Hamburg. Goldbusse nach Corona-Knick wieder stark gefragt. Hamburgs Moia-Chef bereitet Kunden auf einen Wermutstropfen vor.
Auf dem Display, das in der Moia-Zentrale nahe der Stadthausbrücke im 1. Stockwerk in Sichtweite der Kaffee-Bar hängt, leuchtet an diesem Vormittag gerade die Zahl 608 auf. Wenige Sekunden später steht schon 614 darauf. So viele Fahrgäste hat der Sammeltaxidienst seit Betriebsbeginn um 5 Uhr morgens bislang durch Hamburg gefahren.
Am Ende des Tages wird die Leuchtschrift eine Zahl zwischen 3000 und 4000 zeigen. Das ist ganz ordentlich für einen normalen Wochentag und ein Unternehmen, das sich gerade aus der Fahrgastflaute in der Corona-Krise herausarbeitet.
Moia: "Nachfrage steigt seit Monaten"
„Die Nachfrage steigt seit Monaten kontinuierlich und spürbar“, sagt Sascha Meyer, der seit August Moia-Chef ist. Im Oktober transportierten die Elektrobusse in der Hansestadt insgesamt 190.000 Fahrgäste, im Januar waren es erst 140.000 gewesen. Deutlich häufiger als noch vor einigen Monaten steuert Moia jetzt Hauptbahnhof und Flughafen an.
„Die Geschäftsleute sind zurück“, sagt Meyer. Und auch die Gerichte am Sievekingplatz sind wochentags ein zunehmend wichtiger Zielpunkt. „Rechtsanwälte fahren offenbar gerne Moia.“ Da im Herbst und Winter die Zahl der Buchungen erfahrungsgemäß ohnehin steigt, dürften es in den nächsten Monaten jeweils mehr als 200.000 Passagiere sein.
Moia vergrößert Einsatzgebiet: "Wollen wieder wachsen"
Zu Jahresbeginn ist ein weiterer kräftiger Schub bereits absehbar. Das Betriebsgebiet nimmt um ein Drittel von 200 auf 270 Quadratkilometer des Stadtgebiets zu. „Wir wollen wieder wachsen“, sagt Meyer. Statt 1,1 Millionen werden ab 1. Januar 1,3 Millionen Hamburgerinnen und Hamburger einen Moia-Haltepunkt nahe ihrer Haustür haben. In Stadtteilen wie Billbrook, Billstedt, Osdorf sowie Lurup wird der Dienst erstmals angeboten.
Und mit der Veddel und Wilhelmsburg fahren die Busse dann auch bis in die südlichen Regionen der Stadt. Der Sprung über die Elbe war Politik und Verwaltung ein wichtiges Anliegen. Vereinbart wurde er mit der Verkehrsbehörde im Zusammenhang mit der neuen Konzession bis Ende 2025, die das Volkswagen-Tochterunternehmen unlängst erhalten hat. „Wir erwarten durch die neuen Servicegebiete ein zusätzliches Wachstum unserer Fahrgastzahlen von mehr als zehn Prozent über das grundsätzlich zu erwartende Wachstum in den kommenden Monaten hinaus“, sagt Meyer.
Preise für Fahrten mit Moia werden steigen
Eines der wichtigsten Vorhaben ist deshalb, mehr Fahrerinnen und Fahrer zu rekrutieren. Derzeit lenken gut 700 die schwarz-goldenen Sammeltaxen durch die Stadt. Zu Spitzenzeiten in den Wochenendnächten, wenn viel Partyvolk unterwegs ist, aber wenige Linienbusse und Bahnen fahren, sind es aktuell bis zu 250 gleichzeitig. Aber nicht immer ausreichend viele. „Es gibt Situationen, in denen wir nicht alle Anfragen sofort bedienen können“, räumt der neue Moia-Chef ein.
Und er bereitet die Kunden auf einen Wermutstropfen vor: Die Taxitarife in Hamburg sind bereits angehoben worden, der HVV wird die Preise für Einzelfahrkarten im kommenden Jahr um durchschnittlich 3,2 Prozent erhöhen, nun plant auch Moia eine Verteuerung der Fahrten. „Wir müssen leider davon ausgehen, dass es auch bei uns Preissteigerungen geben wird“, so Meyer.
Energiekrise verursacht wohl Preissteigerungen
Bislang profitierte das Unternehmen davon, dass es langfristige Stromlieferverträge mit günstigen Konditionen abgeschlossen hatte. Doch die laufen absehbar aus, Moia wird den Ladestrom für seine Fahrzeuge künftig teurer einkaufen müssen. Und das sei nur einer von vielen Kostenfaktoren, sagt Meyer. Wann und wie stark sich die Fahrten verteuern werden, das stehe noch nicht fest.
Beim wohl wichtigsten langfristigen Zukunftsprojekt gab es zuletzt einen Rückschlag. Die Vorbereitungen auf den Einsatz autonom fahrender Moia-Busse in einigen Stadtteilen östlich der Alster sind vorübergehend eingestellt worden. „Derzeit finden keine Erprobungsfahrten statt“, bestätigt der Moia-Chef.
2025 sollen Moia-Busse ohne Fahrer ankommen
Die Volkswagen-Nutzfahrzeugsparte und das US-amerikanische Start-up Argo AI hatten vor gut einem Jahr damit begonnen, ein insgesamt rund 50 Kilometer langes Straßennetz im südlichen Winterhude, auf der Uhlenhorst und in Hohenfelde mit einem mit allerlei Sensoren und Kameras ausgerüsteten Fahrzeug abzufahren. Die dabei gesammelten Daten sind die Grundlage dafür, dass Moia-Busse ohne Fahrer eines Tages dort Passagiere befördern, ein- und aussteigen lassen. Angepeilt ist 2025.
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Nun aber sind die Moia-Mutter Volkswagen und der Autobauer Ford, denen Argo AI zu großen Teilen gehörte, bei dem Start-up ausgestiegen. Volkswagen will demnächst ein neues Partnerunternehmen für das autonome Fahren präsentieren. Sascha Meyer ist aber überzeugt, „dass wir die Zeitleiste genau halten werden“ und dass es beim Start des ersten autonom fahrenden Moia-Busses in Hamburg im Jahr 2025 bleibt.
Die Softwareentwickler und Produktplaner des Unternehmens setzen ihren Part im Projekt jedenfalls weiter um, entwickeln Lösungen für Fragen wie: Ist der richtige Fahrgast zugestiegen? Ist das Gepäck sicher verstaut? Wie erfährt und wie reagiert der Wagen, wenn der Passagier spontan schon vor dem Ziel aussteigen möchte? Und: Was passiert, wenn es im Auto ohne Fahrer einen medizinischen Notfall gibt?
Konkurrenz für Moia: Hochbahn kooperiert mit Holon
Seit Mitte der Woche ist klar, dass andere potenzielle Anbieter Ähnliches planen. Am Mittwoch kündigten die Hochbahn und die Firma Holon, ein Spezialist für autonom fahrende Shuttle-Busse, eine Kooperation in der Hansestadt an. Die beiden Unternehmen wollen ebenfalls einen Mobilitätsdienst ohne Fahrer entwickeln und erproben. Die vollelektrisch angetriebenen Holon-Kleinbusse könnten wohl erstmals im Jahr 2024 in einem Pilotgebiet in Hamburg unterwegs sein, hieß es.
Sascha Meyer bereitet das keine Sorge, auch Moia hat eine Zusammenarbeit mit der Hochbahn vereinbart: „Wir haben bereits im Januar eine gemeinsame Absichtserklärung unterzeichnet, um Konzepte zur Umsetzung des Hamburg-Takts zu erarbeiten.“ Eine künftige Zusammenarbeit auch im Bereich des autonomen Ridepoolings sei daher „naheliegend“, sagt Meyer und fügt hinzu: „Dass die Hochbahn darüber hinaus mit weiteren Unternehmen im Bereich der Fahrzeuge Kooperationen eingeht, ist selbstverständlich möglich und durch unsere Absichtserklärung nicht ausgeschlossen.“
Moia: Wie wird man Teil der Mobilitätswende in Hamburg?
An die sogenannten Ridepooling-on-demand-Dienste knüpfen sich große Hoffnungen im Zusammenhang mit der Mobilitätswende und dem geplanten Hamburg-Takt. Das Versprechen lautet, dass allen Bewohnern der Stadt im Jahr 2030 an großen Teilen des Tages binnen fünf Minuten ein öffentliches Mobilitätsgebot gemacht werden kann. Und damit sie für die Hamburgerinnen und Hamburger zu einer echten Alternative zum eigenen Auto werden, müssen die Shuttle-Busse nicht nur kostengünstig (und daher ohne Fahrpersonal) unterwegs sein – es muss auch Tausende von ihnen in der Stadt geben.
Bei Moia wissen sie nur zu gut, wie schnell Expansionspläne von der Realität ausgebremst werden können. Als der Dienst im Frühjahr 2019 in Hamburg startete, war das selbst gesteckte Ziel, Ende 2022 mit 500 Fahrzeugen auf den Straßen unterwegs zu sein. Dann kamen in der Pandemie gleich zwei Lockdowns. Die 500 Kleinbusse sind zwar tatsächlich in Hamburg stationiert – aber maximal die Hälfte davon ist derzeit im Einsatz