Hamburg. Klimakrise und steigende Treibstoffpreise machen Reeder wie Hapag-Lloyd und Hamburg Süd einfallsreich.

Bis 2050 will die internationale Seeschifffahrt klimaneutral werden. Ein ehrgeiziges Ziel. Bis dahin müssen neue Motoren entwickelt werden und alternative Treibstoffe zur Verfügung stehen. Denn ohne neue Schiffsantriebe wird das Vorhaben verfehlt. Derzeit ist die Branche für etwa 2,5 Prozent des globalen CO2-Ausstoßes verantwortlich. Die Schifffahrtskontore und Reedereizentralen sehen, dass ihnen bis 2050 die Zeit davon läuft und testen daher klimaneutrale Kraftstoffe.

Auch die Hamburger Reedereien Hapag-Lloyd und Hamburg Süd haben sich auf den Weg gemacht. Dass sie dazu einmal mit Imbissbuden zusammenarbeiten würden, hätten sich die Schifffahrtskaufleute nicht träumen lassen. Aber genau das passiert. Hamburg Süd experimentiert auf den Schiffen ihrer Konzernmutter Maersk inzwischen mit altem Fett aus Fritteusen als Treibstoff. Gleiches gilt für Hapag-Lloyd.

Eine gute Idee: pflanzliche Speiseöle wie Frittenfett gelten nämlich als klimaneutral, weil das CO₂, das nach wie vor bei der Verbrennung aus dem Schornstein steigt, zuvor von den Pflanzen aus der Atmosphäre gezogen wurde. Es entsteht also nur so viel C02 neu, wie vorher absorbiert wurde.

Schifffahrt: Bisher Mix aus Biosprit und herkömmlichem Kraftstoff

Nicht nur aus Imbissbuden kommt der neue Treibstoff. „Bislang sind es im wesentlichen Altspeiseöle, aber auch Treibstoffe basierend auf Lebensmittelabfällen werden eingesetzt“, sagt ein Sprecher der Reederei Hapag-Lloyd. Zudem werde gerade die Verwendung von Treibstoff aus anderen Abfallprodukten wie Nussschalen geprüft. „Funktioniert das, wäre es auf lange Sicht eine Alternative.“

Allerdings wird der neue Treibstoff nicht pur eingesetzt, sondern mit herkömmlichen Kraftstoffen gemischt, wie etwa E10 an der Tankstelle für Pkw. Aus dem Bioabfall wird ein Fettsäuremethylester (FAME), also eine Art Biodiesel, hergestellt, den man dann mit unterschiedlichen Anteilen von schwefelarmem Schweröl (LSFO) mischt, und zwar im Vesrhältnis 70 Prozent konventionell, 30 Prozent Bio. Das ist gut fürs Klima: „Die Treibhausgasemissionen von reinem Biokraftstoff sind im Vergleich zu Standardkraftstoffen um mehr als 80 Prozent niedriger“, heißt es von Hapag-Lloyd.

Rotterdam und Singapur als Lieferanten

Bereits 2020 habe es erste Versuche mit Frittenfett als Treibstoff gegeben. Damals sei im Hafen von Rotterdam die „Al Nefut“ mit einer Stellplatzkapazität von 18.800 Standardcontainern (TEU) als erstes Hapag-Lloyd-Schiff damit betankt worden. Heute ist der Einsatz von Frittenfett Normalität: „Wir haben 71 Schiffe, die mit Biofuel betankt werden können“, sagt der Reedereisprecher.

Derzeit konzentriere sich die Verwendung auf die Fahrtgebiete Fernost und Atlantik sowie Asien-Mittelmeer. „Bis Ende 2022 werden wir über 100.000 Tonnen Biokraftstoff gebunkert haben.“ Die Hauptmengen kämen aus Rotterdam, aber seit September auch aus Singapur.

Lebensmittel wie Soja oder Palmöl scheiden aus

Inzwischen hat Hapag-Lloyd mit einigen Kunden sogar feste Vereinbarungen geschlossen, wonach deren Produkte mit Biofuel transportiert werden. Einer dieser Kunden ist der Paketservice der Deutschen Post DHLA. Hapag-Lloyd wird für 18.000 Standardcontainer des für DHL verschifften Seefrachtvolumens Biokraftstoffe verwenden und dadurch 14.000 Tonnen an CO-Emissionen einsparen. Neben dem direkten Schadstoff-Ausstoß aus dem Schiffsbetrieb sind auch alle vorgelagerten Emissionen aus der Produktion, dem Transport und dem Vertrieb des Kraftstoffes eingeschlossen.

Für Hamburg Süd ist sogar ein Maersk-Schiff ausschließlich mit Frittenfett betankt zwischen Nordeuropa und Kanadas Ostküste gefahren, beladen mit Tulpenzwiebeln und Lithiumbatterien. „Wir haben zwei große Feeder-Schiffe, die damit Trans-Atlantik fahren, und weitere Schiffe in der Flotte, wo der Biotreibstoff zugetankt wird“, sagt ein Unternehmenssprecher. Dabei werde darauf geachtet, dass der Biodiesel nur aus Abfall, also aus dem Recycling, komme – und bewusst nicht aus Lebensmittelquellen wie Soja oder Palmöl.

„Um uns die benötigten Volumina zu sichern, investieren wir in Partnerschaften in der Wertschöpfungskette dieser grünen Brennstoffe – ähnlich wie bei der Produktion von grünem Methanol, wo wir bisher sieben Partnerschaften weltweit eingegangen sind, um zukünftige Produktionsvolumen für unsere Schiffe schon heute zu sichern und den Aufbau der Produktionsstätten der klimaneutralen Energiequellen zu initiieren.“

Viele technische Herausforderngen auf dem Weg

Der Umstieg sei nicht leicht gewesen. „Das war kein einfaches Unterfangen und ein Lernprozess der Schiffsingenieure an Land und an Bord. Es musste einiges an den Maschinen und ihrer Steuerung angepasst werden“, so der Hamburg-Süd-Sprecher. Und der Betrieb macht offenbar auch mehr Arbeit: Die Einspritzdüsen müssen regelmäßig ausgetauscht werden, die Filter verstopfen häufiger.

Noch schwieriger sei der Prozess der Beimischung. Bei dem zugemischten Bio-Fuel im normalen Brennstoff, so genannte Bio-Blends, liefen bei der Hamburg-Süd-Mutter Maersk die Tests noch und man müsse umfassende Voruntersuchungen machen, bevor man ein Schiff damit betreiben könne: „Wir glauben aber daran, dass wir langfristig den richtigen Weg finden, um diese Bio-Blends auf den Schiffen der existierenden Flotte anwenden zu können.“

Lieferanten und Lieferketten seien zertifiziert, so der Sprecher. „Bio-Brennstoffe werden auch in Zukunft Teil unserer Dekarbonisierungsstrategie bleiben, aber den Großteil der am Ende benötigten, klimaneutralen Brennstoffe werden wir über skalierbare Technologien beschaffen – wie Methanol.“

Schifffahrt: Alte Schiffe in der Flotte werden ersetzt

In diesem Brennstoff sieht Maersk am Ende die größten Chancen. Deswegen hat die Reederei erst kürzlich sechs neue Schiffe bestellt, die klimaneutral mit grünem Methanol betrieben werden können. „Wir haben damit nun insgesamt 19 methanol-fähige Schiffe im Orderbuch, die allesamt alte Schiffe in der Flotte ersetzen werden.“

Da Methanol mehr Tankvolumen als herkömmlicher Bunker/Diesel benötigt, wurde von Maersk das Schiffsdesign verändert, um die Ladekapazität trotz des Platzverlustes maximal auszunutzen: Brücke ganz nach vorne, so dass dahinter alle Stapel maximale Höhe haben können.

Maersk investiert zudem zusammen mit bislang sieben Partnern von China über Europa bis in die USA in entsprechende Produktionsstätten für grünes Methanol, um das Henne-Ei-Problem bei dem noch neuen Brennstoff auszuhebeln. „Mehr als 900.000 Tonnen Jahresproduktion haben wir bereits mit den sieben Partnern projektiert und die erste Produktion soll rechtzeitig zum Ablegen der Methanol-Schiffe 2023 laufen – alles natürlich mit grüner Energie bei der Herstellung.“