sei halt grundsätzlich ein sehr schwieriges Puzzle, bei dem verschiedene Aspekte wie Flugzeuge, Crews, Abflughäfen, Frequenzen und Positionierungsflüge ohne Passagiere in Einklang gebracht werden müssten. Es gebe einen alten Witz in der Branche, sagte Schellenberg: „Wie wird man beim Fliegen Millionär? Indem man als Milliardär angefangen hat.“