Hamburg. Deutschlands größter Lebensmittelhändler verlängert Pilotphase. Geschäft in der Neuen Mitte Altona leidet unter Baustellen.
Als Benjamin Hirche im vergangenen Oktober seinen Naturkind-Laden in der Neuen Mitte Altona eröffnete, war das ein Experiment. Wo früher Güterwaggons verladen wurden, stehen jetzt Bioprodukte in den Regalen. Hirche, seit vielen Jahren Edeka-Kaufmann, ist deutschlandweit einer von nur zwei Betreibern, die das neue Bio-Konzept von Deutschlands größtem Lebensmittelhändler umsetzen.
Knapp ein Jahr nach dem Start ist der Marktleiter, der auch den konventionellen Edeka-Markt in direkter Nachbarschaft betreibt, verhalten optimistisch. „Grundsätzlich sind die Erfahrungen positiv“, sagt er. Allerdings brauche es lange, sich das Vertrauen der Kunden zu erarbeiten. Offenbar, auch wenn Hirche das so nicht sagt, dauert es länger als erwartet.
Das liegt zum Teil an der ungünstigen Verkehrssituation in dem Neubau-Viertel mit zahlreichen Baustellen und Straßensperrungen. Auch der große Parkplatz direkt vor den alten Güterhallen wurde erst Wochen später fertig als geplant. „Das ist ein Riesenproblem“, sagt Hirche. So konnten die Schilder an der Einfahrt zu dem kleinen Nahversorgungszentrum erst vor Kurzem aufgestellt werden. Keine einfache Situation für den Kaufmann.
Supermärkte und Discounter vergrößern Bio-Sortimente
Edeka setzt seit Längerem auf neue Fachhandelsformate, um neue Kunden zu gewinnen. So kooperiert das Unternehmen mit dem Hamburger Drogeriewaren-Händler Budnikowsky, hat inzwischen unter anderem den kompletten Einkauf übernommen und eröffnet bundesweit Budni-Märkte in eigener Regie. Auch im Bio-Segment will der Verbund mit Zentrale in der City Nord kräftiger mitmischen und etablierten Anbietern wie Alnatura, Denn’s oder Bio-Company Kunden abjagen.
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Schon seit Jahren wächst der Biomarkt schneller als der Lebensmitteleinzelhandel. Die Folge: Supermärkte und Discounter vergrößern die Sortimente. Unter anderen hat Lidl eine Kooperation mit dem Anbau-Verband Bioland und bewirbt diese aktuell massiv. Nach Angaben des Bundes für Ökologische Lebensmittelwirtschaft stieg der Umsatz mit Bio-Lebensmitteln 2019 um 11,4 Prozent auf mehr als sieben Milliarden Euro. Seit Beginn der Corona-Pandemie hat die Nachfrage einen weiteren Schub bekommen. In einer Umfrage des Marktforschungsinstituts AMM haben 30 Prozent der Konsumenten ihre Bio-Einkäufe ausgeweitet. Handelsexperten rechnen damit, dass der Trend anhält.
Im Naturkind-Markt hat sich der Umsatz verdreifacht
Auch Kaufmann Benjamin Hirche hat in der Corona-Hochphase deutlich mehr verkauft. „Im Naturkind-Markt hat sich der Umsatz verdreifacht“, sagt er. Konkrete Zahlen nennt er nicht. Der 40-Jährige steht in seinem Laden zwischen hohen Regalen. Kaffee, Marmelade,
Joghurt, Waschmittel – insgesamt 7000 Produkte von Markenherstellern in unterschiedlichen Preisklassen. An diesem Morgen sind eine Handvoll Kunden im Laden. „Besonders gut läuft die Frischetheke mit Biofleisch und -wurst“, sagt Hirche. Auch das Unverpackt-Angebot mit Müsli, Nüssen und Süßigkeiten werde angenommen.
Einige Änderungen im Angebot haben der Kaufmann und sein 14-köpfiges Team inzwischen vorgenommen. Statt Nudeln und Linsen gibt e demnächst getrocknete Mangos und Ananasstücke in den Abfüllstationen. „Wir lernen noch“, sagt Hirche. So läuft die innovative Milchtankstelle, an der man frische Milch selbst in Flaschen füllen kann, weniger gut als gedacht. Dafür ist der Umsatz mit Hafermilch und anderen pflanzlichen Ersatzangeboten groß.
Hirche hat inzwischen in seinem Edeka nebenan das Bio-Sortiment hochgefahren. Eine weitere Erfahrung ist: Naturkind-Kunden sind bereit, für bestimmte Artikel in den Edeka-Markt zu gehen – andersrum klappt das eher nicht. Der Kaufmann, der eine Million Euro investiert hat, steht hinter dem Konzept. Gerade hat er einen alten Traktor gekauft, mit dem er auf den Bio-Wochenmarkt im benachbarten Ottensen um neue Kunden werben will. Auch Edeka Nord, in dessen Zuständigkeitsbereich der Naturkind-Markt fällt, setzt weiter auf den Bio-Fachmarkt. Konkrete Angaben über neue Eröffnungen gibt es allerdings nicht. „Wir prüfen das“, sagt Sprecherin Helene Dahlke. Erst mal sei die Pilotphase verlängert worden.