Hamburg. Anlagen sind noch heil, aber der Betrieb ruht weitgehend. Mitarbeiter im Kriegsdienst bisher unversehrt. So ist die aktuelle Lage.
Positive Nachrichten aus der Ukraine sind in diesen Zeiten etwas Besonderes. Doch Philip Sweens kann sie tatsächlich vermelden. Der Chef des Geschäftsbereichs International beim Hafenkonzern HHLA ist unter anderem für das Terminal des Hamburger Unternehmens in Odessa, der Hafenstadt am Schwarzen Meer, verantwortlich.
Zwar ist der dortige Hafen seit dem Überfall russischer Truppen auf die Ukraine geschlossen und das Terminal wurde der Militärverwaltung unterstellt. „Die gute Nachricht ist aber, dass noch alles intakt und heil ist“, sagt Sweens, der tags zuvor mit seinem Krisenstab vor Ort eine Videokonferenz hatte. Leitungen und Stromversorgung stehen nach wie vor.
Hafen Hamburg: HHLA-Anlagen in Odessa noch heil
Alles funktioniert – trotz vermehrter Raketenangriffe auf Odessa. „Wir hatten Befürchtungen, als es zum Beschuss von Öltanks im Hafen kam“, sagt Sweens. „Nicht so sehr, dass dies bei uns für Schäden hätte sorgen könnte – die Öltanks sind acht Kilometer Luftlinie entfernt –, sondern weil wir nicht wussten, ob die Treibstoffversorgung für unsere Maschinen ausbleiben würde.“ Aber auch das sei nicht der Fall.
Seit mehr als vier Monaten kommuniziert Sweens, der auch für die Auslandsterminals der HHLA im estnischen Tallin und im italienischen Triest im Mittelmeer die Verantwortung trägt, mit seinen Mitarbeitern in Odessa nur noch über Telefon und Videokonferenzen – alle sind Ukrainer. Deutsche HHLA-Mitarbeiter befinden sich nicht mehr vor Ort.
„Wir geben noch Container aus"
Der seeseitige Umschlag sei bei Kriegsbeginn eingestellt worden. Der Betrieb auf dem Terminal laufe stark eingeschränkt. „Wir geben noch Container aus oder nehmen sie in Empfang, mehr aber nicht“, sagt Sweens. Von den ursprünglich 480 Beschäftigten sei nur noch eine Rumpfmannschaft auf dem Terminal, etwa zur Wartung der Maschinen oder zur Bewachung der Anlagen. Löhne und Gehälter würden aber an alle weitergezahlt. Ob sich auch externe Sicherheitskräfte oder sogar militärische Abwehreinrichtungen auf dem Terminal befinden, dazu möchte Sweens nichts sagen.
Eine niedrige zweistellige Zahl der ukrainischen HHLA-Mitarbeiter sei bisher von den Behörden zum Militärdienst einberufen worden. Deren Verbleib ist somit nicht gesichert. „Die Behörden sagen uns nichts. Unser Krisenstab hält aber den Kontakt zu den Familien. Nach dem, was sie erfahren, sind alle wohlauf.“ Die anderen Mitarbeiter würden derzeit viel zu Hause sitzen. Diejenigen, die der Verwaltung angehören, könnten sogar ganz im Homeoffice arbeiten. Die anderen würden sich bei der Instandhaltung und Wartung des Terminals abwechseln. „Da wir aber nicht wissen, wie lange der Krieg dauert, müssen wir damit rechnen, dass noch weitere Mitarbeiter eingezogen werden.“
„Wir erwarten nur moderate Auswirkungen"
Außer den drei Containerterminals in Hamburg, sowie den Beteiligungen am Hansaport und an Unikai betreibt der Hafenkonzern im Ausland nur die drei eigenen Terminals in Odessa, in Tallin und Triest. Seit 2001 ist die HHLA in der Ukraine aktiv. Ihr Containerterminal CTO ist das größte im Hafen von Odessa und für die Versorgung der Ukraine von zentraler Bedeutung. Etwa 400.000 Boxen hat die HHLA hier im vergangenen Jahr umgeschlagen. Ein wesentlicher Teil der Investitionen der HHLA in dieses Terminal in Höhe von 170 Millionen Euro sind bereits amortisiert. Der Anteil Odessas am Gesamtumschlag, am Umsatz und Ergebnis des Gesamtkonzerns lag im Geschäftsjahr 2021 aber nur im niedrigen bis mittleren einstelligen Prozentbereich.
Das betont die HHLA immer wieder, nachdem es bei Analysten und Aktionären Sorgen gab, auf die HHLA könnten wegen des Terminalausfalls hohe finanzielle Belastungen zukommen. „Wir erwarten nur moderate Auswirkungen durch die Schließung des CTO auf unser Geschäft“, hatte Vorstandschefin Angela Titzrath erst vor wenigen Tagen auf der Hauptversammlung erklärt.
Investitionen der HHLA abgesichert
Ob und wann die HHLA die Arbeit in der Ukraine wieder aufnehmen kann, ist wegen des Krieges nicht vorhersehbar. „Wir sind aber von der strategischen Bedeutung des Terminals weiter überzeugt und halten daran fest, so lange es geht“, heißt es aus dem Unternehmensvorstand.
Die notwendigen Mittel dazu habe die HHLA. Sollte das Terminal am Ende in russische Hände fallen, seien die Investitionen der HHLA durch Bundesgarantien für Direktinvestitionen im Ausland abgesichert. Diese deckten im Enteignungsfall sowie bei Bruch von rechtsverbindlichen Zusagen staatlicher oder staatlich kontrollierter Stellen einen wesentlichen Teil der aktuellen Vermögenswerte des Terminals in Odessa ab.
Angehörige wurden nach Hamburg gebracht
Hunderte Verwandte von HHLA-Mitarbeitern hatten sich nach Kriegsausbruch ins benachbarte rumänische Konstanza gerettet. Rund 180 Beschäftigte und deren Angehörige wurden zudem auf eigenen Wunsch nach Hamburg gebracht und kamen zunächst bei HHLA-Mitarbeitern vor Ort unter. „Inzwischen haben die meisten eine eigene Wohnung“, sagt Sweens. „Unsere Beschäftigten hatten sie bei Renovierungen und mit Möbelspenden tatkräftig unterstützt.“
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Auch das Management habe sich daran beteiligt. Zehn Kinder von ukrainischen Flüchtlingen erhalten zudem in der Unternehmenszentrale Deutschunterricht. Darüber hinaus hat die HHLA einen Hilfsfonds in Höhe von einer Million Euro aufgelegt. So will die Hafenfirma der Bevölkerung in der Region Odessa schnell und zielgerichtet helfen. Etwa 70 Familienangehörige würden noch in Hotels in Konstanza betreut. „Einige sind aber auch zu ihren Männern in die Ukraine zurückgekehrt.“
HHLA in Odessa: Sweens hofft auf baldiges Kriegsende
Sweens hofft jetzt darauf, dass der Krieg schnell endet. „Wir könnten das Terminal praktisch von heute auf morgen wieder hochfahren.“ Länger wird es wohl dauern, die seewärtigen Zufahrten zum Terminal freizuräumen. Denn sie sind komplett vermint, sodass kein Schiff gefahrlos ein- oder auslaufen kann.