Hamburg. Selbst die Berufsoptimisten sprechen für Hamburg von sechsstelligen Preisrückgängen. Was Verkäufer nun wissen müssen.

Die Daten und Zahlen sind oft unklar und verwirrend: Je nach Interessenlage, Region und Systematik zeigen neue Studien zur Wohnimmobilienpreisentwicklung entweder schon sinkende Werte oder weiter stark steigende. Doch es ist unübersehbar, dass in Hamburg zumindest Teile des Marktes regelrecht von einem Preisrutsch betroffen sind.

Das zeigt das Beispiel einer modernen Fünfzimmerwohnung in attraktiver, grüner, aber verkehrstechnisch gut angebundenen Lage südlich der Elbe auf dem Onlineportal Immoscout: Vor wenigen Wochen wurde sie dort für 499.000 Euro angeboten, inzwischen liegt die Kaufpreisforderung nur noch bei 399.000 Euro – immerhin ein Minus von 20 Prozent.

Immobilien Hamburg: Makler sehen Trendumkehr

Naturgemäß tun sich alle, die an weiter hohen Preisen interessiert sind, jetzt schwer mit dem Eingeständnis, dass solche Reduktionen längst kein Einzelfall mehr sind. „Die Wohnungsbranche ist seit Monaten bemüht, nach 15 Jahren Miet- und Kaufpreissteigerungsprognosen jetzt von der Trendumkehr abzulenken“, schreibt dazu Werner Rohmert, Herausgeber des Online-Fachmagazins „Der Immobilienbrief“.

Zwar gelten gerade die Immobilienmakler, deren Courtagen direkt vom Preis abhängen, gemeinhin als Berufsoptimisten. Aber selbst in dieser Berufsgruppe gibt es einige, die offen einräumen, dass sich die Verhältnisse grundlegend geändert haben.

Einer von ihnen ist Andreas Gnielka, als Geschäftsführer beim Hamburger Maklerunternehmen Grossmann & Berger verantwortlich für Verkauf und Vermietung von Bestandswohnungen. „Viele Verkäufer tragen sich schon länger als ein Jahr mit dem Gedanken, ihre Immobilie abzugeben, und sie gehen noch von einem Marktumfeld aus, in dem sich das Objekt auch für fünf oder zehn Prozent mehr Geld verkaufen ließ“, sagt Gnielka.

"Man kann wieder über den Preis verhandeln"

„Das ist jetzt vorbei. Jetzt müssen wir den Verkäufern häufiger sagen, dass ihre Vorstellungen sich nicht mehr realisieren lassen. Man kann wieder über den Preis verhandeln.“ Gnielkas Einschätzung der aktuellen Situation dürfte für viele Kollegen recht unbequem klingen. „Im Moment erscheint der Markt teilweise ähnlich ‚eingefroren‘ wie schon einmal kurz zu Beginn der Corona-Pandemie“, sagt er und fügt an: „Diesmal scheint die Nachfrageschwäche nicht so deutlich, aber nachhaltiger zu sein.“

Wie der Geschäftsführer des zur Haspa-Gruppe gehörenden Maklerunternehmens Grossmann & Berger beobachtet, haben sich die „Vermarktungszeiten ganz klar verlängert“. Ganz besonders gelte das für große, unsanierte Einfamilienhäuser, die aus den 1970er-Jahren stammen oder noch älter sind. Denn: „Über den potenziellen Käufern hängt das Damoklesschwert der Nebenkosten, die sich schon verdoppelt haben und die sich sogar noch verdreifachen könnten.“

"Verhältnisse haben sich komplett verändert"

Auf der Nachfrageseite sei ein komplettes Käufersegment weggebrochen, sagte Gnielka: „Man könnte es die ‚Schwellenhaushalte‘ nennen, die sich noch im Dezember oder Januar ein kleines Reihenhaus am Stadtrand leisten konnten, unter den neuen Bedingungen mit höheren Zinsen und stark gestiegenen Belastungen durch die Nebenkosten aber keinen Kredit von der Bank mehr bekommen würden.“

Ganz ähnliche Erfahrungen macht ein erfahrener mittelständischer Immobilienmakler aus dem Süderelbe-Raum. „Viele Eigentümer wollen noch nicht wahrhaben, dass sich die Verhältnisse seit Jahresbeginn komplett geändert haben“, sagt der Unternehmer, der nicht namentlich genannt werden möchte. „Die Banken berücksichtigen bei ihren Darlehensentscheidungen die gestiegene Belastung der potenziellen Kreditnehmer durch die höheren Zinsen, die inzwischen erheblich gestiegenen Nebenkosten und die erhöhten Umbaukosten, sie verlangen aber auch wieder vermehrt ein Eigenkapital von mindestens 20 bis 25 Prozent des Gesamtwerts. Damit kommt in vielen Fällen die Finanzierung dann gar nicht mehr zustande.“

"In den normalen Lagen werden die Kaufpreise purzeln"

Allerdings müsse man in Hamburg nach der Lage des Objekts unterscheiden: „In gefragten und angesagten Lagen an Alster und Elbe, aber auch etwa in Eppendorf oder Ottensen übersteigt die Käufernachfrage das Angebot weiter deutlich“, sagt der selbstständige Makler. „Dort wird man eher keine Rückgänge bei den Kaufpreisen sehen.“ Zumindest bei den Eigentumswohnungen würden in diesen Lagen die geforderten Kaufpreise gezahlt, auch weil dort die Finanzierung nicht selten eine „untergeordnete Rolle“ spiele.

„Aber in den normalen Lagen werden die Kaufpreise purzeln – und das hat teilweise schon begonnen.“ Davon betroffen seien vor allem Einfamilienhäuser, die nicht den heutigen Ansprüchen an die Wärmedämmung entsprechen und für die damit sehr hohe Energiekosten anfallen. Manche Eigentümer, aber auch Maklerunternehmen, hätten jedoch offenbar „die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt“. Sie seien „immer noch mit hohen Preisvorstellungen am Markt“.

Immobilien Hamburg: Preise werden noch stark nachgeben

Dem bundesweit tätigen Online-Makler Homeday kann man den Vorwurf der Beschönigung nicht machen. Nach Angaben der im Jahr 2015 gegründeten Firma erwarten 60 Prozent der gut 210 für Homeday tätigen selbstständigen Maklerinnen und Makler, dass die Immobilienpreise im zweiten Halbjahr 2022 fallen. Wie die im August vorgenommene Befragung ergab, gehen sogar 65 Prozent der Partnermakler von einem Rückgang im kommenden Jahr aus.

Auch Gnielka ist überzeugt: „Der Zenit der Preisentwicklung liegt hinter uns.“ Nach Einschätzung des Geschäftsführers von Grossmann & Berger werden die Preise „stagnieren, teilweise aber um fünf, zehn oder sogar 15 Prozent nachgeben – abhängig vom jeweiligen energetischen Zustand und der Größe“.

Man dürfe dabei aber nicht vergessen, so Gnielka, „dass die Preise selbst mit solchen Abschlägen noch auf dem Niveau von 2019 oder 2020 liegen“. Für Immobilieneigentümer, denen ihr Haus oder ihre Wohnung seit zehn oder mehr Jahren gehöre, habe sich der Wert dann immer noch mehr als verdoppelt.