Hamburg. Lohsepark-Anwohner kämpfen um Nachtkerzenschwärmer auf dem künftigen Verlagsgelände. Behörde weist Kritik zurück.
Für die einen ist es der Kampf für den Schutz einer stark bedrohten Art mitten in Hamburg – ausgerechnet gegen den grünen Umweltsenator Jens Kerstan. Für die anderen ist es viel Lärm um sehr wenig. Die Rede ist vom Engagement einiger Anwohner am Lohsepark in der HafenCity für den Erhalt der Nachtkerzenschwärmer. Diese grünlich-gelben nachtaktiven Schmetterlinge lebten nämlich ausgerechnet dort, wo Gruner + Jahr seine neue Verlagszentrale bauen lassen will.
Aber der Reihe nach: Gruner + Jahr möchte sein Verlagsgebäude am Baumwall aufgeben und in die HafenCity ziehen. Nahe des Lohseparks will ein Investor auf einem 15.200 Quadratmeter großen Grundstück ein neues Gebäude errichten, in dem der Verlag unterkommt, aber auch Wohnungen und Platz für gastronomische Angebote geplant sind. Im vergangenen Jahr wurde der Bebauungsplan für das Feld „MK 10“, auf dem das Gebäude errichtet werden soll, öffentlich ausgelegt, damit die Bürgerinnen und Bürger gegebenenfalls Einwendungen erheben können.
Nachtkerzenschwärmer ebenso zu schützen wie Feldhamster
Vor einiger Zeit nun war Anwohnerin Marianne Wellershoff, Zweite Vorsitzende des Netzwerks HafenCity, eines Bürgervereins vor Ort, mit dem Naturschutzbund Nabu auf der Fläche unterwegs und hörte, dass dort der seltene Nachtkerzenschwärmer gesichtet worden sei. Sie wandte sich an die Umweltbehörde. „Dieser Falter gehört zu den 138 in Europa strengstens geschützten Arten. Er steht damit unter dem gleichen Schutz wie der Feldhamster, dem kein Haar mehr gekrümmt werden darf“, so Wellershoff.
Aus Sicht der Behörde steht die Sichtung von nur zwei Exemplaren des Nachtkerzenschwärmers dem Bau der Verlagszentrale auf dem Grundstück in der östlichen HafenCity nicht entgegen. Denn, so die Argumentation: Die Falter könnten auf andere geeignete Habitate ausweichen.
Anwohnerin spricht von „Tricksersei und Augenwischerei“
Das empört Marianne Wellershoff. Auf der von der Behörde genannten Ausgleichsfläche im Oberhafen siedelten aus gutem Grund keine Nachtkerzenschwärmer, weil sie dort nämlich kein Futter fänden. „So wird der Lebensraum des doch eigentlich geschützten Tieres ersatzlos zerstört, ohne dass eine Alternative angeboten wird“, sagt Wellershoff. Sie spricht von „Trickserei und Augenwischerei“, auch wenn die Behörde formal möglicherweise im Recht sein könnte, wie sie selbst einräumt.
Um das zu überprüfen, müssten die Bürger auf eigene Kosten ein teures Normenkontrollverfahren anstrengen, so die Anwohnerin. „Dabei wäre es doch eigentlich Aufgabe gerade der grün geführten Umweltbehörde, für den Artenschutz zu sorgen und nicht die der Bürger.“ Sie hofft, dass der Umweltsenator „auf dem Wege des Gesprächs zur Vernunft gebracht werden kann“.
Behörde: „Schmetterlinge haben genügend Lebensraum“
In dessen Behörde wird der Fall völlig anders beurteilt: „Der Nachtkerzenschwärmer breitet sich seit einigen Jahren in Hamburg aus. Es gibt keine Hinweise, dass der Falter dauerhaft auf der Fläche lebt oder sich vermehrt“, sagt Kerstans Sprecher Jan Dube. Bisher siedelt er auf dem Gelände nicht, sondern wurde dort nur vereinzelt gesehen – wohl auch, weil auf der Brache Weidenröschen gewachsen sind, die der Falter bevorzugt anfliegt.
„Um eine mögliche Ansiedlung vor einem Baubeginn auszuschließen, haben wir es im Zuge des Genehmigungsverfahrens zur Auflage gemacht, dass die Brachfläche im Frühjahr und vor dem Baubeginn gemäht wird“, so Dube. „Wenn dort keine Nachtkerzen oder Weidenröschen als Futterpflanzen wachsen, wird der Nachtkerzenschwärmer dort auch nicht vorbeischauen. Aus Artenschutz-Sicht stellt der Falter kein Problem für einen Vollzug der Baugenehmigung dar.“
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Die Ausweichfläche, die der Falter bisher eher gemieden hat, wurde nicht eigens für ihn ausgewiesen, sondern für die Bebauung der HafenCity insgesamt. Dort könnten nun Bedingungen geschaffen werden, damit sich auch der Nachtkerzenschwärmer dort heimisch fühlt. Denkbar wäre etwa, dass man auf dem Areal die von ihm geschätzten Weidenröschen anpflanzt.
Gruner + Jahr ist von Schmetterling nichts bekannt
Der Nachtkerzenschwärmer wird auf der Roten Liste Deutschlands noch auf der Vorwarnliste geführt. Das heißt, er steht noch außerhalb dieser Liste, es wird jedoch bereits auf zunehmende Gefährdung hingewiesen. Nach der Bundesartenschutzverordnung ist der Falter besonders geschützt. Hamburg liegt am Nordwestrand seines Ausbreitungsgebietes, hieß es auf Wellershoffs Anfrage aus der Umweltbehörde.
Die Art sei sehr wechselhaft und komme ein Jahr mal auf geeigneten Flächen vor und im nächsten Jahr schon wieder nicht. Solange also Flächen für diese dynamische Verlagerung des Lebensraum weiterhin vorhanden seien, werde der Nachtkerzenschwärmer in Hamburg weiterhin gute Bedingungen vorfinden, beschied die Behörde Frau Wellershoff.
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Bei Gruner + Jahr ist von der Sichtung des Schmetterlings nichts bekannt, wie eine Sprecherin auf Anfrage mitteilt. Sie verweist auf die Bauherrin des geplanten Gebäudes, die HIH Real Estate.