Los Angeles. Schiffe im Hafen Hamburg müssen künftig ihre Maschine stoppen. Bürgermeister wünscht sich gemeinsames Vorgehen mit Konkurrenzhäfen.

Spätestens bis 2030, so sieht es ein Plan der EU vor, müssen Containerschiffe in allen wichtigen Häfen der Europäischen Union während ihrer Liegezeiten klimaschonenden Landstrom nutzen. Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher will allerdings nicht auf diesen letztmöglichen Zeitpunkt warten, sondern Tempo machen. „Wir brauchen ein Konzept für die Landstrompflicht in den großen europäischen Häfen“, so Tschentscher. Er sei dazu im Gespräch mit Rotterdam, Amsterdam und Genua, erklärte der Bürgermeister am Rande seines Besuchs in der US-Metropole Los Angeles.

Die Stadt an der amerikanischen Westküste, deren Hafen seit vielen Jahren mit dem in Hamburg kooperiert, nahm bereits 2004 ihre erste Landstrom-Anlage in Betrieb. Inzwischen hat der Hafen von Los Angeles nach eigenen Angaben 79 Landstrom-Anschlüsse – mehr als jeder andere Hafen der Welt.

Hafen Hamburg: Nur eine Landstrom-Anlage für Kreuzfahrtschiffe

Hamburg verfügt seit Frühjahr 2017 am Kreuzfahrtterminal Altona über eine Landstrom-Anlage für Passagierschiffe. Weitere Landstrom-Anschlüsse am Kreuzfahrtterminal Steinwerder und in der HafenCity sind noch in Arbeit. Das gilt auch für geplante Anlagen an allen Containerterminals im Hamburger Hafen.

Bisher läuft es bei den meisten Containerschiffen in europäischen Häfen so, dass sie während ihrer Liegezeiten im Hafen ihre Dieselgeneratoren an Bord einfach weiterlaufen lassen, um sich mit Strom zu versorgen, etwa für Beleuchtung, Bordelektronik und Kräne. Die dadurch entstehenden großen Mengen an Abgasen ließen sich vermeiden, wenn die Schiffe ihre Motoren abschalteten und stattdessen Landstrom nutzten.

Tschentscher will „Roadmap“ für Landstrom in europäischen Häfen

Noch ist Strom aus Dieselaggregaten allerdings erheblich billiger als klimaschonend erzeugter Landstrom. Selbst wenn Landstrom in einem Hafen zur Verfügung steht, ist der Anreiz, diesen zu nutzen, für Reedereien meist nicht allzu groß. Los Angeles, das gehört zur Wahrheit dazu, konnte trotzdem früh auf Landstrom setzen, weil die US-Metropole kaum Konkurrenz hat an der amerikanischen Westküste – unter diesen Umständen bleibt Reedern gar nichts anderes übrig, als den Landstrom im Hafen von Los Angeles zu nutzen, wenn sie Waren dorthin bringen wollen.

Anders sieht es für große europäische Hafenstädte aus. Hamburg wolle die Luftverschmutzung im Hafen zügig verringern, könne aber nicht im Alleingang auf Landstrom setzen, weil sonst Nachteile gegenüber anderen Häfen zu befürchten wären, sagt Tschentscher. Deshalb sucht er den Austausch mit seinen Amtskollegen in Rotterdam, Amsterdam und Genua; erörtert mit ihnen, wie eine gemeinsame europäische Landstrom-„Roadmap“ aussehen sollte, die dann der EU-Kommission präsentiert werden könnte. Zudem soll die Hafenstadt Marseille in Südfrankreich in die Planungen mit einbezogen werden.

Ex-Wirtschaftssenator: Nicht zu viel Druck auf Reeder aufbauen

Tschentscher kann sich eine Art Stufenplan für die Nutzung von Landstrom vorstellen, damit die Reedereien konkret wissen, bis wann sie ihre Containerschiffe entsprechend umrüsten müssen. Der ehemalige Hamburger Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos) hatte im Sommer 2021 erklärt, er schließe nicht aus, eine Landstrompflicht für Containerschiffe einzuführen. Er warnte aber gleichzeitig davor, zu viel Druck auf die Reedereien auszuüben – denn diese könnten dann entscheiden, Hamburg nicht mehr anzulaufen. Westhagemann hatte damals eine Landstrom-Anlage an den Landungsbrücken eingeweiht, die allerdings für Binnenschiffe gedacht ist, vor allem für die Hafenrundfahrt-Barkassen.

Tschentscher besucht derzeit in seiner Rolle als Bundesratspräsident die Vereinigten Staaten. Am vergangenen Sonntag legte er auf dem Soldatenfriedhof von Arlington vor den Toren Washingtons einen Kranz nieder. Am Dienstag traf Tschentscher im Capitol die ehemalige Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, und sprach mit ihr unter anderem über den umstrittenen geplanten Einstieg der Reederei Cosco bei einem Terminal im Hamburger Hafen.

Hafen Hamburg: Wasserstoff-Riese könnte Investitionen ausweiten

In Washington traf Tschentscher zudem Seifi Ghasemi, Chef des US-Unternehmens Air Products, das als weltweit größter Produzent von Wasserstoff gilt. Air Products will im Hamburger Hafen eine Import- und Vertriebsanlage für „grünes“, also klimafreundlich erzeugtes Ammoniak errichten, zusammen mit der zur Hamburger Marquard-&-Bahls-Gruppe gehörenden Gesellschaft für Mineralölhandel Mabanaft. Geschätzte Investitionskosten: 500 Millionen Euro.

Von Washington an der US-Ostküste ging es für Tschentscher und die ihn begleitende 19-köpfige Wirtschafts- und Wissenschaftsdelegation an die Westküste nach San Francisco. In der IT- und Hightechmetropole stand unter anderem ein Besuch bei dem Internetkonzern Google auf dem Programm. Dritte und letzte Station der USA-Reise ist Los Angeles.