Chinesische Staatsreederei Cosco Shipping steigt beim Hamburger Terminal Tollerort ein – doch es geht um mehr.
Als vor mehr als einem Jahr bekannt wurde, dass der Hamburger Hafenkonzern HHLA mit der chinesischen Staatsreederei Cosco über einen Einstieg bei seinem Containerterminal Tollerort verhandelt, gab es kaum negative Reaktionen.
er eine oder andere lokale Oppositionspolitiker zeigte sich kritisch, über Hamburgs Grenzen hinaus spielte der mögliche Deal an der Elbe dagegen keine Rolle. Das hat sich in den vergangenen Monaten geändert. Das vergleichsweise kleine Terminal Tollerort bekam eine riesige Symbolkraft.
Diskussionsteilnehmer bewiesen fachliche Inkompetenz
Denn vielen Politikern ging es längst nicht mehr um die Beteiligung von Cosco an einem Containerumschlagplatz am Wasser, sondern um das deutsch-chinesische Verhältnis in seiner Gesamtheit. Nicht wenige Diskussionsteilnehmer bewiesen fachliche Inkompetenz gepaart mit persönlichem Geltungsdrang. Sie sprachen vom Ausverkauf des Hamburger Hafens und großen Gefahren für eine systemrelevante Infrastruktur.
Dass lediglich über eine Minderheitsbeteiligung an einem Terminal verhandelt wurde, das für 13 Prozent des Umschlags im Hamburger Hafen steht, passte einigen Politikern offensichtlich nicht in ihre zum Teil völlig wirren Argumentationsketten. Und dass Cosco bereits Beteiligungen an zehn europäischen Häfen hält, auch nicht.
Cosco-Deal als politische Gratwanderung
Es wurde diskutiert, gestritten, gepoltert. Und jetzt gibt es einen Kompromiss der Ampelkoalition zur Causa Tollerort. Cosco darf sich mit 24,9 statt 35 Prozent an dem Terminal beteiligen. Ökonomisch und strategisch ist die Reduzierung der Anteile von keiner allzu großen Relevanz. Politisch bedeutet sie eine Gratwanderung.
Auf der einen Seite will die Bundesregierung Peking signalisieren, dass man auch in Zukunft an intensiven Handelsbeziehungen mit dem Reich der Mitte interessiert ist. Auf der anderen Seite soll die Entscheidung zu Tollerort den chinesischen Machthabern Grenzen aufzeigen, auch wenn diese eher virtuell sind.
Deutschland muss China-Signale ernst nehmen
Noch im Sommer 2021 wäre die Cosco-Beteiligung wohl problemlos von der damaligen Bundesregierung abgesegnet worden. Doch die Welt war damals eben auch eine andere. Wladimir Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine hat mittlerweile gezeigt, wie gefährlich allzu große Abhängigkeiten von einzelnen autokratisch regierten Ländern sein können.
Dass deshalb nun das Verhältnis zum autoritären Regime in Peking auf der politischen Agenda steht, ist richtig und notwendig. Denn der schwelende Taiwan-Konflikt, andauernde Menschenrechtsverletzungen sowie die mittlerweile unbegrenzte Machtfülle in der Hand von Staatspräsident Xi Jinping sind Alarmsignale, die Deutschland ernst nehmen muss.
Steinmeier eröffnet wichtige neue Debatte
Die Entscheidung zu Tollerort ist deshalb ein politisch motivierter, ökonomisch aber nicht notwendiger Kompromiss, mit dem der Hamburger Hafen wird leben können. Doch er ist vor allem der Auftakt zu einer sehr viel wichtigeren Diskussion: Wie will Deutschland seine ökonomischen Beziehungen zu China künftig gestalten? Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die Debatte eröffnet, er fordert „das Verringern einseitiger Abhängigkeiten, gerade auch gegenüber China“.
Und Steinmeier weist zugleich auf die Chancen hin, mit demokratischen Staaten in Südostasien die Beziehungen – politisch und ökonomisch – auszubauen. Eine mutige und richtige Initiative des Bundespräsidenten, die allerdings behutsam umgesetzt werden sollte. Denn ein allzu schnelles, rabiates Kappen der Wirtschaftsbeziehungen zum mächtigen Reich der Mitte würde zu massiven Wohlstandsverlusten hierzulande führen.