Hamburg. Das Bauprojekt für die Köhlbrandquerung hat bereits Millionen verschlungen. Linke kritisiert die Hafenbehörde.
Seit fünf Jahren wird der Neubau einer Köhlbrandquerung geplant. Eigentlich muss alles ganz schnell gehen, weil die 1974 gebaute Köhlbrandbrücke langsam marode wird und spätestens ab Ende dieses Jahrzehnts nur noch unter hohem Aufwand und mit Verkehrseinschränkungen erhalten werden kann. Doch jetzt sieht es so aus, als ob die Planungen hinfällig sind. Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD) stellt alles zurück auf Anfang.
Das geht aus einem Schreiben hervor, in dem Leonhard die Bürgerschaft über den Stand der Planungen unterrichtet. Bisher hatten sich die Planungen wegen einer Machbarkeitsstudie aus dem Jahr 2018 auf den Bau eines Bohrtunnels zur Verbindung zwischen dem Ost- und Westufer des Köhlbrands konzentriert. Doch ein neues Baugrundgutachten zeigt, dass die bisherigen Annahmen der Machbarkeitsstudie zur Beschaffenheit des Bauuntergrunds nicht stimmen. Es sei alles viel komplizierter und teurer als man erwartet habe, heißt es nun.
Hafen Hamburg: Köhlbrandbrücke – Senat plant Ersatzbau neu
„Es zeigt sich ein deutlicher Unterschied zwischen den Annahmen der Machbarkeitsstudie und den nun vorliegenden Erkundungsergebnissen in dem sehr unregelmäßigen Verlauf der Glimmertonoberfläche entlang der Bohrtunneltrasse. Diese stark gegliederte Struktur, verursacht durch eiszeitliche Erosionsvorgänge, zeigt sich zum Teil in sehr steilen Schichtgrenzen mit mehr als 30 bis 40 Meter Höhenunterschieden“, heißt es in der an die Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit adressierten Unterrichtung.
Die technischen Einzelheiten werden darin weiter ausgeführt, das Ergebnis ist aber klar: Will man aus dem Glimmerton heraus, muss der Tunnel im Vergleich zur Machbarkeitsstudie rund 5,40 Meter tiefer angelegt werden, um die notwendige Überdeckung sicherzustellen. Daraus ergibt sich eine zusätzliche Länge des Tunnels von rund 165 Metern.
Untergrund schlecht: Tunnel müsste tiefer gelegt werden
Man muss kein Ingenieur sein, um daraus zu schließen, dass sich auch alle Planungen für die Rampen und Tunnelzufahrten ändern. Ging die Machbarkeitsstudie noch von 25 Ingenieurbauwerken aus, sind es inzwischen 35. Auch die Verkehrsführung muss geändert werden. Um kreuzende Bahnverkehre oder Hauptverkehrsstraßen zu überbrücken, müssen dort, wo man bisher mit der Aufschüttung von Dämmen gerechnet hatte, nun aufwendige Brücken errichtet werden.
Das schlägt sich im Gesamtpreis für den geplanten Tunnel nieder: Berichtete das Abendblatt bereits im Februar darüber, dass man anstatt 3,1 Milliarden Euro Baukosten nun eher fünf Milliarden Euro schätzt, hat Leonhard die Rechnung gegenüber der Bürgerschaft konkretisiert: Es sind nun brutto 5,31 Milliarden Euro – davon könnte man sechs Elbphilharmonien bauen. Maßgeblicher Kostentreiber ist eben jene Baugrundbeschaffenheit.
Rückbau der Köhlbrandbrücke kostet 178 Millionen Euro
Dazu kommen 178 Millionen Euro für den Rückbau der alten Köhlbrandbrücke und 100 Millionen Euro für die Beseitigung von Kampfmitteln. Das alles führt dazu, dass die Senatorin nun die Reißleine zieht: „Die inzwischen vorliegenden Ergebnisse aus der Vorplanung der Tunnelvariante und die daraus resultierende Kostenschätzung machen eine Neubewertung des Projekts erforderlich.
Eine Fortführung der Planung für den Bohrtunnel einschließlich der ergänzenden Bauwerke in der bisherigen Konfiguration ohne Prüfung alternativer Optionen ist daher nicht angezeigt. Vielmehr ist eine Revision der Planungsergebnisse und eine erneute Abwägung der Entscheidungsparameter geboten“, schreibt sie an die Bürgerschaft.
Das dürfte für Unruhe sorgen, denn SPD und Grüne hatten im Koalitionsvertrag den Bau des Bohrtunnels vereinbart und auch die Umweltverbände und den Bund für diesen Gedanken gewonnen. Er bietet gegenüber einem Brückenneubau viele Vorteile. Ein Tunnel ist widerstandsfähiger gegenüber äußeren Einflüssen als eine Brücke, ist in der Nutzung robuster und benötigt wegen geringerer Höhenunterschiede kürzere Rampen. Zudem gibt es dann keine Höhenbeschränkungen für die Schifffahrt mehr, die bei einer Brücke weiter gegeben wären. Dadurch würden sich auch bei der Planung der Hafengestaltung mehr Freiheiten ergeben. Wegen dieser Vorteile wurde eine alternative Brückenplanung bisher nicht weiter verfolgt.
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Ersatz für Köhlbrandbrücke muss neu geplant werden
Das wird sich jetzt ändern. Wirtschaftssenatorin Leonhard hat klare Vorstellungen davon, wie es weitergeht: „In einem nächsten Schritt soll geprüft werden, ob sich durch eine andere bauliche Konstruktion des Tunnels und der ergänzenden Bauwerke die Kosten reduzieren lassen.“
Zudem wird die im Rahmen der ursprünglichen Machbarkeitsuntersuchung betrachtete Brückenalternative wieder aufgegriffen und unter den Kostengesichtspunkten mit einbezogen.
Leonhard will schnell eine belastbare Grundlage, damit abgewogen werden kann, mit welcher Bauwerksvariante die Planungen fortgesetzt werden. Dabei deutet sich eines schon jetzt an: Es wird zu weiteren Verzögerungen kommen. Hatte der Senat einst verkündet, 2034 solle das Ersatzbauwerk für die Köhlbrandbrücke stehen, heißt es jetzt, dass der „Rahmenterminplan fortgeschrieben“ werde.
„Avanti dilettanti im Hamburger Hafen“, sagt der Hafenexperte der Linksfraktion in der Bürgerschaft, Norbert Hackbusch. Mit dieser Mitteilung würden alle wesentlichen Eckpfeiler der Entscheidung wieder infrage gestellt: „Das sind eindeutige Planungsfehler, denn diese Bodenverhältnisse wurden immerhin schon in der Eiszeit geschaffen und sind in jeder Machbarkeitsstudie zu beachten gewesen.“
Die mehrjährigen Untersuchungen in der Hafenbehörde Hamburg Port Authority (HPA) mit 20 Ingenieuren, die um 80 externe Kräfte verstärkt wurden, seien in entscheidenden Punkten falsch. „Damit sind etliche der 56 Millionen Euro an bereits ausgegebenen Planungsmitteln verschwendet worden.“ Und kostbare Zeit sei verloren gegangen. Hackbusch fordert nun eine sofortige ausführliche Befassung des Wirtschaftsausschusses mit dem Thema.