Hamburg. Nach der Schließung soll in der City keine Lücke bleiben. Das Aus sorgt für betrübte Kunden – und rührende Szenen.

Kurz vor zehn Uhr morgens vor dem zum Galeria-Konzern gehörenden Karstadt-Warenhaus in Harburg: Ein Dutzend Kunden steht klönend vor der noch verschlossenen Tür. Es ist Tag eins nachdem bekannt geworden ist, dass das Warenhaus in wenigen Monaten schließen soll. Marion Möller ist unter den Wartenden.

Sie kam schon als Kind mit ihren Eltern zum Einkaufen in die Filiale am Harburger Ring. „Sind ja nur zehn Minuten mit dem Bus“, sagt sie. Die Nachricht von der Schließung hat sie geschockt. „Ich kann das einfach nicht verstehen.“

Galeria: Karstadt-Haus in Harburg steht seit 1927

So wie dieser Stammkundin ergeht es vielen Harburgern. Denn das Warenhaus hat in der Harburger City eine Angebotspalette, die im Hamburger Süden kein zweites Mal zu finden ist. Dazu zählen Kurzwaren, Stoffe mit Zuschnittservice, Schreibwaren oder höherwertige Haushaltsartikel. „Wir bedauern sehr, dass unser traditionsreiches Kaufhaus Karstadt im Juni schließen muss“, sagt Harburgs Citymanagerin Antonia Marmon.

Seit 1927 ist Karstadt hier vertreten. Nachdem das alte Warenhaus 1944 einem Bombenangriff zum Opfer gefallen war, entstand am gleichen Ort 1962 der heutige Bau. Er ist keine Schönheit, eher ein Klotz.

Immerhin gibt die Stadt gerade 5,7 Millionen Euro aus, um direkt vor der Filiale den Herbert-Wehner-Platz zu einem attraktiven Aufenthaltsort umzugestalten und den Abschnitt der Veloroute 11 zu bauen, die an ihm entlangführen wird. Zudem wurde die Freifläche in Herbert-und-Greta-Wehner-Platz umgetauft.

Karstadt: Wohnungen und Geschäfte in Harburg?

Manche Stadtplaner haben für das Karstadt-Areal bereits bauliche Alternativen aufgezeichnet, mit denen sich die Harburger Innenstadt weiterentwickeln ließe. So ist im Rahmenplan Harburg 2040 das Gebäude durch geschlossene, mehrstöckige Häuserzeilen entlang der Straßenfronten ersetzt. Eine solche Neubebauung würde dem Ziel dienen, mehr Wohnungen im Kerngebiet zu schaffen, was dem allgemein leidenden Einzelhandel Auftrieb geben könnte.

Auf den Rahmenplan bezieht sich auch Bezirksamtsleiterin Sophie Fredenhagen in ihrer Stellungnahme zur Karstadt-Schließung. Sie spricht von einer langfristigen Entwicklung des Schippseequartiers (in dem das Karstadt-Areal liegt) zu einem „modernen, gemischt genutzten Quartier mit einem hohen Wohnanteil und erdgeschossiger Gewerbe- und Einzelhandelsfunktion“.

Dem Bezirksamt sei wichtig, langen Leerstand zu vermeiden, so Fredenhagen. So etwas gab es bis 2018 einige Hundert Meter weiter Richtung Bahnhof; dort stand das Einkaufszentrum Harburg Center etwa zehn Jahre lang leer, bevor es für einen Neubau abgerissen wurde. Am Karstadt-Standort werde das Bezirksamt alle Beteiligten „bei der Suche nach einer geeigneten Interimsnutzung unterstützen“, sagt dessen Leiterin. Dringende Raumbedarfe, etwa im Kulturbereich, ließen sich so vielleicht lindern.

Karstadt-Schließung kann auch eine Chance sein

Franziska Wedemann, die Vorsitzende des Wirtschaftsvereins für den Hamburger Süden mit 270 Mitgliedsunternehmen, sieht ebenfalls Entwicklungspotenzial: „Zwei Herzen schlagen in meiner Brust. Als Harburger Kind kenne ich Karstadt als Fixpunkt in der Stadt. Es ist schade, dass der Universalversorger die Pforten schließt, gerade weil der Bezirk den Anspruch hat, ein Zentrum für die gesamte Region zu sein.

Aber auf der anderen Seite könnte die Schließung die Chance bieten, das gesamte Areal neu zu entwickeln und einen Impuls für Harburg zu setzen. Es müsste ein Ort werden, wo sich Alteingesessene und Neubürger treffen können, an dem sich die gesamte Stadtgesellschaft versammeln kann.“

Bislang sind solche Entwicklungen kaum mehr als Gedankenspiele. Aktuell ist die Schließung des Warenhauses erst einmal ein großer Verlust, betont Citymanagerin Marmon. Die Entscheidung schwäche die wichtige Einzelhandelsachse, die beim Phoenix Center am Harburger Bahnhof beginnt, über die Fußgängerzone Lüneburger Straße bis zu Karstadt und darüber hinaus zum Wochenmarkt am Sand führe. Der Bezirk verliere ein wichtiges Bindeglied, so Marmon.

Galeria: Karstadt-Kunden bedanken sich bei Mitarbeitenden

Eine rührende Szene spielt sich am Dienstag in der Confiserie-Abteilung von Karstadt ab: „Ich wollte Ihnen sagen, dass mir das sehr leidtut. Sie haben mich immer gut beraten“, sagt ein Kunde zum Verkäufer.

Der lächelt sichtlich erfreut, zuckt dann aber mit den Schultern. Er hätte gerne weitergemacht. Der Kunde ist aus Marmstorf spontan vorbeigekommen, nachdem er von der bevorstehenden Schließung erfahren hatte. „Ich musste mich einfach mal bedanken“, sagt er.

Auch in Wandsbek löste die Nachricht von der Schließung der Karstadt-Filiale Enttäuschung aus – obwohl sie nicht ganz unerwartet kam. Das im August 1924 eröffnete Kaufhaus hatte ohnehin nur noch eine Gnadenfrist bis 2024.

Der Eigentümer des Gebäudes, die Union Investment Real Estate GmbH, teilte mit: „Die Schließung, auch wenn sie nun schneller kommt als erwartet, trifft uns nicht unvorbereitet.“ Das Unternehmen hat sogar schon sehr konkrete Vorstellungen, was mit dem Galeria-Haus geschehen wird.

Galeria Hamburg: „Karstadt wird keine Lücke hinterlassen“

Mit dem „Quartier Wandsbek Markt“ will der Eigentümer aus dem Kaufhaus in den nächsten Jahren einen neuen Lebensmittelpunkt für Wandsbek entwickeln. „Wir freuen uns darauf, dem Standort ein neues Gesicht zu geben. Das nun schließende Galeria-Haus wird keine Lücke hinterlassen.

Im Gegenteil: Hier wird ein spannender Nutzungsmix entstehen, in dem Wohnen, Gastronomie, Einzelhandel, eine private Hochschule und viele andere sich ergänzende Nutzungen zusammengeführt werden“, so Ronald Behrendt von Union Investment.

Auch in Bezirksverwaltung und -politik hat man sich vorbereitet: Der Planungsausschuss der Bezirksversammlung Wandsbek hatte bereits im vergangenen Jahr einen Beschluss zum Bebauungsplan Wandsbek 85 gefasst für eine Nachnutzung des Grundstücks.

Demnach soll die denkmalgeschützte Immobilie mit der charakteristischen Sandsteinfassade zum Wandsbeker Markt erhalten werden, der aus den 60er-Jahren stammende Anbau sowie das Parkhaus durch Anbauten ersetzt werden.