Hamburg. Maßnahme für den Klimaschutz. 2022 macht der Airport erneut Verlust. Schon zu Ostern soll ein neuer Service Passagieren die Wartezeit verkürzen.
Michael Eggenschwiler hatte sich für das Vorstellen des letzten Geschäftsberichts unter seiner Regie seinen Lieblingsplatz am Hamburger Flughafen ausgesucht. Das Top Deck unterm Dach des Terminals 2 bietet eine gute Aussicht auf das Vorfeld, auf startende, geparkte und landende Flugzeuge. Im Dezember wird der langjährige Airport-Chef sich in den Ruhestand verabschieden – doch die Bilanzvorstellung nutzte er, um die Weichen für die Zukunft zu stellen.
„Wir wollen bis 2035 frei von fossilen CO2-Emissionen werden“, sagte Eggenschwiler. „Net Zero“ lautet das Ziel, mit dem der Airport nach eigenen Angaben eine Vorreiterrolle beim Klimaschutz einnehmen möchte. Der Betrieb der Flughafengebäude, -anlagen und -fahrzeuge solle dann durch technische Umstellungen und Energieeinsparungen ohne Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) erfolgen.
Flughafen Hamburg investiert 70 Millionen Euro in Windpark
Dafür will Hamburg Airport viel Geld ausgeben. Man investiere „in den nächsten zwölf Jahren bis zu einer Viertelmilliarde Euro“, so Eggenschwiler. Schritt für Schritt stelle man auf eine unabhängige und zu 100 Prozent regenerative Energie- und Wärmeversorgung für die „Flughafen-Stadt“ um. Für angenehme Temperaturen im Gebäude soll künftig ein Mix aus Fernwärme, Biogas, Elektrodenheizkessel und Tiefengeothermie sorgen.
Rund 70 Millionen Euro werden allein für den Bau eines Windparks bereitgestellt. Auf dem flughafeneigenen Gelände bei Kaltenkirchen, das ursprünglich einmal als Ersatz für Fuhlsbüttel vorgesehen war, soll der Windpark Heidmoor entstehen. Man sei noch am Anfang des Projektes, in der Planungsphase. Derzeit würden lokal Gespräche geführt, zum Beispiel mit den Bürgermeistern der Umlandgemeinden. „Die ersten Reaktionen waren positiv, die begrüßen das“, sagte Eggenschwiler. Auch die Region soll von der vor Ort erzeugten Energie profitieren – wie das im Detail aussehen wird, sei aber noch offen.
Windpark könnte ab 2027 in Betrieb gehen
Geplant sind bis zu sechs Windkraftanlagen, die mehr als 100 Gigawattstunden Leistung pro Jahr erzeugen könnten. Dies sei mehr als doppelt so viel Strom wie die „Flughafen-Stadt“ mit ihren rund 100 Gebäuden derzeit verbrauche. „Ich gehe davon aus, dass wir 2027/28 in Betrieb sein werden“, sagte Eggenschwiler. Man trage die Unterlagen zusammen, um die Genehmigung zu beantragen. Man spreche mit potenziellen Partnern in der Industrie. Ein Energieunternehmen wolle man natürlich nicht werden, man mache sich aber unabhängig vom Strommarkt. „Das rechnet sich.“
Auf dem Gelände soll auch die Möglichkeit des Einsatzes von Photovoltaik geprüft werden. Perspektivisch soll vor Ort so viel Strom erzeugt werden, dass überschüssiger Strom mittels Elektrolyse zu Wasserstoff verarbeitet werden kann. Auf Wasserstoff ruhen die Hoffnungen der Branche. Airbus möchte bis 2035 einen Flieger entwickeln, der mit dem Flüssiggas angetrieben wird. Bis es so weit ist, werden die Flugzeuge aber natürlich weiterhin klimaschädliche Gase ausstoßen. Viele Jahre wird Kerosin noch unverzichtbar sein, synthetischen Treibstoff gibt es nur in sehr geringen Mengen. Hamburg Airport will zudem seinen gesamten Fuhrpark emissionsfrei machen, indem auf Elektro- oder Wasserstoffantrieb umgestellt wird. Auch eine Wasserstofftankstelle soll in Fuhlsbüttel errichtet werden.
Hamburg Airport macht 2022 27,2 Millionen Euro Verlust
Die hohen Investitionen in den Umweltschutz kommen in einer Phase, in der sich das Unternehmen aus einer Riesenkrise kämpft. Das Coronavirus setzte der lange Zeit wachsenden Branche hart zu. Bis zum Ende des Jahres will das rund 1800 Mitarbeiter starke Unternehmen den lange angekündigten Abbau von 200 Stellen ohne betriebsbedingte Kündigungen abgeschlossen haben. Durch das Einbrechen des Luftverkehrs weist der Airport seit 2020 tiefrote Zahlen aus. Fast 160 Millionen Euro Verlust fielen in den ersten beiden Jahren unter dem Strich an.
Für 2022 weist der Flughafen ein Minus von 27,2 Millionen Euro aus. Das Erfreuliche sei, „dass wir deutlich besser abgeschnitten haben als in unserer Planung“, sagte Eggenschwiler. Ursprünglich sollte der Verlust bei 41 Millionen Euro liegen. Durch die seit Jahren laufenden internen Sparmaßnahmen und das Kostensenkungsprogramm, die bis Ende Juni reichende Kurzarbeit und das Reduzieren von Fremdleistungen habe man dies aber senken können.
Auch der Steuerzahler muss das Minus ausgleichen
Das Minus ausgleichen müssen erneut die Gesellschafter – und damit auch der Steuerzahler. Denn der Airport gehört zu 51 Prozent der Stadt Hamburg. Die restlichen Anteile hält die AviAlliance GmbH, hinter der seit 2013 der kanadische Infrastrukturfonds PSP Investments steht. Sie würden den Flughafen voll unterstützen, dafür sei man „sehr dankbar“, sagte Eggenschwiler.
Jahrzehntelang hatte der Airport prächtig verdient und in einem Vierteljahrhundert fast 900 Millionen Euro ausgeschüttet. Für dieses Jahr war eigentlich eine schwarze Null angestrebt worden. Die stark gestiegenen Energiepreise sowie die hohe Inflation allgemein machten dies aber unwahrscheinlich. „Ziel bleibt, den Flughafen schnellstmöglich wieder in die Gewinnzone zu führen und selbstfinanzierend zu sein“, sagte Eggenschwiler. Vom nächsten Jahr an wolle man wieder Gewinne ausweisen, in den Folgejahren sollen diese in vergleichbaren Größenordnungen wie früher liegen. In den fünf Jahren vor der Krise lag das jährliche Plus zwischen 32,2 und 48,1 Millionen Euro.
Slots für Sicherheitskontrolle kommen zu Osterferien
Der Umsatz erhöhte sich im vergangenen Jahr im Vergleich zum Vorjahr um 68,2 Prozent auf 216,7 Millionen Euro. Das lag vor allem an der Verdoppelung der Passagierzahl auf rund elf Millionen. In diesem Jahr rechnet der Flughafen mit 13,8 Millionen Passagieren. In den Sommerferien sollen es mehr als 350.000 Fluggäste und 2300 Starts und Landungen pro Woche sein. Um die Passagierströme besser zu steuern, sollen technische Lösungen helfen. Schon in den Osterferien sollen Fluggäste ein 15-Minuten-Zeitfenster buchen können, um Zugang zur Sicherheitskontrolle zu erhalten und die Reisezeit besser zu planen.
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Auf der Homepage des Hamburger Flughafens wird zudem seit einigen Wochen die aktuelle Wartezeit vor der Sicherheitskontrolle minutengenau angezeigt. Vermutlich bis zum Herbst dauere die Prüfung, ob man wie am Flughafen Frankfurt diesen Bereich in Eigenregie übernehmen werde, sagte Eggenschwiler. Für den Sommer sollen Büromitarbeiter geschult werden, um an dem durch Personalengpässe häufigen Nadelöhr auszuhelfen – das geschah auch schon im Vorjahr. Zudem sollen auf der Homepage bald auch die Stoßzeiten ablesbar sein, damit die Passagiere genau sehen, zu welchen Uhrzeiten es am Flughafen voller oder leerer ist.