Hamburg. Vorstandschef Markus Mosa wirft Markenherstellern „Gier“ vor. Lebensmittelhändler steigert Umsatz trotz Folgen des Preisstreits.

Dass beim Gang durch den Supermarkt Lücken im Regal klaffen, passiert immer wieder. Das kann mit Rohstoffknappheit oder Lieferengpässen zu tun haben. Bei Deutschlands größter Supermarktkette Edeka sorgt zudem der Machtkampf mit internationalen Markenherstellern um die Bezugspreise für teilweise ausgeräumte Regale. Bei Schokoriegel von Mars,Pedigree-Hundefutter, Pepsi-Cola und einigen Artikeln des Marmeladenherstellers Schwartau – Fehlanzeige. Demnächst könnten auch Pampers knapp werden.

„Aktuell beliefern uns 17 Konzerne nicht, weil wir die Preise nicht akzeptieren“, sagte Edeka-Vorstandschef Markus Mosa bei der Vorstellung der Geschäftszahlen 2022. Betroffen sind neben Mars, Procter & Gamble, Pepsi und Unilever auch Teilsortimente von Henkel und Schwartau. Bei vier weiteren Herstellern hat Edeka einen Bestellstopp verhängt, darunter beim Schweizer Unternehmen Mondelez mit den Marken Philadelphia und Milka.

Edeka: Chef wirft Markenherstellern „Gier“ vor

„Die Gier der internationalen Markenartikler lässt nicht nach“, sagte Mosa und forderte die Markenindustrie auf, „die Inflation nicht weiter künstlich in die Höhe zu treiben“. Im Moment gibt es bei einem Teil der Produkte noch Lagerbestände, die abgebaut werden, andere werden durch neue Hersteller ersetzt.

Auf einen Zeitpunkt, wann die bekannten Marken wieder in den Märkten erhältlich sind, wollte sich der Edeka-Chef nicht festlegen. Aber man werde sich schon wieder einigen, erklärte der 55-Jährige selbstbewusst, der den Edeka-Verbund seit 16 Jahren führt. Allerdings rechne er eher mit Monaten als mit Wochen.

Nach mehrjähriger Pause hatte Markus Mosa, der kaum in der Öffentlichkeit auftritt, zur Bilanzpräsentation in die Konzernzentrale in der City Nord geladen. Für den Termin hatte der Vorstandschef, wie gewohnt in blauem Anzug mit passender Krawatte und weißem Hemd, die sogenannte Ideenwerkstatt gewählt.

In den Regalen um den großen Konferenztisch waren Wildlachs und Herzogin-Kroketten der Edeka-Marke Genussmomente, daneben vegane Cremes und Hafermilch von Edeka-Bio. Es gab Espresso des gerade gestarteten Kaffee-Systems Coffee B, das statt mit Alu-Kapseln mit kompostierbaren Kaffeekugeln arbeitet. Den meisten Platz hatten die Edeka-Verantwortlichen allerdings Produkten der Eigenmarke Gut & Günstig gegeben.

Edeka verkauft deutlich mehr Eigenmarkenprodukte

Nicht ohne Grund. Angefacht durch den Ukraine-Krieg, belasten stark gestiegene Energiepreise und hohe Inflationsraten die Kaufkraft der Verbraucherinnen und Verbraucher. Das hat nach zwei sehr erfolgreichen Pandemiejahren zu deutlichen Verschiebungen im Lebensmittelhandel geführt. Der Druck auf Edeka ist gestiegen.

Um im Kampf gegen die Discounter wettbewerbsfähig zu bleiben, hat der Marktführer auch deshalb die günstige Eigenmarke auf inzwischen 7000 Produkte ausgebaut. Der Umsatzanteil mit Eigenmarkenprodukten war den Angaben zufolge in den vergangenen zwölf Monaten um knapp 25 Prozent gestiegen.

Insgesamt kann der Lebensmittelhändler mit bundesweit 11.077 Märkten – davon 120 Edeka- und 37 Netto-Filialen in Hamburg – und 408.900 Beschäftigten trotz des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds auch für 2022 Wachstum verbuchen. Der Umsatz erhöhte sich um 5,6 Prozent auf 66,2 Milliarden Euro.

Motor seien die selbstständigen Unternehmer unter dem Edeka-Dach gewesen, deren Umsätze mit 36,5 Milliarden Euro um 5,2 Prozent über dem Vorjahr lagen. Wichtigster Erfolgsfaktor war 2022 die Discount-Tochter Netto. Dort stiegen die Umsätze den Angaben zufolge um 7,6 Prozent auf 15,8 Milliarden Euro.

Edeka-Gewinn deutlich gesunken

Das wirkt sich auch auf Entwicklung der Marktanteile aus. Nach einer GfK-Analyse verlor Edeka 0,4 Punkte und rutschte auf 21,7 Prozent. Netto Markendiscount dagegen legte um 0,3 Prozentpunkte zu und hat jetzt einen Marktanteil von 8 Prozent. „Wir sind mit der Entwicklung zufrieden“, sagte Edeka-Chef Mosa.

Und das, obwohl der Jahresüberschuss der Edeka-Zentrale mit Netto und den sieben Regionalgesellschaften, die das operative Geschäft verantworten, 2022 um 135 Millionen Euro auf 554,2 Millionen Euro eingebrochen ist. Auch die Edeka-Kaufleute haben den Angaben zufolge, ein Minus im Vergleich zum Vorjahr verbucht.

Der Grund: Edeka hat Lieferantenpreise nicht komplett weitergegeben. „In Zeiten einer hohen Inflation ist es unsere oberste Priorität, die privaten Haushalte zu entlasten. Daher haben wir trotz steigender Kosten in erheblichem Maß investiert, um die Verkaufspreise für Lebensmittel möglichst stabil zu halten – auch zulasten unserer eigenen Handelsmarge und unserer Ergebnisse“, so Mosa.

Im vergangenen Jahr hat Edeka insgesamt 2,3 Milliarden Euro unter anderem in 133 neue Super- und Verbrauchermärkte sowie 100 neue Netto-Filialen investiert und damit bei insgesamt leicht gesunkener Zahl der Standorte die Verkaufsfläche auf 12 Millionen Quadratmeter erhöht. In diesem Jahr soll die Investitionssumme auf 3,2 Milliarden Euro steigen.

Wachstumsoptionen sieht der Lebensmittelriese im Onlinehandel. Edeka ist mit knapp 25 Prozent an dem niederländischen Lebensmittellieferdienst Picnic beteiligt, der in Deutschland in 72 Städten vor allem in Nordrhein-Westfalen unterwegs ist und vor zwei Wochen die bundesweite Expansion in Hamburg gestartet hatte. Auch bei Fachhandelskonzepten wie der Biomarktkette Naturkind und dem Drogeriehändler Budnikowsky sieht Mosa Entwicklungspotenzial.

Edeka plant neue Budni-Märkte in Süddeutschland

Der Hamburger Traditionsbetrieb Budnikowsky, der seit 2017 über eine gemeinsame Einkaufsgesellschaft eng mit Edeka verbunden ist, hat mit insgesamt 184 Standorten – der Großteil in Hamburg und Berlin in Regie der Gründerfamilie – ein Umsatzplus von drei Prozent erzielt. Im kommenden Jahr sollen vor allem im Süden der Republik weitere Standorte eröffnet werden beziehungsweise aus Edeka-Regie in die Hände selbstständiger Kaufleute übertragen werden.

Für das Jahr 2023 sieht der Edeka-Chef eine positive Prognose. „Aktuell wachsen wir zweistellig beim Umsatz. Dabei läuft es bei Netto besser als bei Edeka“, sagt Mosa. Und auch für die Verbraucher hat er eine hoffnungsvolle Nachricht. „Ich bin zuversichtlich, dass wir den Kunden 2023 viele Produkte wieder günstiger anbieten können.“