Hamburg. Der Kaufpreis beträgt 230 Millionen Euro. Bertelsmann-Chef Rabe gibt klares Bekenntnis zum Standort Hamburg ab.
Auf den ersten Blick scheinen RTL und das Gruner + Jahr nicht zusammen zu passen: Hier der Sender mit dem „Dschungelcamp“ und „Deutschland sucht den Superstar“, dort das Hamburger Verlagshaus mit Magazinen wie dem „Stern“ und „Geo“. Künftig ist das alles eins, weil RTL das Stammgeschäft von Gruner + Jahr übernimmt, damit beide „ihr Wachstumspotenzial gemeinsam besser ausschöpfen können“. Das sagt Thomas Rabe, der Vorstandsvorsitzende des Medienkonzerns Bertelsmann, zu dem Gruner + Jahr zu 100 und RTL zu etwa 75 Prozent gehört.
Bei den Besitzverhältnissen ändert sich durch den Kauf, für den RTL 230 Millionen Euro bezahlt, also gar nicht so viel. Bei den Strukturen des neuen Medienunternehmens schon. Die Botschaft, die ausgesendet werden soll, lautet: Wir bauen ein großes, starkes Haus für Journalismus.
Magazine von Gruner + Jahr übernommen – RTL will journalister werden
Mehr als 1500 Journalistinnen und Journalisten werden künftig unter dem Dach von RTL zusammen- und dabei eher so arbeiten, wie es für Gruner + Jahr typisch war: Der Sender will weg von dem Image, das in der Vergangenheit Moderatoren wie Dieter Bohlen und Oliver Pocher geprägt haben, er will nachrichtenstärker und journalistischer werden.
Dafür wurden zuletzt unter anderem der ehemalige „Tagesschau“-Chefsprecher Jan Hofer und die ehemalige „Tagesthemen“-Moderatorin Pinar Atalay verpflichtet, weitere bekannte Namen sollen folgen. Und jetzt eben TV-Formate, die sich an die starken Gruner + Jahr-Marken anlehnen: Eines wird „Stern Investigativ“ heißen, andere sollen rund um „Geo“ gebaut werden.
Zusammenschluss von RTL und Gruner + Jahr: Personalabbau möglich
Auch der Mann, der all das schon seit längerem vorbereitet – und der übrigens auch die Trennung von Dieter Bohlen vollzogen hat – kommt aus Hamburg. Stephan Schäfer, ehemaliger Chefredakteur verschiedener Magazintitel bei Gruner, führt den Verlag seit dem Ausscheiden von Julia Jäkel als Vorstandsvorsitzender und ist gleichzeitig Geschäftsführer Inhalte & Marken bei RTL Deutschland – und in dieser Funktion unter anderem für die journalistischen Angebote zuständig.
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In seinem Bereich treffen jetzt zum Beispiel die Nachrichtenportale von n-tv, RTL und „Stern“ zusammen, Synergien sicherlich nicht ausgeschlossen. Insgesamt, so Thomas Rabe, entstünden durch den Zusammenschluss von RTL und Gruner + Jahr (Umsatz 2020: 1,14 Milliarden Euro) Synergien von 100 Millionen Euro im Jahr – vor allem durch zusätzliches Wachstum, 25 Millionen Euro will man durch Einsparungen erzielen, auch ein Personalabbau ist möglich.
G+J-Betriebsratsvorsitzender: "G+J bleibt erhalten"
Frank Donovitz, Gesamtbetriebsratsvorsitzender von Gruner + Jahr sieht in dem Zusammenschluss eine Chance: „Wir werden den größten redaktionellen Verbund in Europa schaffen, dem sich viele Möglichkeiten eröffnen. Durch die unterschiedliche Eigentümerstruktur war es uns bisher rechtlich nicht möglich, vertiefter zusammenzuarbeiten, beispielsweise Kunden gemeinsam anzusprechen." Das ändere sich jetzt. "Wichtig ist uns: G+J bleibt erhalten. Das gilt für die Arbeitsplätze in Hamburg genauso wie in Berlin“, so Donovitz.
Auch Bertelsmann-Chef Rabe hat bei der Verkündung des Geschäfts sein klares Bekenntnis zum Standort Hamburg wiederholt, wörtlich sagte er: „Gruner + Jahr bleibt in Hamburg. Hauptsitz und Namen tasten wir nicht an.“ Das ist eine gute Nachricht für die 2000 der insgesamt 2500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Gruner, die von dem Verkauf betroffen sind.
Schäfer oder Reichart: Noch unklar, wer das Unternehmen ab 2022 führt
RTL übernimmt das Stammgeschäft des Hauses, die Firmen DDV, Applike, Territory und die Beteilung am „Spiegel“ bleiben bei Bertelsmann. Offen ist, wo in Hamburg die Journalisten und Verlagsmitarbeiter künftig sitzen werden. Die Zentrale am Baumwall hat Gruner + Jahr an den Immobilienkonzern Tishman Speyer verkauft, ist dort nur noch Mieter und wollte eigentlich schon in diesem Jahr in die HafenCity umziehen. Das Projekt scheiterte, der Verlag ist auf der Suche nach neuen, kleineren Räumlichkeiten.
Interessiert wird jetzt von Hamburg aus beobachtet, wer das Unternehmen spätestens ab dem 1. Januar 2022, dann sollen der Kauf vollzogen sein, führt. Wird es der bisherige RTL-Deutschland-Chef Bernd Reichart oder eben Stephan Schäfer, der in den vergangenen Jahren bereits sowohl in Hamburg als auch in Köln gearbeitet hat? Die Entscheidung müsse schnell fallen, heißt es aus Bertelsmann-Kreisen, „damit alle wissen, woran sie sind“.
Redaktionen sollen in neue GmbH übergehen – DJV besorgt
Stefan Endter, Geschäftsführer des Deutschen Journalisten-Verbandes Hamburg, ist angesichts des Verkaufs von Gruner + Jahr 56 Jahre nach der Gründung zwiegespalten. Er sagt: „Positiv ist, dass die journalistischen Arbeitsplätze nach allem, was wir bisher wissen, in Hamburg erhalten bleiben sollen. Sorge bereitet mir das Konstrukt. Danach sollen die Redaktionen in eine neue GmbH übergehen. Diese GmbH ist, Stand heute, im Gegensatz zu G+J nicht tarifgebunden. Dies hätte negative Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen.“
Es bestehe die Chance, so Endter weiter, das publizistische Angebot aller Print-Produkte noch crossmedialer zu gestalten: „Dazu sind Investitionen nötig. Mit RTL hat Bertelsmann einen Käufer gefunden, der dieses leisten kann.“