Hamburg. Vor einem Jahr erhielt Beagle Systems den Gründerpreis. Wie es jetzt um die Firma mit dem ungewöhnlichen Geschäftsmodell steht.

Das Herzstück des Geschäftsmodells hat eine Spannweite von 2,5 Metern und eine Kamera an Bord, fliegt mit Tempo 150 bis zu 200 Kilometer weit – und wird in einer Werkstatt im 2. Stock eines Gewerbehofs in Wandsbek zusammengebaut. Dort hat das Hamburger Start-up Beagle Systems seinen Sitz.

Die Gründer Oliver Lichtenstein, Jerry Tang und Mitja Wittersheim arbeiten daran, ein Netzwerk unbemannter und ferngesteuerter Fluggeräte aufzubauen. Die Idee dahinter: Im Auftrag von Unternehmen oder Behörden liefern die Drohnen der Hamburger Luftbilder, die dem Kunden die Arbeit erleichtern. In der Fachwelt wird das „Drone as a Service“ genannt Drohnen als Service.

Start-up: Beagle Systems erhielt den Gründerpreis

Vor einem Jahr wurde Beagle Systems mit dem unter anderem von Haspa und Abendblatt vergebenen Hamburger Gründerpreis in der Kategorie Existenzgründer ausgezeichnet. Es sind junge, innovative Firmen in der Frühphase, denen die Juroren großen Erfolg zutrauen. Die Preis­träger 2022 stehen bereits fest, bekannt gegeben und geehrt werden sie am heutigen Montag bei einer Gala in der Fischauktionshalle. Und wie läuft es bei Beagle Systems ein Jahr danach? „Wir rechnen im nächsten Sommer mit der Profitabilität im operativen Geschäft und sind in den vergangenen zwölf Monaten auf diesem Weg gut vorangekommen.“, sagt Mitja Wittersheim.

Als die Gründer den Preis entgegennahmen, waren die Drohnen noch ausschließlich bei Test- und Demonstrationsflügen unterwegs. Mittlerweile fliegen sie auch im Regelbetrieb. Im Mai gaben das Hamburger Start-up und der Stromnetzbetreiber Westnetz bekannt, dass sie mit der bundesweit ersten regelmäßigen Inspektion einer Hochspannungsleitung per Drohne beginnen.

Flug wird vom Beagle-Team von Hamburg überwacht

Auf der 40 Kilometer langen Trasse in der Eifel geht es derzeit vorrangig darum, Fehler und Störungen zügig zu beheben. Geht eine Störungsmeldung ein, kann die in der Nähe auf dem Gelände eines Umspannwerks in Gerolstein stationierte Drohne kurz darauf abheben, die Leitung abfliegen und präzise Bilder der Schadensstelle liefern. „Da wir keinen Drohnenpiloten an den Einsatzort schicken müssen, können die Flüge sehr schnell und flexibel vorgenommen werden“, sagt Mitgründer Oliver Lichtenstein.

Der Langstreckenflug läuft weitgehend automatisch ab, wird vom Beagle-Team von Hamburg aus überwacht. Das ist beim kommerziellen Drohneneinsatz eine Ausnahme. Zumeist muss dabei ein Pilot das Fluggerät ständig im Blick haben, um bei drohender Gefahr eingreifen zu können. Beagle hat nach eigenen Angaben als einer von wenigen Anbietern die Genehmigung zum Einsatz ohne Sichtkontakt.

Einsätze über besiedelten Bereichen denkbar

Vorerst gilt das ausschließlich für unbesiedelte Gebiete. Wittersheim ist aber zuversichtlich, dass schon in wenigen Monaten auch Einsätze über besiedelten Bereichen möglich sein werden. „Von unserem 14-köpfigen Team arbeiten zwei ausschließlich am Thema Genehmigungen“, sagt er. Es ist ein kompliziertes Feld. Gerade darin aber sehen die Beagle-Gründer eine Chance. Viele Unternehmen werden lieber einen Dienstleister beauftragen als mit hohem Aufwand eine eigene Drohnenabteilung aufzubauen, sind sie überzeugt.

Tatsächlich sind laut einer Umfrage des deutschen Maschinenbauverbands mehr als 70 Prozent der teilnehmenden Indus­trieunternehmen generell am Einsatz von Drohnentechnologie interessiert, in etwa einem Drittel der Firmen ist ihr Einsatz mindestens in Planung. Sie versprechen sich davon vor allem Kostenreduzierungen und dass die Drohnen bislang von Menschen ausgeübte Tätigkeiten übernehmen – etwa bei Inspektionen. Beagle ist außer an der Stromleitung in der Eifel auch entlang einer Pipeline eines anderen Netzbetreibers im Einsatz – und zuversichtlich, diesen Konzern als nächsten großen Kunden gewinnen zu können.

Drohnenfotos vom Acker helfen Landwirten

Die Inspektion von Infrastruktur ist nur eines von vielen Anwendungsgebieten. Seit einigen Wochen bieten die Hamburger zudem Einsätze für die Agrarwirtschaft an. Die von der Kameradrohne aufgenommenen Bilder zeigen, wo auf einem Acker die Pflanzen mickrig wachsen oder von unerwünschtem Kraut überwuchert werden. „Anhand dieser Daten kann dann punktgenau gedüngt oder mit Pflanzenbehandlungsmitteln gearbeitet werden“, erklärt Wittersheim. Der Vorteil: „Durch Precision Farming sparen Landwirte Geld und können ihre Erträge erhöhen – gleichzeitig wird die Umwelt weniger belastet“, sagt Lichtenstein.

In einem großen landwirtschaftlichen Betrieb im Landkreis Stade sei eine Beagle-Drohne bereits eingesetzt worden, heißt es. Die Gründer schauen aber weit über die Region und Deutschland hinaus. Ihre generelle Erlaubnis für Drohnenflüge ohne Sichtkontakt gilt in sämtlichen Ländern der Europäischen Union, Agrarflüge bietet das Start-up seit Juni daher gleich in der gesamten EU an.

Binnen einer Stunde Fotos von jedem Ort in Deutschland

Die Beagle-Drohne, die in der Eifel die Hochspannungsleitung kontrolliert, ist dort in ihrem eigenen Minihangar stationiert. Es ist eine mehrere Quadratmeter große Kiste. Vor dem Start klappt ihr Deckel­ auf, die Start- und Landeplattform fährt nach oben, und dann hebt die Drohne­ senkrecht ab zu ihrer Mission. Nach deren Ende werden die Batterien des Minifliegers in der Box wieder aufge­laden.

Drei solcher Hangars gibt es inzwischen. Der zweite ist bereits im Landkreis Uelzen postiert. „Den dritten stellen wir demnächst in Nordrhein-Westfalen auf“, sagt Wittersheim. Mit 15 Hangars, die über ganz Deutschland verteilt aufgestellt sind, ließe sich ein flächendeckendes Netz über das gesamte Bundesgebiet spannen. „Wir könnten dann binnen einer Stunde jeden Ort im Land erreichen.“ Und eine Drohne, die an einem der Standorte startet, müsste nicht zwangsläufig dorthin zurückkehren, sondern könnte an einem der anderen landen.

Auch Feuerwehr könnte profitieren

Möglich wären auch Missionen, um Waldbrände zu lokalisieren und die Feuerwehr schon bei der Anfahrt zum Einsatz genau dorthin zu dirigieren, wo die Flammen tatsächlich lodern. Auch das ist eine denkbare Anwendung. Die Gründer stellten sie unlängst bei der Rettungsdienst-Messe Interschutz vor.

Der Aufbau eines flächendeckenden Hangar-Netzes hat in den Expansions­plänen der Gründer allerdings keine Priorität. „Wir stellen die Hangars dort auf, wo die Drohnen gebraucht werden“, sagt Wittersheim. Der Betrieb von 15 Beagle-Standorten am Ende des kommenden Jahres – das sei durchaus möglich, heißt es. Voraussichtlich würden einige der Drohnenstationen dann jedoch in anderen EU-Ländern stehen.

Start-up: Neue Finanzierungsrunde beginnt

Das Wachstumstempo hängt dabei von Akquirierung weiterer zahlender Kunden, aber auch stark von der nächsten Finanzierungsrunde ab. Sie soll in diesen Tagen beginnen – und wird zeigen, ob die Hoffnungen von Investoren in Beagle Systems ebenso groß sind wie die der Gründerpreis-Juroren vor einem Jahr.