Berlin. In China setzen E-Autobauer auf Batteriewechselstationen. Das spart Zeit und ist preiswert. Nun kommt die Technik nach Deutschland.
Es ruckelt leicht, als die Reifen die Einfahrhilfe touchieren. Dann wird das Auto in seine Bahn gelenkt, ehe es in vorgesehener Position stoppt. Jetzt heißt es Motor aus und warten. Das Auto wird aufgebockt, wieder ruckelt es. Ein kurzer Moment Pause, ein Surren. Dann ruckelt es zum dritten Mal, das Auto senkt sich wieder. Fertig.
Die Anlage, die am Berliner Westhafen versteckt hinter einem großen Getreidesilo liegt, erinnert an eine Waschanlage: eine Einfahrhilfe, ein kleines Kabuff, in dem ein Mitarbeiter auf Monitoren prüft, ob alles in Ordnung ist, eine überdachte Haltefläche und eine Ausfahrt. Doch hier werden keine Autos gewaschen. Hier werden Batterien getauscht. Und das in Windeseile.
Glaubt man demjenigen, der diese Anlage entwickelt hat, wird diese waschanlagenähnliche Station die Tankstelle von morgen sein. „Diese Technik wird die Elektromobilität hierzulande revolutionieren“, sagt Dieter Flämig. Der 72-Jährige ist ein Tausendsassa: promovierter Maschinenbauingenieur, Hochschullehrer, ehemaliger Staatssekretär des Landes Berlins, Ex-Vorstand bei der Bundesarbeitsagentur. Und Unternehmer. Flämig will nicht weniger als die derzeitige Entwicklung bei der Elektromobilität in eine neue Richtung lenken.
Elektroautos: Ladesäulennetz schreckt viele noch vom Kauf ab
Die Zukunft des Autoverkehrs ist elektrisch. So will es die Bundesregierung, darauf ist die Förderung ausgerichtet. Und auch die deutschen Autobauer ziehen mit aller Konsequenz mit, nachdem ihnen Elon Musk mit dem rasanten Erfolg von Tesla davongedüst war.
Doch obwohl die Förderung für rein elektrische Fahrzeuge von bis zu 9000 Euro üppig ist, hadern viele noch mit dem Kauf eines Stromers. Umfragen zufolge liegt das an der Sorge, keine Ladesäule zu finden. Auch der eigentliche Ladevorgang schreckt viele noch ab.
Elektroautos: China setzt auf Batteriewechselstationen
Während das Auto an der Haushaltssteckdose je nach Art auch gut und gern mal mehr als zehn Stunden am Netz hängen kann, geht es mit Schnellladestationen zwar deutlich fixer. Rund eine halbe Stunde Zeit sollte man aber in den meisten Fällen trotzdem mitbringen.
In China hingegen setzt man auf ein anderes Modell: Batteriewechselstationen. Die Idee ist simpel: Man fährt zu der Station, das Auto wird aufgebockt, die leere Batterie gegen eine volle getauscht und weiter geht’s.
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Am Flughafen BER könnte eine erste Station in Deutschland entstehen
Diese Technik soll nun auch in Deutschland Einzug halten. Dafür hat Flämig zusammen mit seinem Geschäftspartner Alexander Yu Li die Firma Inframobility-Dianba gegründet. In einer Kooperation mit dem Shanghaier Unternehmen Aulton Dianba sollen nun die Tankstellen der Zukunft im Eiltempo ausgerollt werden.
Mit dem Mineralölkonzern Total Energies laufen dafür Verhandlungen über eine erste Station am Hauptstadtflughafen BER. Während die Abfertigung bei der Pilotanlage am Westhafen noch drei Minuten benötigt, soll am Flughafen Berlin-Brandenburg die Zeit von der Einfahrt zur Anlage bis zur Ausfahrt lediglich eine Minute dauern, der eigentliche Batteriewechsel sogar in 20 Sekunden erledigt sein.
Zunächst sollen Taxis die Stationen nutzen
Als Zielgruppe will sich das 2019 gegründete Unternehmen zunächst auf diejenigen konzentrieren, für die lange Ladezeiten teuer sind: Taxifahrer und E-Flotten-Betreiber. Flämig und Li denken groß. Bis 2030 könnten bundesweit 25.000 E-Taxen an 150 Wechselstationen ihre Batterien tauschen. Und was bei Taxen und Sharingdiensten gut ankomme, werde dann auch für Verbraucher interessant, so die Rechnung. „Man wird an unserer Technik nicht vorbeikommen“, sagt Flämig.
Schon jetzt gehe der Ladesäulenausbau zu langsam voran für das von der Bundesregierung gesteckte Ziel, bis 2030 mindestens 15 Millionen E-Autos auf die Straße zu bringen. Auch die Ortsnetze müssten ertüchtigt werden. Deutlich schneller gehe es, ein Netz von Batteriewechselstationen hochzuziehen, glaubt Flämig.
Wechsel und Leasing sollen nicht mehr als 65 Cent pro Kilowattstunde kosten
Und noch einen Punkt hält Flämig für entscheidend: Die Tankstellen hätten ein Interesse daran, Alternativen zu finden, mit denen sie überlebensfähig bleiben. Autofahrer könnten in Zukunft eine Art kleinen Leasingvertrag mit den Tankstellenpartnern abschließen, die dann die Batterien tauschen. Kosten soll der Wechsel mit Leasing dann nicht mehr als 65 Cent pro Kilowattstunde für die bezogene Strommenge.
Da die Batterien schonend aufgeladen werden würden, würde sich zudem die Lebensdauer der Akkus um den Faktor zwei bis drei erhöhen.
Die deutschen Autobauer ziehen nicht mit
Was in der Theorie logisch klingen mag, hat in der Praxis einen entscheidenden Haken: Die deutschen Autobauer machen nicht mit. Um die Batteriewechselstationen nutzen zu können, braucht man ein Universalgehäuse.
Infra-Dianbas Joint-Venture-Partner Aulton hat zwar bereits 14 Hersteller, die in China auf solche Gehäuse setzen – nur sind Marken wie Changan, Dongfeng oder Venucia hierzulande nicht erhältlich. Immerhin: Mit FAW und SAIC setzen auch Kooperationspartner von VW, mit BAIC ein Partner von Daimler auf die Technik.
„Die Autobauer liefern sich in Deutschland bei der Elektromobilität einen harten Kampf darum, wer besser ist. Die Batterie ist ein entscheidender Faktor, um sich abzuheben“, sagt Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des Duisburger CAR-Center Automotive Research. Das Interesse an Batteriewechselstationen sei daher derzeit hierzulande nicht gegeben.
Ein ähnliches Projekt scheiterte bereits
Ist das Projekt von Flämig und Li also zum Scheitern verurteilt? Schon einmal war die Idee der Batteriewechselstation populär. 2007 gründete der frühere SAP-Manager Shai Agassi das Unternehmen Better Place, das die Elektromobilität unter anderem mit den Wechselstationen salonfähig machen sollte. Sechs Jahre später war die Firma insolvent.
Diese Geschichte muss sich aber nicht zwangsläufig wiederholen. „Man sollte das Konzept sehr ernst nehmen“, sagt Autoexperte Dudenhöffer. Auch in China habe man zunächst damit begonnen, die Taxiflotten mit Wechselbatterien auszustatten.
Anschließend etablierten sich die Stationen in den Städten auch für die Verbraucher. „China ist der wichtigste Absatzmarkt der Welt, natürlich wird diese Entwicklung auch von den deutschen Herstellern wahrgenommen“, meint Dudenhöffer. Sollte es in Deutschland gelingen, in den Metropolen die Technik zu etablieren, habe sie eine Chance, parallel zu den Ladestationen zu bestehen. Einen großen Markt sieht Dudenhöffer neben Taxis auch für Lkw. „Die kann man im täglichen Einsatz nicht einfach mal zwei Stunden abstellen zum Aufladen“, sagt er.
Eine Anlage kostet 800.000 bis eine Million Euro
Auch Alexander Yu Li und Dieter Flämig haben das Potenzial der Nutzfahrzeuge entdeckt. „Im nächsten Schritt konzentrieren wir uns darauf, den Batteriewechsel für Busse und Lkw anzubieten“, sagt Li. Zunächst aber sollen die Taxis an der Reihe sein.
Den Basispreis für eine Anlage beziffert das Unternehmen auf 800.000 bis eine Million Euro – eine Investition, die laut Flämig und Li auch eine Art Überlebensversicherung für die Tankstellen sein kann. „Die Tankstelle der Zukunft wird anders aussehen. Sie wird den gewohnten Komfort mit Verkaufsräumen haben. Aber sie wird auch mit einer Batteriewechseltechnik ausgestattet und damit preislich wieder attraktiv sein“, glaubt Flämig.