Hamburg. Gründer hat 2022 offenbar der Mut verlassen. Eine Umfrage zeigt nun, was für junge Unternehmen in Hamburg besser laufen könnte.

Die Wirtschaftsförderer von Hamburg Invest machten vor ein paar Monaten einer neuen Zielgruppe ein interessantes Angebot: Start-ups aus aller Welt, die an innovativen Produkten und Dienstleistungen für die Mobilitäts- und Logistikbranche arbeiten, konnten einen Hamburg-Schnupperkurs absolvieren.

Mit einem Sachleistungsbudget von bis zu 50.000 Euro durften sich die jungen Hoffnungsträger in der Hansestadt von Expertinnen und Experten beraten lassen, den Standort kennenlernen, Kontakte zu potenziellen Kunden und Geschäftspartnern knüpfen. Auch Unterkunft und Arbeitsplatz in einem Co-Working-Büro zahlte Hamburg Invest aus dem Topf.

Schnupperkurs in Hamburg für internationale Start-ups

Das Interesse war groß, letztlich nahmen 13 Start-ups teil. Darunter eine Firma aus Malaysia, die eine neue Technik zur Herstellung grünen Wasserstoffs entwickelt, ein Unternehmen aus Frankreich, das eine Lösung für den heiklen Transport des Energieträgers gefunden hat, Chinesen, die das fahrerlose Fahren von schweren Hafen-Fahrzeugen vorantreiben, ein Schweizer Start-up, das sich mit Drohnenflügen in geschlossenen Räumen beschäftigt.

Die Hoffnung der Wirtschaftsförderer: Wenn die jungen Unternehmen über kurz oder lang vor der Frage stehen, wo sie ihre Deutschland- oder Europaniederlassung ansiedeln, hat Hamburg schon den Fuß in der Tür. Das Pilotprojekt ist abgeschlossen, die Auswertung läuft, doch bei Hamburg Invest heißt es schon jetzt, bei der Mehrzahl der Teilnehmer gebe es Überlegungen, dauerhaft in Hamburg präsent zu sein. Und: „Das Programm wird aufgrund seines Erfolges 2023 fortgesetzt.“

Start-ups: 30 Prozent weniger Gründungen in Hamburg

Insgesamt allerdings war 2022 für die Start-up-Szene in Hamburg ein eher durchwachsenes Jahr. Die bereits in der Hansestadt lebenden potenziellen Gründerinnen und Gründer verließ offenbar der Mut zum Schritt in die Selbstständigkeit. Das ergab eine jüngst veröffentlichte Studie des Deutschen Start-up-Verbands. Demnach wurden zwar in allen der fünf größten Städte hierzulande weniger Start-ups gegründet. In Hamburg allerdings war der Rückgang am höchsten.

Der Verband registrierte 2022 nurmehr 143 Neugründungen in der Hansestadt – gut 30 Prozent weniger als 2021. „Gegen die schwierige konjunkturelle Lage ist auch das Start-up-Ökosystem nicht immun“, sagte die Vize-Verbandsvorsitzende Magdalena Oehl über den allgemeinen Trend. Auffällig aber ist: Während in Hamburg pro 100.000 Einwohnern im Schnitt 7,7 Start-ups gegründet wurden, waren es in München (14,5) fast doppelt so viele.

Die Gründerszene in Hamburg
Die Gründerszene in Hamburg © Bundesverband dt. Start-ups/Deal Room/PWC

Weniger Start-ups in Hamburg: Studie zeigt Gründe

Nun zeigt eine weitere Studie, woran das liegen könnte und was in Hamburg besser laufen sollte. „Schwächen zeigen sich in Hamburg insbesondere bei der Finanzierung und der Vernetzung mit der Wissenschaft.“ Das ist eines der zentralen Ergebnisse des 10. Deutschen Start-up-Monitors der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC und des Bundesverbands Start-ups. Die Ergebnisse der Studie für Hamburg liegen unserer Zeitung exklusiv vor.

Thorsten Dzulko, der PwC-Chef am Standort Hamburg, sagt, damit die Firmen der Jungunternehmer wachsen könnten, „muss sich der Zugang zu Kapital und Köpfen verbessern“. Die Gründerinnen und Gründer seien insbesondere auf einen Nachschub an finanziellen und personellen Ressourcen angewiesen – und beides sei schwierig.

Die Studie basiert auf einer Umfrage bei bundesweit fast 2000 Start-ups, 139 davon mit Sitz in Hamburg. Von denen planen zwar fast alle (96 Prozent) Neueinstellungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Aber die jungen Firmen haben ganz ähnliche Probleme wie viele alteingesessene in etablierten Branchen: Sie finden schwer Fachkräfte. Für vier von zehn Jungunternehmern war das 2022 die größte Herausforderung.

Start-ups: Berlin und München haben Nase vorn

Ihre Stärken als weltoffene Stadt, als Deutschlands „Tor zur Welt“, kann Hamburg dabei bislang nicht erfolgreich ausspielen, auch das zeigt die Studie. „Hamburg hat eigentlich gute Chancen, einige Lücken im Fachkräftebereich mit Beschäftigten aus dem Ausland zu schließen – die Stadt gilt bei Aus- und Inländern als attraktiv. Doch seit Jahren hinken wir Berlin und München hinterher, wenn es um die Internationalität der Mitarbeitenden bei Start-ups geht“, sagt Jannis Grube, Koordinator der PwC-Initiative Next Level im Norden.

Nur 23 Prozent der Beschäftigten in Hamburger Start-ups kommen laut der Umfrage aus dem Ausland, bundesweit sind es 28 Prozent. Immerhin: Der Anteil der Gründerinnen liegt in Hamburg mit 23 Prozent über dem Bundesschnitt (20 Prozent).

Start-ups in Hamburg: Eta­blierte Firmen beteiligen sich häufig

Schwieriger als andernorts ist es der Umfrage zufolge für Hamburger Start-ups, externes Kapital für ihr Wachstum einzuwerben. Andererseits wird knapp ein Drittel auch von strategischen Investoren finanziert, im deutschlandweiten Schnitt sind es nur halb so viele. Das könnte an einer Besonderheit der Hamburger Start-ups liegen.

„Viele haben einen deutlichen B2B-Schwerpunkt und sind für Corporates entsprechend attraktiv“, sagt der PwC-Experte Grube. Will heißen: Da die Gründer in Hamburg oft darauf setzen, andere Unternehmen als Kunden ihrer Produkte und Dienstleistungen zu gewinnen, beteiligen sich eta­blierte Firmen häufig an Start-ups mit Standort an der Elbe.

PwC-Hamburg-Chef Dzulko analysiert: „Die Start-ups profitieren von den in Hamburg angesiedelten Unternehmen aus Logistik und Maritimer Wirtschaft, die Jahre starken Wachstums hinter sich haben und Teile ihrer Gewinne nun in das Innovations-Ökosystem reinvestieren.“ Laut dem aktuellen Start-up-Barometer des Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsunternehmens EY erhielten Hamburger Unternehmen 2022 mit insgesamt 547 Millionen Euro sogar etwas mehr frisches Geld von Investoren als 2021.

„Zusammenarbeit mit Unis muss besser werden“

Nachholbedarf zeigt die Studie bei der Zusammenarbeit der Gründer mit Wissenschaft und Hochschulen in der Stadt: Der Anteil der Hamburger Start-ups, die von Hochschulen unterstützt werden, liegt mit 32 Prozent deutlich unter dem Bundesschnitt (53 Prozent). „Die Vernetzung der Hochschulen untereinander und mit der Start-up-Landschaft ist in Hamburg ausbaufähig und muss besser werden“, fordert Jannis Grube.

Doch neben all den Problemen und Herausforderungen, dem Nachhol- und Verbesserungsbedarf in der Hansestadt, fördert die Umfrage bei den fast 140 Hamburger Start-ups auch eine positive Entwicklung zutage: Die Zufriedenheit der Gründerinnen und Gründer mit dem regionalen Ökosystem, also den gesamten Möglichkeiten und Bedingungen für junge Unternehmen in der Stadt, steigt auf 53 Prozent. 2020 bewerteten nur 39 Prozent der Befragten das Ökosystem als gut oder sehr gut.

Diese steigende Tendenz sei wichtig, meinen die Studienautoren – und gießen gleich Wasser in den Wein. „Im Bundesschnitt sind sogar gut zwei Drittel der Start-ups mit den Bedingungen an ihrem Standort zufrieden.“