Hamburg. Sechste Verhandlungsrunde ohne Ergebnis. Arbeitgeber fordern Schlichtungsverfahren – und richten sich auf Arbeitskampf ein.

Auch die sechste Verhandlungsrunde im Tarifkonflikt um Löhne und Gehälter für die rund 12.000 Hafenarbeiter in den deutschen Seehäfen ist gescheitert. Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di teilte am Mittwochnachmittag mit, dass sie ein nochmals nachgebessertes Angebot der Arbeitgeberseite ablehne. „Unserer Forderung nach einem echten Inflationsausgleich kommen die Arbeitgeber mit dem jetzt vorliegenden Angebot nicht in ausreichendem Maße nach“, sagte die Verhandlungsführerin der Gewerkschaft Maya Schwiegershausen-Güth.

Sie forderte den Zentralverband der deutschen Seehäfen (ZDS) zu Nachverhandlungen auf. Schwiegershausen-Güth betonte, dass Ver.di ein Ergebnis am Verhandlungstisch erzielen wolle und im Gegensatz zur Arbeitgeberseite aktuell keine Notwendigkeit für einen Schlichter sehe. Das klang fast nachgiebig – so, als ginge es nur noch um Kleinigkeiten, die man schnell lösen könne.

Hafen Hamburg: Hafenarbeiter lehnen 12,5 Prozent Lohnerhöhung ab

Tatsächlich ist der Konflikt in einer weit bedrohlicheren Phase. Das wird deutlich, wenn man die Erklärung des Zentralverbands der deutschen Seehäfen (ZDS) daneben legt. Die Arbeitgeber wollen von weiteren Verhandlungen nichts wissen. Sie hätten ihre Angebote wiederholt verbessert und seien sogar auf die Ver.di-Forderungen eingegangen, die Inflationsrate zu übertreffen. Ver.di habe aber keinerlei Kompromissbereitschaft gezeigt. „Wir brauchen dringend ein Schlichtungsverfahren“, sagte die Verhandlungsführerin der Arbeitgeber, Ulrike Riedel.

Es liege ein Angebot von bis zu 12,5 Prozent auf dem Tisch. Das umfasse auch eine rückwirkend zum 1. Juni gültige, dauerhafte Lohnerhöhung von bis zu acht Prozent. Die Arbeitgeber lägen mit diesem Angebot über der sehr hohen Inflationsrate und weit über dem, was Ver.di und andere Gewerkschaften in anderen aktuellen Verhandlungen fordern und abschließen würden. „Mehr als das können wir uns nicht leisten, ohne den Fortbestand von Unternehmen zu gefährden“, so Riedel.

Hafen Hamburg: Arbeitgeber "entsetzt über Vorgehen von Ver.di"

Hinter vorgehaltener Hand klingt der Frust noch deutlicher heraus: „Wir sind entsetzt über das Vorgehen von Ver.di“, hieß es aus Arbeitgeberkreisen. Die Bundestarifkommission sei in sich zerstritten und nicht mehr handlungsfähig.

Der Konflikt setzt den Hamburger Hafen weiter unter Druck. Noch immer leidet er massiv unter den gestörten Lieferketten. So wächst der Stau von Containerschiffen in der Nordsee weiter an. Inzwischen stünden dort mehr als zwei Prozent der globalen Frachtkapazität still und könnten weder be- noch entladen werden, teilte das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) am Mittwoch mit. „Ein Ende der Staus in der Containerschifffahrt ist derzeit nicht in Sicht“, sagte der IfW-Wissenschaftler Vincent Stamer. Dies sei für die Nordsee sehr ungewöhnlich.

Hafen Hamburg: Am Mittwoch ging es um die Laufzeit des Tarifvertrags

Schon vor zwei Wochen hatte die Arbeitgeberseite eigentlich nicht mehr weiterverhandeln wollen: Nachdem die Gegenseite ein weiteres Angebot – das letzte, wie es hieß – zurückgewiesen hatte, wollte die Führung des ZDS in die Schlichtung gehen, weil sie für weitere Verhandlungen keine Perspektive mehr sah. Doch ein zweiter Warnstreik, der den Hafen für 24 Stunden lahmlegte, zwang die Arbeitgeber zurück an den Verhandlungstisch. Auch die fünfte und nun die sechste Gesprächsrunde blieben ohne Erfolg. „Von Verhandlungsrunden sprechen wir gar nicht mehr, weil in den letzten Gesprächen eigentlich nur noch Kosmetik betrieben wurde“, sagte eine mit der Sache vertraute Person.

Bei den Gesprächen am Mittwoch ging es dann vor allem um die Laufzeit des Tarifvertrags. Nach Informationen des Abendblatts ist der ZDS den Forderungen der Gewerkschaft zu großen Teilen gefolgt, beharrt aber auf einen Abschluss mit 24 Monaten Gültigkeit. Ver.di hingegen will ein Sonderkündigungsrecht nach 12 Monaten für den Fall vertraglich zugesichert haben, dass die Inflation dann noch jenseits von vier Prozent liegt.

Tarifstreit: Das war das "finale" Angebot der Arbeitgeber

Das zweite „finale“ Angebot sieht eine Erhöhung der Grundstundenlöhne für alle Lohnklassen um 1,20 Euro in Vollcontainerbetrieben und 90 Cent an den Autoterminals vor. Die Zulage von 3338 Euro soll um 1500 Euro aufgestockt werden, in konventionellen Betrieben um 750 Euro. Hinzu kommt für die Containerbetriebe eine Einmalzahlung von 700 Euro. In Unternehmen mit Beschäftigungssicherung sollen die Grundstundenlöhne um 3,5 Prozent steigen.

Ab Juni kommenden Jahres ist bei den Containerbetrieben eine weitere Erhöhung der Stundenlöhne und Zulagen um weitere 3,1 Prozent geplant. Zusammengerechnet ergäben sich für Hafenarbeiter in Vollcontainerbetrieben ein Lohnplus von 12,5 Prozent, in konventionellen Betrieben von 9,6 Prozent – für 24 Monate. Auf ein Jahr heruntergerechnet fiele das Plus folglich geringer aus.

HHLA rechnet mit um 40 Millionen Euro höheren Ausgaben

Für die Arbeitgeber würde dies deutlich steigende Personalkosten bedeuten. Die HHLA rechnet für die zwei Jahre mit 40 Millionen Euro zusätzlicher Lohn- und Gehaltsausgaben. Hier muss man allerdings auch erwähnen, dass allein die vier Vorstände des Hafenkonzerns im vergangenen Jahr inklusive erfolgsabhängiger Tantiemen laut Vergütungsbericht mehr als 3,2 Millionen Euro verdienten.

Gleichwohl wäre es eine Belastung für das Unternehmen, das dem eigenen Geschäftsbericht zufolge unsicheren Zeiten entgegensieht. Die Ladungsmengen des Hauptkunden Chinas sinken und die Risiken, dass Ladung von Reedereien in andere Häfen verschoben wird, steigen. Vorstandschefin Angela Titzrath selbst geht davon aus, dass der Gewinn in diesem Jahr geringer ausfallen könnte als 2021. Bei der Hauptversammlung vor einigen Tagen sagte sie: „Beim Ebit (Ergebnis vor Zinsen und Steuern) trauen wir uns zu, in einer Bandbreite zwischen 175 bis 210 Millionen Euro zu landen.“ Im vergangenen Jahr betrug es zum Vergleich noch 228 Millionen Euro.

Hafen Hamburg: HHLA rechnet mit weiterem Streik der Hafenarbeiter

Zudem steht die HHLA unter einem großen Automatisierungsdruck, um die eigenen Umschlagprozesse zu beschleunigen und den Modernisierungsbemühungen der Wettbewerbshäfen zu folgen. Eine geplante Fusion mit den Containerterminals des Wettbewerbers Eurogate ist wie berichtet vorerst gescheitert. Schließlich wächst der Stau von Containerschiffen auf der Nordsee, die darauf warten in Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven abgefertigt zu werden. Deshalb warnen die Häfen die Gewerkschaften davor, den Konflikt in die Länge zu ziehen. „Eine weitere Eskalation ist vollkommen unverhältnismäßig und schadet nicht nur uns, sondern Deutschland insgesamt“, heißt es in der gestrigen Erklärung.

Angesichts der Vielzahl ihrer Herausforderungen will die HHLA ihre offene Flanke im Tarifkonflikt schnell schließen. Doch danach sieht es derzeit nicht aus. Dem ZDS zufolge wollen Ver.di und Betriebsräte in den kommenden Tagen zunächst den Beschäftigten in Mittagspausen den Stand der Verhandlungen erklären und sich ein Mandat für das weitere Vorgehen einholen. Bei der HHLA heißt es bereits: „Wir richten uns auf weitere Arbeitskampfmaßnahmen ein.“