Hamburg/Berlin/Kiel. Kabinett beschließt begrenzte chinesische Beteiligung am Terminal Tollerort. Die Reaktionen von HHLA über Scholz bis Tschentscher.
Das Bundeskabinett hat sich im Streit um einen chinesischen Einstieg bei einem Containerterminal im Hamburger Hafen auf einen Kompromiss verständigt. Konkret handelt es sich um eine sogenannte Teiluntersagung: Die Beteiligung des chinesischen Cosco-Konzerns am Containerterminal darf nur bei 24,99 Prozent liegen, geplant waren zuvor 35 Prozent.
Der Kompromiss ist in der Ampel-Koalition umstritten. Unter dem Eindruck der jüngsten Erfahrungen mit Russland und der Abhängigkeit von dessen Gaslieferungen war politischer Streit entbrannt über die Frage, ob eine chinesische Beteiligung zugelassen werden soll. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) warnte vor neuen Abhängigkeiten.
Hafen Hamburg: Cosco sollte 35 Prozent erhalten
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hatte eine am 21. September 2021 geschlossene Vereinbarung zwischen dem Hamburger Hafenlogistiker HHLA und dem chinesischen Terminalbetreiber Cosco Shipping Ports Limited (CSPL) über eine 35-Prozent-Beteiligung der Chinesen am HHLA-Terminal Tollerort geprüft.
Habeck wollte den chinesischen Einstieg komplett untersagen. Auch andere Ministerien wollten dies.
Das Kanzleramt drang aber laut Medienberichten darauf, dass der Einstieg zustande kommt. Hätte das Kabinett nicht in dieser Woche entschieden, wäre der Verkauf automatisch so wie von Cosco und HHLA ursprünglich vereinbart genehmigt worden.
HHLA will nun mit Cosco sprechen
Aus HHLA-Kreisen verlautete, noch müsse erst einmal abgewartet werden, ob sich die chinesischen Partner mit der Teilgenehmigung einverstanden erklären, da es eine Reihe von Einschränkungen gebe.
In einer Adhoc-Mitteilung der Aktiengesellschaft hieß es am Mittwoch, „HHLA und CSPL werden sich nach Zustellung der Entscheidung durch das BMWK auf Basis der konkreten Rahmenbedingungen zu den nächsten Schritten austauschen“. Der konkrete Text der Entscheidung liege den Parteien jedoch noch nicht vor.
Der Entscheidung vorausgegangen sei eine 13-monatige Investitionsprüfung seitens der Bundesregierung, „wie sie bei Unternehmensanteilserwerben durch Unternehmen aus Nicht-EU-Staaten erforderlich ist“.
HHLA-Chefin Titzrath begrüßt die Lösung
Die HHLA-Vorstandsvorsitzende Angela Titzrath kündigte am Mittwoch an, „zeitnah“ mit Cosco über eine Anpassung der Vereinbarungen zu sprechen. „Wir begrüßen, dass in sachlich-konstruktiven Gesprächen mit der Bundesregierung eine Lösung gefunden wurde“, sagte Titzrath.
Aus HHLA-Sicht hat die Bundesregierung erlaubt, dass CSPL „unter Einhaltung der von der Bundesregierung gemachten Auflagen einen Minderheitsanteil von unter 25 Prozent an der Betriebsgesellschaft der Container Terminal Tollerort (CTT) GmbH in Hamburg erwerben“ darf.
Auf die Frage, ob Cosco Auflagen der Bundesregierung zustimmen werde, sagte Titzrath nichts. Darüber wolle sie erst mit den Partnern sprechen. Vereinbart sei, dass der Deal bis Ende des Jahres geklärt werden soll.
„Wir haben jetzt noch bis zum Ende des Jahres, diese jetzt vorgelegte Closing-Bedingungen miteinander zu besprechen, zu verhandeln und zum Abschluss zu bringen“, sagte Titzrath. Es handele sich aus ihrer Sicht um ein Ergebnis, „das die Zukunftsfähigkeit der HHLA stärkt und Arbeitsplätze im Hamburger Hafen sichert“.
HHLA: Cosco erhält kein strategisches Know-how
Cosco betreibt auch die weltweit viertgrößte Containerreederei und lässt seine Schiffe seit 40 Jahren am Terminal Tollerort abfertigen. Das Unternehmen hatte zugesagt, im Gegenzug zu einer CTT-Beteiligung das Terminal zum bevorzugten Umschlagplatz in Europa aufzuwerten. Reedereibeteiligungen an Terminals sind in der globalen Containerlogistik üblich. Cosco selbst hält allein in Europa bereits Beteiligungen an acht Terminals.
Titzrath versicherte erneut, dass die HHLA die alleinige Kontrolle über alle wesentlichen Entscheidungen behalte und Cosco weder exklusive Rechte am Terminal noch Zugriff auf strategisches Know-how, IT- und Vertriebs-Daten erhalte. Die Zusammenarbeit zwischen HHLA und Cosco schaffe zudem keine einseitigen Abhängigkeiten. „Im Gegenteil: Sie stärkt die Lieferketten, sichert Arbeitsplätze und fördert Wertschöpfung in Deutschland“, so Titzrath.
Hamburger Hafen heißt Cosco-Deal gut
Auch der Hamburger Hafen sieht die Entscheidung der Bundesregierung über einen chinesischen Einstieg bei einem Hafenterminal als Gewinn für den größten deutschen Hafen und den gesamten deutschen Außenhandel.
„Für die Wettbewerbsfähigkeit des Hamburger Hafens ist die positive Entscheidung des Investitionsprüfverfahrens durch das Bundeskabinett von großer Wichtigkeit“, sagte der Chef der Marketingorganisation des Hafens, Axel Mattern. HHLA und Cosco könnten nun ihre Geschäftsbeziehungen ausbauen und intensivieren: „Im Ergebnis wird dieser Kompromiss auch positive Auswirkungen auf den deutschen Außenhandel haben.“
Handelsexperte sieht Cosco-Einstieg kritisch
Der Kieler Handelsökonom Rolf Langhammer bewertet auch einen nun möglichen reduzierten Cosco-Einstieg hingegen kritisch. „Die Entscheidung ist ein gesichtswahrender Kompromiss für beide Seiten“, sagte Langhammer am Mittwoch nach Mitteilung des Kiel Instituts für Wirtschaftsforschung (IfW). Das mittelfristige Problem werde aber nicht gelöst. Es bestehe „darin, dass Cosco ein zentraler Akteur in der chinesischen Strategie der digitalen und maritimen Seidenstraße ist.“
Der Cosco-Konzern könnte aus Sicht Langhammers über seine vielen Hafenbeteiligungen eine marktbeherrschende Stellung im Bereich der Abwicklung des globalen Warenhandels erreichen. Zudem will Cosco aus Sicht des Ökonomen mit anderen chinesischen Partnern, insbesondere mit der Finanztochter von Alibaba, die Digitalisierung des globalen Transports vorantreiben.
Zudem bleibe offen, ob das Versprechen von Cosco, im Gegenzug zu einer Beteiligung am CTT Hamburg zu einem bevorzugten Umschlagplatz für den Containertransport zu machen, auch unter den veränderten Bedingungen bestehen bleibt. „Ein privatwirtschaftliches Unternehmen könnte dies an sich nicht versprechen, ein Staatskonzern aber doch“, so Langhammer. „Und hierin liegt auch ein gewisses Erpressungspotenzial seitens Cosco.“
Scholz lässt Kritik erneut zurückweisen
Unterdessen ließ Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittwoch erneut Kritik an der Entscheidung zum chinesischen Einstieg im Hamburger Hafen zurückweisen.
Auf die Frage, warum sich Scholz über Warnungen von Fachressorts hinweggesetzt habe, sagte eine Regierungssprecherin in Berlin, der Kanzler habe klar gemacht, dass es nicht um einen Verkauf des Hafens gehe, sondern „lediglich“ um die Beteiligung an einem einzelnen Terminal. Die verhältnismäßig geringe Beteiligung eröffne keine strategischen Einflussmöglichkeiten des chinesischen Unternehmens.
Scholz sei sich der Dimension der Entscheidung bewusst. Eine Beteiligung von 24,9 Prozent schaffe aber in der Abwägung keine strategische Abhängigkeit, so die Sprecherin. Die Entscheidung habe keinerlei Zusammenhang mit der bevorstehenden China-Reise des Kanzlers Anfang November.
Bundesministerien reagieren unterschiedlich
Eine Sprecherin des Außenministeriums sagte derweil, das Ministerium habe wie andere Ressorts Bedenken in den Diskussionen klar zum Ausdruck gemacht. Man habe alle formalen Möglichkeiten genutzt, auch in Form einer Protokollnotiz.
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Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums dagegen sagte: „Mit der Entscheidung des Kabinetts sind die Bedenken ausgeräumt.“ Eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums sagte, das Kabinett habe eine Entscheidung getroffen. Dem Ministerium sei es wichtig gewesen, dass „Sonderrechte“ für das chinesische Unternehmen untersagt worden seien.
Tschentscher: Cosco-Deal ist „branchenüblich“
Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) begrüßte die Entscheidung des Kabinetts seines Parteifreundes Scholz. „Es ist für die Sicherheit und Unabhängigkeit Deutschlands von größter Bedeutung, dass der Hamburger Hafen im internationalen Wettbewerb bestehen und leistungsfähig arbeiten kann“, sagte Tschentscher in einer am Mittwochnachmittag veröffentlichten Stellungnahme. Dies sei das Ziel des Hamburger Senats.
Die Beteiligung von Reedereien am Betrieb von Terminals nannte er „branchenüblich“. Sie werde „weltweit zur effizienten Organisation der Logistik praktiziert und muss auch in Hamburg möglich sein“, so Tschentscher weiter: „Im Interesse der Häfen dienen sie der Sicherung von Ladung und der langfristigen Bindung von Reedereien an den Standort.“
Tschentscher wirft Kritikern „Unkenntnis“ vor
Die jüngst innerhalb der politischen Debatte geäußerte Kritik an dem geplanten Cosco-Einstieg empfand Tschentscher „in weiten Teilen geprägt von großer Unkenntnis über die Organisation und den Betrieb des Hamburger Hafens“. Dieser bliebe „vollständig“ im öffentlichen Eigentum. Außerdem stelle der Senat im Verbund mit der Hamburg Port Authority (HPA) sicher, dass der Hafen unabhängig von einzelnen Reedereien oder Hafenbetrieben ausschließlich nach öffentlich-rechtlichen Vorgaben und im Interesse des Allgemeinwohls betrieben werde. Ähnlich hatte sich in den vergangenen Tagen auch Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel geäußert.
Tschentscher hält es nun „unabhängig von der aktuellen Einzelentscheidung der Bundesregierung (...) für erforderlich, die Außenwirtschaftsbeziehungen Deutschlands und der Europäischen Union an die aktuellen geopolitischen Entwicklungen anzupassen“. Dazu gehörren „eine vernünftige Analyse der tatsächlich bestehenden Risiken und keine symbolischen Entscheidungen, die auf irrationalen Annahmen beruhen und Deutschlands Position im internationalen Wettbewerb schwächen“.
FDP Hamburg: „Ein falsches Signal zur Unzeit“
Kritik kam aus der Hamburger Opposition. Auch ein chinesischer HHLA-Einstieg zu reduzierten Prozentanteilen sei „ein falsches Signal zur Unzeit“, sagte die FDP-Bürgerschaftsabgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein: „Die Volkrepublik China entwickelt sich mehr und mehr zu einer Diktatur, die weltweit immer aggressiver auftritt.“
Hochrelrevante Infrastruktur dürfe nicht unkritisch an fragwürdige Partner veräußert werden, selbst wenn deren direkter Durchgriff kaum noch möglich erscheint, so Treuenfels-Frowein. „Dass die SPD dies nach den schlechten Erfahrungen mit ihrer jahrzehntzelangen Russland-Nähe nicht versteht, ist überraschend. Dass die Grünen in Hamburg die Entscheidung loben, obwohl doch ihre Parteifreunde in Berlin dazu auf Distanz gegangen sind, ist unverständlich.“
Hamburgs Grüne: „Abhängigkeit kritisch hinterfragen“
Gleichwohl gab es von Hamburgs Grünen am Mittwoch kein uneingeschränktes Lob für die Entscheidung des Ampel-Bundeskabinetts. Grünen-Fraktionschef Dominik Lorenzen begrüßte den Kompromiss einerseits zwar, da der Handel mit China „schließlich mit Blick auf internationale Lieferketten ein wichtiges Standbein“ sei.
Andererseits mahnte er an, angesichts der Folgen der Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen „auch die hohe deutsche Abhängigkeit von chinesischen Waren- und Rohstoffströmen kritisch hinterfragen“ zu müssen. „Es braucht Maßnahmen und Instrumente, um unsere Handelsbeziehungen im Interesse der nationalen Sicherheit zu diversifizieren“, so Lorenzen.
„Es muss nun darum gehen, dass wir zügig eine breite Debatte zum Umgang mit autokratischen Regimen einleiten. Sowohl die Überwachung der eigenen Bevölkerung und der Umgang mit Minderheiten als auch eine aggressive globale Wirtschaftsstrategie bei gleichzeitiger Abschottung der eigenen Märkte brauchen demokratische, entschlossene und gut durchdachte Antworten. Und die kann es nur gemeinsam auf europäischer Ebene geben.“
Göring-Eckardt zieht Vergleich zu Nordstream 2
Auch die Grünen Anton Hofreiter (als Vorsitzender des Bundestags-Europaausschusses) und Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt äußerten Kritik. „Ich finde es nach wie vor eine falsche Entscheidung, die jetzt nicht anders möglich war“, meinte Göring-Eckardt im Fernsehsender Phoenix und bezeichnete den Kompromiss als „Schadensbegrenzung“.
Die Begründungen der Befürworter ähnelten den Argumenten, die früher für die Gas-Pipeline Nordstream 2 vorgebracht worden seien. Die Höhe der Beteiligung werde heruntergespielt und die Sicherung von Arbeitsplätzen hervorgehoben. „Diese Art, sich abhängig zu machen von einem autokratischen System wie dem in China, tut uns nicht gut“, so die Grünen-Politikerin. Man müsse beginnen, die ausgerufene Zeitenwende auch ernst zu nehmen. „Eine neue Zeit braucht neue Antworten und nicht alte Antworten“, so Göring-Eckardt.
Es könne für Deutschland künftig ein Standortfaktor sein, wenn man unabhängiger von anderen Staaten werde und selbständiger handeln könne. „Wirtschaftliche Beziehungen auf Augenhöhe und langfristige Abhängigkeiten einzugehen – das sind zwei unterschiedliche Dinge“, erklärte die Bundestagsvizepräsidentin, die auch Veränderungen des Außenwirtschaftsgesetzes anregte, „damit solche Situationen wie beim Hafen in Hamburg gar nicht erst wieder auftreten“.
Cosco gibt Beteiligung in Duisburg auf
Im Schatten der Hamburger Cosco-Debatte wurde am Mittwoch dann schließlich noch diese Nachricht publik: Der chinesische Staatskonzern hat in der Zwischenzeit seine Beteiligung an einem geplanten großen Containerterminal im Duisburger Hafen aufgeben.
Die 30-prozentige Beteiligung an der Investitions- und Betreibergesellschaft des im Bau befindlichen „Duisburg Gateway Terminal“ (DGT) sei bereits im Juni auf die Duisburg Hafen AG übergegangen, teilte Duisport mit. Zuvor hatten mehrere Medien berichtet.
Über die Gründe wurde für den Ausstieg wurde Stillschweigen vereinbart. Das Geschehen in Duisburg habe jedoch keine politischen Hintergründe, war in der Ruhrgebietsstadt zu hören.
Duisburg: Vertrauensvolles Verhältnis zu Cosco
Der neue Duisburger Containerhafen gilt als Modellprojekt für die Zukunft der Logistik und wird mit einer Fläche von 235.000 Quadratmetern im Endausbau Duisport zufolge das größte Containerterminal im europäischen Hinterland sein.
Der Duisburger Hafen betonte, er arbeite seit vielen Jahren gut und vertrauensvoll mit chinesischen Unternehmen und Partnern zusammen. Duisport habe sich dadurch zum europäischen Endpunkt der Bahnverbindungen zwischen China und Europa entwickelt. „Diese erfolgreiche Zusammenarbeit auf Augenhöhe wird die Duisburger Hafen AG fortsetzen und weiterentwickeln“, betonte der Unternehmenssprecher.