Hamburg. Ein Fluglärmschützer beklagt die Belastung der Flughafenanwohner für die ersten fünf Monate 2023 und sorgt sich vor dem Sommer.

In der Corona-Zeit sind die Nächte in den Einflugschneisen verhältnismäßig ruhig geblieben. Zwischen 23 und 24 Uhr zählte die Umweltbehörde 2020 65 Starts und Landungen am Flughafen Hamburg. Ein Jahr später waren es 116.

2022 änderte sich die Lage mit dem wieder steigenden Luftverkehr: 873 Flugbewegungen in der letzten Tagesstunde wurden notiert. Von Anfang Januar bis Ende Mai 2023 seien es bisher 242 Starts und Landungen gewesen, teilte die Umweltbehörde nun mit.

Flughafen Hamburg: Mehr als 240 Flieger starten oder landen in der Nacht

Fluglärmschützer verweisen darauf, dass noch drei Flüge nach 24 Uhr hinzukämen, die mit Einzelgenehmigung erlaubt worden seien und gesondert gezählt würden.

Die aktuellen Zahlen besorgen sie. „Mit 242 Verspätungen wird für 2023 das Belastungsniveau des Referenzjahres 2019 überschritten“, sagt Martin Mosel, Vorsitzender des BIG Dachverbandes der Bürgerinitiativen und Vereine für Fluglärm-, Klima- und Umweltschutz in Hamburg.

Fluglärmschützer hält Belastungsmaß am Hamburg Airport für unerträglich

Laut Statistik des Flughafens Hamburg waren es vor vier Jahren zwar nur 230 solcher verspäteten Flüge. Der Unterschied zur Zeit vor Corona sei aber, dass die Verkehrszahlen insgesamt aktuell gerade 80 Prozent des Flugbetriebes von 2019 erreichten, so Mosel: „Den Menschen rund um den Hamburger Flughafen und bis weit in den Flugschneisen im Umland wird in der Nachtzeit durch Verspätungen ein unerträgliches Belastungsmaß aufgebürdet. Ich schaue mit großer Sorge auf den anstehenden Sommerflugverkehr.“

Zur Einordnung: 2019 wurden 678 Starts und Landungen zwischen 23 und 0 Uhr gezählt. Ein Jahr zuvor waren es im Rekordjahr 2018 sogar 1174.

Flughafen Hamburg: Werden Starts und Landungen nach 24 Uhr erlaubt?

Schon in der nächsten Woche könnte es wegen der Nato-Übung Air Defender sogar noch später laut werden. Nach der Verspätungsregel dürfen Flieger in Hamburg zwischen 23 und 0 Uhr starten und landen, wenn Abflug oder Ankunft planmäßig bis 23 Uhr vorgesehen war und für die Verspätung „unvermeidbare Gründe“ vorlagen. Wegen der Militärübung wird nun erwogen, Starts und Landungen auch noch nach Mitternacht zuzulassen.

Bei Fluglärmschützern stößt diese Überlegung auf Unverständnis. Man erwarte, „dass Politik und Verwaltung nicht über Lockerungen des Nachtflugverbots nachdenken, sondern durchgreifende und nachhaltige Maßnahmen zur Verringerung der Belastungen durch nächtliche Starts und Landungen auf den Weg bringen“, sagt Mosel.

BUND lehnt Ausnahmeregelung für Hamburg ab

Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) fordert den für den Lärmschutz zuständigen Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) auf, dem Drängen der Wirtschaftsbehörde um Senatorin Melanie Leonhard (SPD) nicht nachzugeben. Es dürfe keine Ausnahme von den Nachtflugbeschränkungen geben, vielmehr müssten die Überschreitungen massiv reduziert werden.

Falls dies nicht gewährleistet sei, müsse zumindest die Schulbehörde tätig werden und Schulen anweisen, im Manöverzeitraum keine einzige Klassenarbeit zu schreiben. Denn Tausenden Schülerinnen und Schülern in den Einflugschneisen könnte der Schlaf geraubt werden.

„Schülern wird wegen des Nato-Manövers Nachtruhe geraubt“

„Genau jetzt werden die letzten Arbeiten geschrieben, die für die Jahresnote oft den Ausschlag geben. Unsere Kinder waren bereits in der Corona-Zeit die Leidtragenden, jetzt wird ihnen auch noch die Nachtruhe wegen des Manövers geraubt“, sagt die neue Hamburger BUND-Vorsitzende Sabine Sommer.

Auch die Partei Die Linke lehnt eine Aufweichung der Nachtflugbeschränkungen in Hamburg ab. „Erst das Militär, dann das Geschäft und erst zuletzt der Mensch: Keine Aufhebung des Nachtflugverbots für Militärmanöver!“, ist eine Pressemitteilung des umweltpolitischen Sprechers der Bürgerschaftsfraktion überschrieben. „Jetzt auch noch die ohnehin zu kurze Nachtruhe zur Disposition zu stellen, ist ein Affront“, sagt Stephan Jersch.