Grünheide. Elon Musk hat die Tesla-Fabrik in Grünheide nahe Berlin offiziell eröffnet – nach nur rund zwei Jahren Bauzeit. So lief die Eröffnung.
Als er das vierte Auto übergibt, ist Elon Musk in seinem Element. Satte Bässe wummern, der selbst ernannte „Technoking“ tanzt über die Fläche der Gigafactory. Die geladenen Besucher jubeln, Handys werden gezückt. Musk geht in die Knie, wirft die Arme nach vorne. Es ist Party. Seine Party.
Die Gigafactory in Grünheide, 35 Kilometer südöstlich von Berlin, ist seit Dienstag offiziell eröffnet. Rund sechs Milliarden Euro hat sie gekostet, 500.000 E-Autos sollen bald vom Band rollen, wenn die maximale Produktionskapazität erreicht ist. Parallel wird derzeit noch eine Batteriefabrik gebaut. Steht sie, wird Tesla 12.000 Beschäftigten eine Arbeit bieten – in einem Ort, der gerade einmal 8900 Seelen zählt.
Gigafactory von Tesla: Wie ein Ufo in der Mark
Noch immer scheint es alles unwirklich, hier in Grünheide. Als wäre im märkischen Sand ein gigantisches, graues Ufo gelandet. Auf den hohen Fassaden befinden sich Zeichnungen, die Silhouette eines Frauenkörpers, in schwarz, mit pupillenlosen, weißen Augen vor einer Produktionslinie.
Einladend ist anders. Aber so wirklich einladend will Tesla auch gar nicht sein. Visionär, digital, anders – das ja. Aber einladend? Vieles läuft anders bei dem US-amerikanischen E-Auto-Pionier, den es mit seinem ersten europäischen Werk ausgerechnet in die Provinz nach Brandenburg verschlagen hat.
Tesla ist viermal so viel wert wie VW, BMW und Daimler zusammen
20 Autominuten vom Hauptstadtflughafen BER entfernt – dessen Bauzeit siebenmal so lang wie die von Tesla dauerte – produziert auf einmal der nach Marktkapitalisierung wertvollste Autobauer der Welt, der an der Börse viermal so viel wert ist wie Volkswagen, Daimler und BMW zusammen.
In einer Gemeinde, in der die Freiwillige Feuerwehr in der Gemeindevertretung mit zwei Sitzen genauso stark vertreten ist wie die CDU, die von einem parteilosen Bürgermeister regiert wird und deren Hauptattraktion zwölf Seen sind, von denen sich acht wie an einer Perlenschnur aneinanderreihen.
Teslas aus Deutschland: Grünheide wird Zeuge des Umbruchs
Nun wird diese Gemeinde Zeuge eines Umbruchs. Tesla treibt die deutschen Autobauer vor sich her, hat den derzeitigen Siegeszug der Elektromobilität massiv beschleunigt. 936.172 Stromer verkaufte Tesla im vergangenen Jahr weltweit, mehr als doppelt so viele wie noch ein Jahr zuvor.
Die Fabrik in Grünheide soll das Wachstum weiter ankurbeln. Entsprechend ist die Eröffnung am Dienstag eine große Show. Und Elon Musk lässt keinen Zweifel daran aufkommen: Es ist seine Show. Musk sucht nicht die Nähe der Politikgrößen, um zu glänzen, sie suchen ihn. Als die offizielle Eröffnung beginnt und Musk mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) die modernen Werkshallen betritt, verstummt die Musik. Die Besucher jubeln Musk zu.
Elon Musk wirkt erst entfesselt, als die Politprominenz schon weg ist
Woidke und Scholz eröffnen mit Reden, die auch in einen Wahlkampf passen würden. „Mittlerweile weiß ganz Europa und ein großer Teil der Welt, wo Grünheide ist – in Brandenburg“, tönt Woidke. Kanzler Scholz sieht in der Fabrik ein Zeichen, dass die Einheit Deutschlands funktioniere. Der Osten Deutschlands sei vorne mit dabei, sagt Scholz und mahnt, in Zeiten der Unsicherheit an der Globalisierung festzuhalten.
Musk selbst ist in solchen Situationen kein großer Redner, er stottert leicht, spricht davon, dass man Hoffnung für die Zukunft haben könne. Erst als die Politprominenz abgezogen ist, kommt Musk zur lauten Musik aus sich heraus. 30 Teslas des Model Y wird er an diesem Tag an neue Besitzer überreichen, mit ihnen allen spricht Musk, macht Selfies, lacht, tanzt. Die Tesla-Fans sind aus dem Häuschen.
Tesla-Fabrik in Grünheide: 861 Tage von Ankündigung bis Eröffnung
Auch das ist ein Grund, warum diese Fabrik in Rekordgeschwindigkeit in den märkischen Sand gesetzt werden konnte. Gerade einmal 861 Tage liegen zwischen dem Abend im November 2019, als Elon Musk bei der Preisverleihung des „Goldenen Lenkrads“ die deutsche Öffentlichkeit mit der Ankündigung seines Projekts überrumpelt, und der Inbetriebnahme der Fabrik.
Während sich sonst Unternehmen durch jahrelange Genehmigungsverfahren quälen, ehe sie mit dem Bau zu beginnen, legte Tesla einfach los. Holzte die Kiefern ab, planierte große Teile des 302 Hektar großen Areals und zog die Fabrikhallen hoch. Und um es den Umweltschützern recht zu machen, siedelte Tesla Zauneidechsen und Ameisen um und baute Nisthilfen und Kästen für Vögel und Fledermäuse. Alles auf eigenes Risiko.
Tesla in Grünheide: Projekt durfte nicht scheitern
Wären die Genehmigungen gescheitert, hätte Tesla alles zurückbauen müssen. „Das Risiko geht eigentlich niemand ein“, erkennt auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck an. Braucht es also mehr Elon Musks hierzulande? Ein bisschen mehr von diesem Geist würde jedenfalls nicht schaden, findet der Grünen-Politiker.
Politisch war klar: Das Projekt darf nicht scheitern. Niemand wollte dafür verantwortlich sein, dass eines der wohl größten Unternehmergenies sich erst für Deutschland entscheidet und dann das Land blamiert, weil hierzulande alles langsam, bürokratisch und analog vonstattengeht. Manch Unternehmer wird sich verwundert die Augen gerieben haben, wie flüssig und glatt es laufen kann, wenn alle Behörden zusammenarbeiten.
Neue Tesla-Fabrik: Für deutsche Verhältnisse unglaublich schnell gebaut
Elon Musk ging es trotzdem nicht schnell genug. Der mit einem Vermögen von rund 242 Milliarden US-Dollar (rund 220 Milliarden Euro) reichste Mensch der Welt hätte seine Fabrik schon im Juli des vergangenen Jahres eröffnen wollen. So sehr sich die deutschen Behörden und die Politik auch mühten, sie konnten es ihm nicht recht machen.
In einem Frust-Brief klagte Tesla über die Bürokratie. Niemand wagte es, dagegen zu halten, ihn auf die für deutsche Verhältnisse außergewöhnliche Geschwindigkeit des Projekts hinzuweisen. Zum einen, weil sich viele Verantwortliche sehr wohl bewusst sind, dass Deutschland sich mit seiner Bürokratie in vielen Wettbewerbszweigen selbst abhängt.
Zum anderen aber auch, weil offener Widerspruch gegen Musk politisch schädlich sein kann. Wer ihn kritisiert, läuft Gefahr, in einen Shitstorm zu geraten. Wer von Musk beachtet wird, darf sich im Glanz sonnen.
Tesla-Gründer: Elon Musk gilt als Genie – und Enfant terrible
Auf diesen Glanz waren einige derart aus, dass die Berichte über die „Produktionshöllen“, von denen Musk selbst spricht, während der rasanten Bauzeit in Vergessenheit gerieten. Nur ist Elon Musk eben nicht nur ein Genie, das die Autoindustrie umkrempelt, wiederverwendbare Raketen ins All schießt und mit seinem Satellitennetzwerk Starlink Menschen in Not, etwa bei der Flutkatastrophe im Ahrtal oder derzeit in der Ukraine hilft.
Elon Musk ist immer auch ein Enfant terrible, jemand, der es mit Regeln nicht so genau nimmt und Sorgen, die nicht seine eigenen sind, gerne ins Lächerliche zieht. Einer, der sich den USA einen Spaß daraus macht, Börsenkurse zu beeinflussen und sich von der Börsenaufsicht SEC offiziell als „Technoking“ ansprechen lässt. Der die Corona-Ausgangssperren in Kalifornien als „faschistisch“ bezeichnete und Kanadas Premierminister Justin Trudeau mit Hitler verglich.
Mit Elon Musk aufzutreten ist immer ein Risiko
Auftritte mit Elon Musk lassen sich nicht planen. Das musste auch Armin Laschet schmerzlich lernen. Er traf im Bundestagswahlkampf im vergangenen August Musk in Grünheide, seine Umfragewerte waren bereits im Keller. Musk sollte den angeschlagenen CDU-Politiker neuen Glanz verleihen. Stattdessen lachte Musk den Kanzlerkandidaten aus, als dieser die Frage stellte, ob die Zukunft des Autos elektrisch oder mit Wasserstoff sei.
Auch auf die Frage eines Journalisten, ob die neue Tesla-Fabrik ein Problem für die Wasserversorgung werde, amüsierte Musk. „Kommt Ihnen das wie eine Wüste vor“, fragte er und hielt sich vor Lachen den Bauch. Laschet stand grinsend daneben.
Tesla-Fabrik: Auch nach der Eröffnung sind viele Konflikte noch offen
Andere finden das gar nicht zum Lachen. So sorgen sich Anwohner in Grünheide und der Region, dass es bald aus dem Wasserhahn oder dem Duschkopf nur noch tröpfelt. Zu große Mengen Wasser braucht Tesla für seine Batteriefertigung, aber auch für die Gießerei und Lackiererei, die Kühltürme oder die Endmontage, fürchten Umweltschützer.
Die Grüne Liga und der Naturschutzbund klagten daher gegen Tesla, weil sie die Wasserversorgung der Region gefährdet sahen. Am Dienstag demonstrierten sie vor den Werkstoren mit Plakaten, auf denen sie forderten, keine Industrie im Wasserschutzgebiet anzusiedeln. In der neuen Fabrik selbst, bekommt man davon aber nichts mit. Dort ist Party.
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