Hamburg. Nach zwei Jahren Umbau ist der Centermanager auf der Zielgeraden. Wie er die Einkaufspassage aus dem Dornröschenschlaf wecken will.

Wenn es um die Zukunft des Hanseviertels geht, ist Lars Sammann kaum zu stoppen. Die Ideen sprudeln nur so aus ihm heraus. „Warten Sie, ich hole den Plan“, sagt er und kommt kurz darauf mit einer Papierrolle unter dem Arm zurück. Es ist eine Übersichtskarte der Einkaufspassage im Herzen der Hamburger Innenstadt. Läden, Büros und Gewerbeflächen sind maßstabsgenau und in unterschiedlichen Farben eingezeichnet, überall kleben gelbe Zettel mit handschriftlichen Anmerkungen. Der Plan ist gerade Sammanns wichtigstes Arbeitsmittel. Als neuer Centermanager soll er die in die Jahre gekommene Passage wieder in die Erste Liga der Einkaufslagen Hamburgs katapultieren. Seit zwei Jahren wird gebaut, jetzt geht das Mammutprojekt nach einigen Verzögerungen in die Zielgerade.

„Das Hanseviertel ist in einer Metamorphose“, wirbt Lars Sammann um Geduld. Die vor mehr als 40 Jahren eröffnete Einkaufspassage, entworfen von dem Hamburger Architekten Volkwin Marg, gilt als „Grande Dame der Passagen“ und steht unter Denkmalschutz. Aber schon bevor die Corona-Pandemie das Einkaufsverhalten vieler Menschen nachhaltig verändert hat, waren immer weniger Kunden in den Gebäudekomplex zwischen Poststraße, Große Bleichen und Hohe Bleichen gekommen. Bekannte Geschäfte zogen aus, temporäre Mieter zogen ein. Der Backsteinbau mit dem markanten Glockenspiel am Giebel, einst stilbildendes Beispiel hanseatischer Postmoderne, verlor an Anziehungskraft. Der Einzelhandelsmix, eher gediegen als innovativ, passte nicht mehr in die Zeit. Auch die Technik war veraltet und muss an vielen Stellen erneuert werden, angefangen von den schweren Eingangstüren über die Elektrik und Lüftungsanlagen bis hin zu den Toiletten.

Einzelhandel Hamburg: Neuer Centermanager kennt Hanseviertel seit seiner Jugend

„An jeder Ecke passiert gerade etwas“, sagt Centermanager Sammann, der seit November vergangenen Jahres im Amt ist. Die Passage kennt der 55-Jährige, dessen Großeltern nur einen Steinwurf entfernt in der ABC-Straße gewohnt haben, seit seiner Jugend. Seine Karriere, die mit einer Einzelhandelsausbildung begann, hatte ihn über ein Betriebswirtschaftsstudium in diverse Jobs in Einkaufszentren geführt. In den vergangenen Jahrzehnten baute Sammann bundesweit Center um, unter anderem das Herold-Center in Norderstedt, aber auch in Köln, München und Osnabrück. Als das Angebot von Eigentümerin CBRE kam, die Leitung im Hanseviertel zu übernehmen, überlegte er nicht lange. Jetzt ist seine wichtigste Aufgabe, den Umbau geordnet zu Ende zu bringen und dem Hanseviertel wieder ein Gesicht zu geben.

Als „eine Mischung aus Tradition und Moderne“, beschreibt er seine Zukunftsvision für die Passage. Kleine Fachgeschäfte und besondere Gastronomie sollen ein Gegengewicht zu anderen Einkaufsmeilen der Hamburger City bieten – und vor allem wieder mehr Kunden anlocken. Noch braucht man Fantasie, um sich das vorzustellen. Dass sich wie früher 20.000 Passanten durch die Gänge schieben, passiert eher selten. Einige der 60 Ladenlokale stehen leer, die Schaufenster sind verklebt. Immer wieder dröhnt Baulärm durch das Tonnengewölbe. Der internationale Immobilienentwickler CBRE, der das Hanseviertel 2018 von der Allianz gekauft hatte, investiert einen zweistelligen Millionenbetrag in die Revitalisierung der Passage, zu der auf einer Fläche von mehr als 45.000 Quadratmetern auch Büros, Arztpraxen, Wohnungen und ein Hotel gehören.

Umbau im Untergeschoss: Klavier aus dem Mövenpick bekommt Ehrenplatz

Der Dreh- und Angelpunkt für den Neustart liegt im Untergeschoss. Das Motto: Zurück in die Zukunft. In der Rotunde, wo bis zur Schließung 2007 ein Mövenpick-Restaurant ein beliebter Anziehungspunkt war, entsteht ein innovativer Food-Markt mit Bar, Eventbühne und 500 Sitzplätzen (s. Abbildung). Unter dem Namen Le big Tam Tam haben sich Hamburger Gastronomen zusammengeschlossen und wollen mit einem neuartigen Konzept die Gäste zurückholen. Mit dabei sind unter anderen Patrick Rüther vom Überquell und die Betreiber des Underdocks im Karolinenviertel, die Fischklassiker neu interpretieren.

So sieht die Planung für die neue Gastronomiefläche Le big Tam Tam unter der Kuppel im Hanseviertel aus.
So sieht die Planung für die neue Gastronomiefläche Le big Tam Tam unter der Kuppel im Hanseviertel aus. © STRAUB & STRAUB

Im Moment hängen noch die Leitungen von der Decke. Unter der großen Glaskuppel, wo der Barbereich entstehen soll, ist ein Maurer auf einem Baugerüst bei der Arbeit. Es ist laut. Es ist staubig. „Wir sind im Endspurt“, sagt Lars Sammann, der mit Bauhelm und Schutzweste durch den unteren Teil seines Reiches führt. Inzwischen kennt er in den unterirdischen Katakomben fast jede Ecke. Unter anderem hat er auch das Klavier aus Mövenpick-Zeiten wieder entdeckt. Es soll künftig einen Ehrenplatz bekommen. Eigentlich war der Start des neuen gastronomischen Konzepts schon für vergangenen Herbst geplant, dann war der Sommer dieses Jahres anvisiert worden. „Nach jetzigem Stand sollen die Bauarbeiten im Sommer abgeschlossen sein, spätestens im Herbst wollen wir die ersten Gäste empfangen“, sagt Centermanager Sammann jetzt.

Parallel soll er in der Ladenpassage für neue Impulse sorgen. „Das Ganze ist wie ein großes Puzzle“, sagt er. Schon seit Baubeginn vor mehr als zwei Jahren sind rund um die große Baustelle in der Rotunde die meisten Geschäfte geschlossen. Auch am Haupteingang an der Poststraße wurde fast zwei Jahre lang gebaut, weil die große Verkaufsfläche, auf der früher die Modehändler H&M und danach Tom Tailor ihre Flagshopstores hatten, in drei Läden und Büroflächen in der ersten Etage geteilt wurde. Die beiden kleineren Geschäfte sind an den Sportwear-Marke Allike und den portugiesischen Geschirrhersteller Motel a Milo vermietet, in dem großen Laden zur Poststraße ist die Hamburger Designerin Alina Klemm mit einem Pop-up-Shop über das Zwischennutzungsprogramm Frei_Fläche eingezogen.

Laden-News: Duske & Duske, Henders und Optiker Carl mit größeren Flächen

„Wegen der langen Bauphase war es schwierig, langfristige Mieter zu finden“, sagt Centermanager Sammann. „Das ändert sich erst jetzt. Die Anfragen nehmen seit Jahresbeginn zu.“ Zug um Zug arbeitet er sich durch seinen großen Plan. Viele der Bestandsmieter bleiben trotz der Umbauphase und haben teilweise gerade neue Verträge abgeschlossen, darunter die Gastro-Anbieter Edeka Struve mit dem legendären Hummerstand, Leysieffer, Lindner und das Café Rouge. „Sie glauben an das Hanseviertel“, sagt Sammann. Einige andere – wie Optiker Carl, Duske & Duske, Spezialist für feine Spirituosen und edle Zigarren, der Modehändler Henders und das Café Rouge – wollen ihre Flächen erweitern. „Dadurch wird es in den nächsten Monaten noch einige Interimsumzüge geben“, sagt Lars Sammann. Auch das soll bis zum Herbst abgeschlossen sein.

Einzelhandel Hamburg: Kugelbrunnen kommt zurück ins Hanseviertel

Neu dazugekommen sind zuletzt das französische Café Le Parisien und der Damenmoden-Anbieter My Lady. Einen Vertrag unterschrieben hat gerade das niederländische Modelabel Fabienne Chapot. „Es ist einiges in Bewegung“, sagt Centermanager Sammann und rollt seinen großen Überblicksplan für diesen Tag zusammen. Ein weiterer Fixpunkt steht schon fest: Der Brunnen mit der Weltkugel, 13 Tonnen schwer und das Markenzeichen des Hanseviertels, soll Anfang Juni wieder zurück sein an seinem früheren Standort vor dem Haupteingang.