Hamburg. Hamburger Reederei stattet Boxen mit intelligenten Sendern aus. Die helfen nicht nur gegen Diebe. Was noch dahintersteckt.

Es war kein Mundraub aus Nachbarsgarten, sondern ein schwerer Fall von Kirschendiebstahl: Als Hapag-Lloyd um den Jahreswechsel an einem Freitagmorgen um 11 Uhr eine ganze Ladung Kirschen aus Chile zum chinesischen Neujahrsfest nach China transportieren wollte, kam der Hamburger Traditionsreederei ein Container abhanden: Der Lkw mit der Box hatte rechtzeitig die Farm mit seiner fruchtigen Fracht verlassen; nur im Hafen, wo ein Schiff auf die Kirschen wartete, kam er nicht an. Diebe hatten den Container gestohlen. Wert: 260.000 US-Dollar (umgerechnet 237.000 Euro). Sie gingen geschickt vor, deaktivierten das GPS-Gerät im Truck, damit dieser nicht geortet werden konnte. Was die Übeltäter nicht wussten: Hapag-Lloyd stattet derzeit alle seine Container mit eigenen Tracking-Geräten aus, mit denen sie schnell geortet werden können.

Reederei Hamburg: Hapag-Lloyd nutzt Tracking-Geräte für Container

Das Reederei-Team in Chile kontaktierte die entsprechende Stelle in der Zentrale am Ballindamm und diese konnte den entscheidenden Hinweis zur Ortung des Containers liefern. Der Lkw stand auf einen einsamen Feldweg nicht weit von der Farm entfernt. Die Polizei war so schnell vor Ort, dass die Täter gerade mal einen Karton Kirschen ausladen konnten. Sie wurden festgenommen, und der Kühlcontainer erreichte sogar noch rechtzeitig das ursprünglich disponierte Schiff.

Möglich gemacht hat dieses ein Mammutprogramm, das derzeit bei der Reederei läuft: Hapag-Lloyd stattet als erster Schifffahrtskonzern weltweit alle seine Container mit diesen Nachverfolgungsgeräten aus. 150.000 Kühlcontainer waren zuerst dran. Derzeit werden bis Jahresende auch alle 1,6 Millionen übrigen Container mit den Sendern ausgestattet. „Hapag-Lloyd-Live“ heißt das Programm für die Kühlcontainer, das derzeit 40 Depots in 19 Ländern durchführen. Der Name des mehr als 100 Millionen Euro teuren Projekts macht deutlich, was es können muss: Hapag-Lloyd will von jedem seiner Container wissen, wo er sich befindet und wie es ihm geht.

Hapag-Lloyd geht gegen Diebe vor

Doch nicht nur die Reederei selbst sammelt die Daten: Sie ermöglicht auch ihren Kunden, den Transport ihrer Ladung jederzeit verfolgen zu können. „Sobald ein Container das Depot verlassen hat, wussten wir in der Vergangenheit meist nicht, was mit ihm passiert. ,Hapag-Lloyd Live’ füllt genau diese Lücken. Das ist umso bedeutender, als wir aktuell einige blinde Flecken im Bereich des Hinterlandtransports haben“, sagt Johanna Kähler, Direktorin des Global Inland Center in Hamburg.

„Damit werden wir in der Lage sein, Verspätungen früher zu erkennen, die betreffenden Kunden automatisch zu informieren und frühzeitig Maßnahmen zu ergreifen“, so Kähler. Noch in diesem Jahr will Hapag-Lloyd ein Kundenprodukt für Standardboxen auf den Markt bringen. Es gibt zwei Varianten des Produkts: „Hapag-Lloyd Live Basic“und „Hapag-Lloyd Live Plus“. Ersteres beinhaltet die Übermittlung von Temperatur- und GPS-Daten, geeignet für Pharmazeutika, Milchprodukte oder Früchte. Hapag-Lloyd Live Plus ergänzt diese Daten durch Informationen zu Luftfeuchtigkeit und Sauerstoff- sowie Kohlendioxidgehalt. Wichtig für den Transport von etwa Avocados, Blaubeeren, Bananen sowie Mangos.

Hapag-Lloyd und der Kampf gegen verlorene Container

Wie wichtig das Containertracking gerade bei Kühlboxen ist, zeigt ein zweites Beispiel: Der Container mit der Nummer HLBU9468044 wurde kürzlich in Antwerpen mit belgischer Schokolade für eine Supermarktkette im kanadischen Montreal beladen. Der Transport startete Richtung Hafen, als das System einen Alarm auslöste: Anstatt 15 Grad Celsius betrug die Temperatur im Inneren des Containers 22 Grad Celsius – die Schokolade war in Gefahr zu schmelzen.

Der Vorfall wurde bei den zuständigen Kollegen in Rotterdam registriert. Hapag-Lloyd informierte einen Techniker in Antwerpen. Der suchte sofort den Container im Terminal im Hafen von Antwerpen auf. Er fand schnell den Fehler und konnte ihn beheben. Von dem Moment, in dem der Fehler im System gemeldet wurde, bis zum Abschluss der Reparatur hatte der Vorgang gerade einmal 30 Minuten gedauert – das Problem konnte also in Rekordzeit gelöst werden. Der Kunde aus Montreal checkte die Daten seines Smart Containers über die„Hapag-Lloyd Live“-Applikation. Der Container machte sich auf den Weg über den Atlantik.

Hapag-Lloyd und die Lebensmittelverschwendung

Tatsächlich ist dieses Beispiel nur eines von vielen, die zeigen, warum die minutengenaue Nachverfolgung der Container nicht nur eine Spielerei ist, sondern einen ernsten Hintergrund hat: Allzu häufig verdirbt nämlich Ware während der Transporte. Obwohl Lebensmittelabfälle durch eine Vielzahl von Faktoren verursacht werden, entstehen etwa sieben bis 15 Prozent durch verdorbene Produkte während des Transports, schätzt der US-amerikanische Verleiher von Kühlcontainern Sea Cube. Probleme mit der Temperaturregelung oder Kühlung während des Transports, die die Unversehrtheit des Lebensmittels gefährden und es so für den menschlichen Verzehr unsicher machen, gäben zunehmend Anlass zur Sorge, heißt es. Tatsächlich gehe die Hälfte aller frischen Lebensmittel in den Vereinigten Staaten aufgrund unzureichender Versandbedingungen verloren.

Es gibt viele Faktoren, die die Innentemperatur eines Containers beeinflussen können – regional schwankende Außentemperaturen in der Kette, der Füllstand des Containers oder sogar das Öffnen einer Containertür. Schon bei viereinhalb Grad Celsius kann sich die Lebensmittelqualität verschlechtern, und Bakterien können in nur einer Stunde zu wachsen beginnen. Zudem sind die Container auf See vielen Strapazen ausgesetzt: schnell wechselnde Temperaturen, Salzwasser und Erschütterungen durch das Rollen des Schiffs. So kann schnell etwas mit dem Inhalt passieren. Die schlauen Sender an den Containern sollen dies erkennen und sofort weitermelden.

Hapag-Lloyd nimmt nicht nur Kühlcontainer ins Visier

Anders als bei Kühlcontainern, die über eigene Anschlüsse mit einer externen Stromversorgung verbunden sind, müssen die Tracker für Trockencontainer mit einer eigenen Batterie ausgestattet werden. Über ein eigenes Solar-Panel können sie sich aufladen. Wenn der Container im dunklen Schiffsbauch steht, hat die Batterie genügend Saft für etwa 90 Tage, bevor sie wieder aufgeladen werden muss. „Die Container, die das Depot mit einem Tracking-Gerät verlassen, sind für uns und in einem nächsten Schritt auch für unsere Kunden vollständig sichtbar – egal ob sie auf einem Lkw, Zug oder auf einem Binnenschiff unterwegs sind oder in einem Lager stehen“, sagt Maximilian Rothkopf, operativer Vorstand von Hapag-Lloyd. Die Reederei sei davon überzeugt, dass die größere Transparenz dazu führen könne, angespannte Lieferketten zum Nutzen der Kunden besser zu steuern.