Hamburg. Fast zehn Millionen Dollar soll die Reederei in den USA zahlen. Der Vorwurf: Vergeltung gegenüber einem Geschäftspartner.
Es ist die höchste Strafe, die US-amerikanische Wettbewerbsbehörden je an eine ausländische Reederei verhängt haben. Und sie trifft ausgerechnet ein Hamburger Unternehmen: Die Federal Maritime Commission (FMC), die amerikanische Bundesbehörde zur Regulierung des Seeverkehrs mit US-Häfen, hat die Reederei Hamburg Süd zu einer Strafzahlung von fast zehn Millionen US-Dollar an ein amerikanisches Handelsunternehmen verurteilt. Die Reederei soll gegen das US-Schifffahrtsgesetz verstoßen haben.
Sieger im Rechtsstreit ist ein Versandhändler für Möbel und Haushaltswaren namens OJCommerce (OJC) mit Sitz im US-Bundesstaat Florida. Dieser hatte mit den Hamburgern 2020 einen Vertrag zum Transport von 200 Containern abgeschlossen. Dann kam die Corona-Pandemie. Weltweit wurde Schiffsraum knapp, und die Frachtraten stiegen um ein Mehrfaches an. 2021 folgte eine ersten Beschwerde von OJC bei der Behörde in Washington gegen Hamburg Süd wegen Preistreiberei und vermeintlicher Vertragsbrüche.
Rekordstrafe: Hamburg Süd soll 9,84 Millionen US-Dollar in die USA überweisen
Insbesondere wurde Hamburg Süd vorgeworfen, 15 der 200 Container Mindestmenge gar nicht transportiert sowie zu Unrecht fast 41.000 US-Dollar Liegegeld für mehrere Container in Rechnung gestellt zu haben. Die Beschwerde wurde zunächst zurückgewiesen.
Doch 2022 änderte OJC seine Klage: Als es um eine Verlängerung des Vertrags ging, sei Hamburg Süd davon völlig überraschend zurückgetreten. Zwar kann man einem Schifffahrtsbetrieb nicht vorschreiben, mit wem er Kontrakte eingeht. Aber der Händler aus Florida machte nun geltend, Hamburg Süd handle aus Vergeltung wegen der Beschwerde von 2021 und erhob den Vorwurf der Verweigerung eines Geschäfts. Die findigen Anwälte des Möbelhändlers forderten 100 Millionen Dollar Schadenersatz.
Richterin: Hamburg Süd hat wissentlich gegen Schifffahrtsgesetz verstoßen
Der Beschluss umfasst 64 Seiten. Sehr genau werden hier sämtliche Schriftwechsel aufgeführt, aber auch E-Mails, die belegen sollen, dass Hamburg Süd das Geschäft mit OJC wegen eines „Rechtsstreitrisikos“ hintertrieben habe. „Die Beweise belegen, dass der Hamburger Geschäftsführer wusste, dass seine geschäftsführende Entscheidung gegen das Schifffahrtsgesetz verstößt“, heißt es in dem Beschluss. Die Fakten würden die Feststellung stützen, dass der Verstoß „wissentlich und vorsätzlich“ erfolgte.
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Der Forderung der Anwälte nach 100 Millionen Dollar Strafe folgte die FMC nicht. Das Gericht ging von einem Wert von knapp 23.000 US-Dollar pro Container aus, um den tatsächlichen Schaden zu ermitteln. Zusammen mit den Handelsrouten und dem Kontraktvolumen in den Jahren 2020 und 2021 beziffert die Behörde den tatsächlichen Schaden auf 4,92 Millionen US-Dollar. Und da Hamburg Süd wissentlich gegen den „US-Shipping-Act“ verstoßen habe, kommt als Strafe die gleiche Summe hinzu. Am Ende setzte das Gericht den Betrag somit auf 9,84 Millionen US Dollar (umgerechnet 8,9 Millionen Euro) fest.
Rekordstrafe gegen Hamburg Süd – Nachfolgefirma Maersk prüft Urteil
„Dieser Fall wirft neue rechtliche Fragen hinsichtlich der Verweigerung der Bearbeitung von Ansprüchen, Vergeltungsansprüchen und der Berechnung von Wiedergutmachungen auf“, schreibt die zuständige Richterin in ihrem Beschluss. „Darüber hinaus sind sich die Parteien über viele Sachverhaltsvorwürfe uneinig.“ Die Kontrahenten hätten in dem Verfahren heftige Rechtsstreitigkeiten geführt und mehrere Anträge auf Erzwingung von Beweisen gestellt. „Tatsächlich behaupten beide Parteien, dass die andere Partei gegen Offenlegungspflichten verstoßen habe.“
Hamburg Süd gibt es nicht mehr. Die Hamburger Traditionsreederei war 2017 von der dänischen Maersk-Gruppe übernommen worden, die in diesem Jahr angekündigt hat, die Marke aufzugeben und die Tochter voll in den Konzern zu integrieren. Als Nachfolgefirma muss jetzt also Maersk die hohe Strafzahlung leisten. Ob Maersk die Strafe akzeptiert, ist noch offen. Ein Hamburger Sprecher des Reedereikonzerns sagte dem Abendblatt: „Wir prüfen das Urteil gerade und auch wie wir darauf reagieren.“