Hamburg. Seit 22 Uhr fallen am Airport in Fuhlsbüttel für 24 Stunden alle Flüge aus. Wie wahrscheinlich ein Streik in den Märzferien ist.

Die Erholung des Luftverkehrs nach der Corona-Flaute wird ab Donnerstagabend abermals durch einen massiven Warnstreik gestört. Am Hamburger Flughafen geht nichts mehr – alle der eigentlich geplanten 126 Abflüge und 127 Ankünfte mit rund 32.000 Passagieren am Freitag sind gestrichen worden.

Nicht nur in Hamburg, sondern auch in Frankfurt, München, Stuttgart, Dortmund, Hannover und Bremen hat die Gewerkschaft Ver.di im Rahmen der Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst die Beschäftigten der Flughäfen zum Warnstreik aufgerufen. In Hamburg sollen außerdem aber unter anderem Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Bereichen Luftsicherheit und Bordkartenkontrolle nicht zum Dienst erscheinen.

Streik am Flughafen Hamburg: Es gibt "definitiv keinen Start und keine Landung"

Erst im Oktober hatte ein Warnstreik der Eurowings-Piloten an mehreren Tagen zu vielen Flugausfällen in der Hansestadt geführt, im vergangenen Juli – mitten in den Sommerferien – waren das Lufthansa-Bodenpersonal und Lufthansa-Technik-Beschäftigte in den Ausstand getreten. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zum neuen Warnstreik:

Wie wirkt sich der Warnstreik auf den Flugbetrieb in Hamburg aus?

„Es wird am Freitag definitiv keinen Start und keine Landung in Hamburg geben, auch wenn einzelne Airlines es noch nicht geschafft haben, alle ihre Verbindungen aus dem Flugplan herauszunehmen“, sagt Flughafensprecherin Katja Bromm dem Abendblatt. „Wir haben aber den Eindruck, dass die Fluggesellschaften ihre Passagiere erreicht und mit ihnen die Änderung der Reisepläne abgeklärt haben.“

Daher rechne man für den Freitag mit höchstens einer sehr kleinen Zahl von Fluggästen in den Terminals. Auch auf den Flugbetrieb am Sonnabend und Sonntag werde der Warnstreik noch Einfluss haben. „Die Maschinen werden dann deutlich stärker ausgelastet sein, weil viele Passagiere, die eigentlich am Freitag reisen wollten, schon auf die Folgetage umgebucht haben“, so Bromm.

Flughafen Hamburg: Wer nimmt am Warnstreik teil?

Bundesweit geht es um gleich drei Berufsgruppen, eigentlich für sich verhandeln, nun aber gemeinsam von Ver.di zum Warnstreik aufgerufen sind: Erstens Angestellte der Flughäfen selbst, etwa Mitarbeiter der dortigen Feuerwehr, die nach dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes bezahlt werden.

Die zweite Gruppe sind Flugzeugabfertiger, Betanker oder Gepäckarbeiter bei ausgegründeten Bodenverkehrsdienstleistern. Für sie hat es in Hamburg jedoch gerade erst vor wenigen Tagen eine Tarifeinigung mit Ver.di gegeben. Sie erhalten künftig durchschnittlich rund 20 Prozent mehr Gehalt. Drittens verhandelt Ver.di bundesweit für rund 25.000 Luftsicherheitsassistenten – also die Beschäftigten, die im Auftrag der Bundespolizei an den Sicherheitskontrollen arbeiten.

Welche Rechte haben die Passagiere?

Grundsätzlich hätten betroffene Passagiere einen Anspruch auf „Ersatzleistungen“, erklärt Julián Navas vom Fluggastrechteportal AirHelp. Die Umbuchung auf einen anderen Flug müsse von der ausführenden Airline selbst umgesetzt werden. Für innerdeutsche Flüge kann auch eine Bahnfahrkarte ausgegeben werden. Wird die Fluggesellschaft von sich aus bis drei Stunden nach der geplanten Abflugzeit auf eine Aufforderung des Passagiers nicht tätig, kann dieser eigene Reisealternativen suchen und die Kosten der Airline in Rechnung stellen.

Ab einer Verspätung von mehr als fünf Stunden oder einer Beförderung zu einem späteren Zeitpunkt ist die Airline zudem auf Wunsch dazu verpflichtet, den vollen Ticketpreis zu erstatten. „Da es sich um einen Streik des Boden- beziehungsweise Flughafenpersonals handelt, haben betroffene Passagiere in der Regel keinen Anspruch auf eine Entschädigung gemäß der Europäischen Fluggastrechteverordnung“, so Navas. Ein solcher Schadenersatzanspruch bestünde nur, wenn das von der Airline gestellte Personal am Check-in streiken würde.

Wie rechtfertigt die Gewerkschaft den Warnstreik?

„Katastrophaler Arbeitskräftemangel war die Ursache für das Chaos an den Flughäfen im vergangenen Sommer“, heißt es dazu von Ver.di. „Nur gute Arbeitsbedingungen können dieses Problem lösen“. Weil dies auch „im Interesse aller Fluggäste“ sei, bitte man diese „herzlich um Verständnis und Solidarität“. Die gestiegenen Preise für Lebensmittel und Energie belasteten vor allem Menschen mit niedrigen Einkommen, und gerade an Flughäfen seien viele „prekär beschäftigt“ – überproportional stark.

Für Beschäftigte des öffentlichen Dienstes fordert Ver.di 10,5 Prozent mehr Gehalt, mindestens aber 500 Euro mehr. Im Bereich Luftsicherheit werden verbesserte Zeitzuschläge gefordert, in der Passagierabfertigung, Parkraumbewirtschaftung und Bordkartenkontrolle hat Ver.di nach eigenen Angaben zum Ausgleich der Inflation „hohe Lohnforderungen“ gestellt.

Streik am Flughafen Hamburg: Wie reagiert die Branche?

Der Flughafenverband ADV rechnet durch den Warnstreik mit 2340 Ausfällen im innerdeutschen und internationalen Flugverkehr. „Dass unter dem Konflikt am Freitag über 295.000 Flugreisende zu leiden haben, ist nicht zumutbar“, sagte Ralph Beisel, Hauptgeschäftsführer des ADV. „Lösungen müssen am Verhandlungstisch gefunden werden und nicht auf dem Rücken der Passagiere.“

Zudem werden die Dauer und der Umfang der Arbeitsniederlegung scharf kritisiert: „Dies überschreitet die Grenzen eines sogenannten Warnstreiks deutlich.“

Kann es zu Streiks in den Hamburger Märzferien kommen?

Am Mittwoch und Donnerstag kommender Woche werden die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst in zweiter Runde fortgesetzt. „Wir haben den Warnstreik angesetzt, um dann ein gutes Angebot zu erhalten“, sagt Lars Stubbe von der Fachgruppe Luftverkehr bei Ver.di Hamburg. Darauf hoffe man jetzt. Ob es auch in den Hamburger Frühjahrsferien, die eine Woche darauf beginnen, Warnstreiks geben kann, lässt Stubbe gegenüber dem Abendblatt offen: „Ausschließen kann man nichts.“

Wie viele Passagiere erwartet der Hamburger Flughafen für 2023?

Für 2023 rechnete Michael Eggenschwiler, der Chef des Hamburger Flughafens, im Januar mit rund 13,8 Millionen Passagieren. Das wären immer noch 20 Prozent weniger als im Vor-Corona-Jahr 2019. Im vorigen Jahr hatte der Rückstand noch fast 36 Prozent betragen. Damit erholt sich der Flughafen in Fuhlsbüttel geringfügig schwächer als der Luftverkehr in Deutschland insgesamt. Denn der ADV geht davon aus, dass in diesem Jahr an allen Verkehrsflughäfen der Bundesrepu­blik immerhin wieder 82 Pro­zent der Pas­sa­gierzahl von 2019 erreicht wer­den.

Auch die Nach­frage von Geschäfts­rei­sen­den steige wei­ter, weil unter anderem das Kongress- und Mes­se­ge­schäft deut­lich zule­gen werde, zudem werde der Lang­stre­cken­ver­kehr auf den Stre­cken nach Asien stark wach­sen, heißt es. 2022 wurde bundesweit rund 65 Prozent des Passagieraufkommens von 2019 registriert. Mit einer Rückkehr zum damaligen Niveau rechnet der ADV erst für 2025.