Hamburg. Die Aktie legte am Dienstag um gut ein Prozent zu. Das Hamburger Bankhaus Berenberg rät aber zum Verkauf. Was dahintersteckt.
Solche Aufträge erhält Airbus nicht in jedem Jahr: Die Fluggesellschaft Air India will 250 Jets des europäischen Herstellers kaufen. Wie Airbus mitteilte, ist eine Absichtserklärung über 140 Kurz- und Mittelstreckenjets des Typs A320neo und 70 A321neo – etwa jeder zweite Flieger dieser beiden Modelle wird in Hamburg endmontiert – sowie 40 Großraumjets vom Typ A350 abgeschlossen worden.
Zieht man die in der Branche üblichen Rabatte ab, dürften die Flugzeuge einen Gesamtwert von mindestens rund 19 Milliarden Dollar (17,7 Milliarden Euro) haben. Der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge will Air India zudem bis zu 290 Maschinen beim US-Hersteller Boeing kaufen.
Zusammengenommen könnten die beiden Bestellungen den bisher größten Flugzeug-Deal der Branchengeschichte bilden. Die im DAX enthaltene Airbus-Aktie legte am Dienstag im Verlauf um gut ein Prozent zu.
Airbus: Materialkosten dürften Gewinne 2023 und 2024 belasten
Auch im bisherigen Jahresverlauf hat das Papier an Wert gewonnen. Zu der Aktie des Flugzeugbauers hat das Hamburger Privatbankhaus Berenberg jüngst eine Studie vorgelegt, die ein wenig widersprüchlich anmutet: Auf der einen Seite loben die Aktienexperten den Konzern als „gut positioniert im Markt“, mit einem „starken Produktportfolio“, und zeigen sich überzeugt vom Geschäftsmodell.
Andererseits stuft das Berenberg-Analystenteam die Airbus-Aktie von „Halten“ auf „Verkaufen“ herunter und reduziert das Kursziel von zuvor 120 Euro auf 100 Euro.
Als Grund führen die Experten den kräftigen Materialkostenanstieg an, der die Gewinnmargen vor allem in den Jahren 2023 und 2024 belasten dürfte. Denn die Kaufverträge mit den Kunden enthielten zwar Preisanpassungsklauseln, um den Effekt von Kostenanstiegen in dem teils mehr als zehn Jahre langen Zeitraum zwischen Bestellung und Auslieferung eines Jets zu dämpfen. Doch in den vorigen zwei Jahren hätten die Inflationsraten deutlich oberhalb des von den Preisgleitklauseln abgedeckten Bereichs gelegen – damit müsse Airbus einen voraussichtlich noch bis 2024 zunehmenden Teil der Kostensteigerung selbst tragen.
Titan hat sich seit 2015 zeitweise um rund 210 Prozent verteuert
Nach Angaben von Berenberg besteht ein Kurz- und Mittelstreckenjet vom Typ A320neo hauptsächlich aus Aluminium (68 Prozent), Kunststoffen (15 Prozent) sowie Stahl (neun Prozent) und Titan (sechs Prozent). Im Vergleich zum Jahr 2015 habe sich Aluminium in der Spitze um rund 80 Prozent verteuert, Titan um etwa 180 Prozent und Stahl um rund 210 Prozent.
Insgesamt seien die in einem A320neo verbauten Materialien gegenüber dem Jahr 2015 rein rechnerisch zeitweise um gut 90 Prozent im Preis gestiegen. Allerdings hätten sich die von Airbus tatsächlich für die Rohstoffe gezahlten Preise vermutlich aufgrund von Absicherungsstrategien und langfristigen Lieferverträgen weniger stark erhöht.
Außerdem weisen die Berenberg-Branchenspezialisten darauf hin, dass der Flugzeughersteller trotz der erwarteten Margenverschlechterung operativ ganz klar profitabel bleiben werde – sogar oberhalb des langfristigen Durchschnitts. Entsprechend einer Beispielrechnung in der Studie würde sich die Marge eines A320neo auf Basis des Betriebsgewinns (Ebit) im ungünstigsten der angenommenen Fälle von gut 24 Prozent auf 19,5 Prozent verschlechtern.
Was die Berenberg-Studie über die Höhe der Flugzeug-Rabatte verrät
Interessant dabei: Die Analysten beziffern in ihrer Rechnung den Verkaufspreis des A320neo mit nur 45 Millionen Dollar – eine Angabe, die das Ausmaß der branchenüblichen Rabatte andeutet. Zwar veröffentlicht Airbus schon seit 2018 keine Preislisten mehr. Aber bereits damals lag der durchschnittliche Listenpreis eines A320neo bei 110,6 Millionen Dollar.
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Am Donnerstag wird Airbus die Geschäftszahlen für 2022 vorstellen. Wie ein Analyst der Schweizer Großbank UBS kürzlich schrieb, ist im Anschluss an die Bilanzvorlage mit deutlich sinkenden Margenerwartungen zu rechnen. Er beließ die Einstufung der Aktie bei „Verkaufen“ mit einem Kursziel von 105 Euro.
Die negativen Urteile von Berenberg und UBS konnten dem Kurs aber nichts anhaben. Laut dem Wertpapierportal Finanzen.net bestehen für die Airbus-Aktie aktuell vier Kaufempfehlungen. Drei Investmenthäuser raten derzeit zum Halten und zwei zum Verkaufen.