Hamburg. Der Flugzeugbauer plant eine zweite Fertigungsstraße für den A320 in Tianjin. Die IG Metall reagiert mit eindeutigen Forderungen.

Es ist ein Szenario, das große Vertragsabschlüsse andeutet: Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron reist mit großer Wirtschaftsdelegation im Gefolge ins Reich der Mitte. In Peking steht ein Treffen mit Chinas Präsidenten Xi Jinping an. Meist werden auf solchen Touren große „Deals“ verkündet. So ist es auch dieses Mal – und sogar mit Hamburg-Bezug.

Teil der Delegation ist Guillaume Faury. Am Donnerstag schritt der Airbus-Chef zur Tat und setzte seine Unterschrift unter einen neuen Rahmenvertrag. Seit dem Jahr 2008 ist der Flugzeugbauer mit einer Endmontagelinie in der ostchinesischen Hafenstadt Tianjin vertreten.

Dort werden Flieger der A320-Reihe zusammengeschraubt. Nun sollen die Produktionskapazitäten verdoppelt werden, teilte der Konzern mit. An dem Standort werde eine zweite Fertigungslinie aufgebaut.

Airbus: Zweite A320-Fertigungsstraße in China soll 2025 fertig sein

Es sei „vollkommen logisch“ für Airbus, die Produktion in China zu erhöhen, denn der Markt dort wachse, sagte Faury laut der französischen Nachrichtenagentur AFP. Airbus werde für die chinesischen Fluggesellschaften „und wahrscheinlich auch für andere Kunden in der Region“ produzieren. Die zweite Fertigungslinie in Tianjin solle im zweiten Halbjahr 2025 in Betrieb gehen.

Mehr als 600 Maschinen wurden bisher in dem chinesischen Airbus-Werk zusammengebaut und ausgeliefert, im März mit dem A321neo erstmals auch das längste Modell der Familie. Die Teile dafür stammen aus Hamburg.

Beispielsweise werden sämtliche hintere Rumpfsektionen hier gebaut, mit den flugwichtigen Systemen ausgerüstet und letztlich zu Bausätzen gepackt. Über die Elbe und die Weltmeere geht es dann per Schiff nach Ostchina. Dort werden derzeit vier Flieger pro Monat gefertigt, im Laufe des Jahres sollen es sechs pro Monat werden.

China-Deal soll Produktionshochlauf des A320 stützen

Hamburg ist das Kompetenzzentrum für den Verkaufsschlager, für den es im Auftragsbuch noch mehr als 6000 Bestellungen gibt. Um der Auftragsflut Herr zu werden, will der DAX-Konzern die Fertigung hochfahren. Derzeit werden um die 50 Maschinen der A320-Familie pro Monat endmontiert. Ende 2024 sollen es 65 im Monat sein, zwei Jahre später sogar 75 – so viele wie weltweit nie bei einem kommerziellen Flugzeugprogramm.

Die Vereinbarung mit den chinesischen Partnern soll dabei helfen, dieses Ziel von 75 Fliegern in dreieinhalb Jahren zu erreichen. Aber was bedeutet das für Hamburg?

Künftig wird Airbus basierend auf den bisherigen Plänen zehn Endmontagelinien betreiben. Vier davon gibt es in der Hansestadt, zwei am größten Standort in Toulouse (Frankreich) und bisher jeweils eine in Tianjin und Mobile (US-Bundesstaat Alabama). In Mobile wurde bereits vor einem Jahr der Bau einer zweiten Endmontagelinie angekündigt, die nach früheren Angaben in rund zwei Jahren in Betrieb gehen soll.

Airbus investiert in China – IG Metall hat auch Sorgenfalten

Unternehmenssprecher Daniel Werdung sieht das Werk auf Finkenwerder gestärkt: „Mit seinen vier Endmontagelinien für die A320-Familie ist und bleibt Hamburg damit auch weiterhin der wichtigste Standort für die Produktion der A320-Familie.“ Zumal die Hansestadt maßgeblichen Anteil an der Entwicklung und Produktion der neuen Langstreckenvariante A321XLR hat, die mit ihrem fest eingebauten Tank im Frachtraum viele zusätzliche Arbeitsstunden bringt.

Aufseiten der Arbeitnehmer ist die Einschätzung ambivalent. „Es ist gut, wenn Airbus am Wachstum in der Welt teilnimmt“, sagte Daniel Friedrich unserer Redaktion. Man müsse aber sicherstellen, dass damit verbundene Beschäftigungschancen an den deutschen und europäischen Airbus-Werken realisiert würden. „Gerade die Großteile wie Rumpfsektionen, Leitwerke und Flügel müssen weiter an unseren Standorten in Deutschland und Europa gefertigt werden“, sagte der Bezirksleiter Küste der IG Metall.

Ihn treibe schon die Sorge um, dass bei höheren Raten in China und in den USA irgendwann auch der Großteil der Fertigung dort vor Ort aufgebaut werden solle. Zum Beispiel um die Logistikkosten zu senken. Das sei eine Entwicklung, die man verhindern müsse, sagt Friedrich und fordert eine Stärkung Hamburgs als Kompetenzcenter für die A320-Familie.

Chinas Luftfahrt gilt als starker Wachstumsmarkt

Der Hamburger Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt hält die Verdoppelung der Kapazitäten in Tianjin für das Werk in der Hansestadt eher für eine gute Nachricht. Die Arbeit hier werde mindestens gesichert, wenn nicht sogar Mehrarbeit entstünde. „Verloren geht nur der Endmontageanteil“, sagte Großbongardt unserer Redaktion.

Dieser Anteil trägt nach früheren Airbus-Angaben aber nur fünf bis sieben Prozent zur Wertschöpfung eines Flugzeuges bei. „Angesichts des Auftragsbuchs von Airbus und des Volumens des chinesischen Marktes ist das sicherlich ein sinnvoller Schritt“, so der Fachmann.

Der Konzern erwartet in den nächsten 20 Jahren im Schnitt ein jährliches Wachstum von Chinas Luftverkehr um voraussichtlich 5,3 Prozent. Das sei deutlich schneller als der weltweite Durchschnitt von 3,6 Prozent. Dies werde bis 2041 zu einem Bedarf von 8420 Passagier- und Frachtflugzeugen in der Volksrepublik führen, was mehr als 20 Prozent des weltweiten Gesamtbedarfs entspricht.

Weitere 160 Airbus-Flieger sollen bald nach China geliefert werden

Chinas Hunger nach Flugzeugen ist ungestillt. Bei dem Macron-Besuch wird auch ein Rahmenvertrag mit der chinesischen Flugzeugleasinggesellschaft China Aviation Supplies Holding Company (CAS) über den Kauf von 160 Fliegern abgeschlossen, der bereits früher schon einmal angekündigt war. Dabei handele es sich um 150 Flieger der A320-Familie und zehn Großraumjets vom Typ A350-900.

Diese Absichtsbekundung unterstreiche „die positive Erholungsdynamik und die guten Aussichten für den chinesischen Luftverkehrsmarkt“, sagte Faury. Eine eurasische Fluglinie ist schon einen Schritt weiter als CAS und verkündete am Donnerstag eine Festbestellung. Azerbaijan Airlines will zwölf Flieger der A320neo-Familie kaufen.

Großbongardt erwartet übrigens schon relativ bald den nächsten Expansionsschritt von Airbus im Ausland. Mitte Februar gab Air India eine Absichtserklärung über den Kauf von 250 Flugzeugen des europäischen Herstellers ab. 140-mal soll der A320neo geordert werden, 70-mal der A321neo und 40-mal der A350.

„Noch ist China der wichtigste Einzelmarkt“, sagte Großbongardt: „Aber wenn man sich die Wirtschafts- und die Bevölkerungsentwicklung in Indien anguckt, dann ist diese Bestellung erst der Anfang.“

Bald auch Airbus-Endmontagelinie in Indien?

Hunderte weiterer Maschinen dürften noch bestellt werden. Der Mittelstand werde in dem wohl schon bald bevölkerungsreichsten Land der Welt immer stärker, immer mehr Menschen könnten sich eine Flugreise leisten. Und das Land werde wohl auf einen sehr viel höheren örtlichen Wertschöpfungsanteil der bestellten Flugzeuge Wert legen, so Großbongardt. Heißt: Mindestens Zuliefertätigkeiten sollten sich dort ansiedeln.

Perspektivisch geht der Experte sogar von einer Airbus-Endmontagelinie in Indien aus. Dafür spräche auch ein großes Potenzial an Fachkräften, die geringere sprachliche Distanz – und bessere politische Rahmenbedingungen als in China.