Hamburg. Corona-Pandemie trifft die Werften hart. Die Branche hofft nun auf einen bestimmten Großauftrag. Ein Überblick.

Es war ein stolzes Lebenszeichen des deutschen Schiffbaus in der Krise: Ende Februar schickte die Meyer-Werft ihren Neubau „Odyssey of the Seas“ auf die erste Reise. Auf der schmalen Ems fuhr das Kreuzfahrtschiff noch nicht mit eigenem Antrieb, der 347 Meter lange Koloss wurde zur Nordsee geschleppt. Wenn, ja wenn nach Corona wieder Kreuzfahrten möglich sein werden, soll die himmelblaue „Odyssey“ Urlaubsträume von 4180 Passagieren erfüllen.

Das Gegenbild sind die Hiobsbotschaften, die fast im Wochentakt aus den Werften an Nord- und Ostsee kommen. Die Branche ist in rauer See. Bei Meyer in Papenburg, dem größten deutschen Schiffbauer, stehen von 4500 Arbeitsplätzen mindestens 650 auf der Kippe. Eigentlich braucht die Kreuzfahrtbranche im Stillstand keine neuen Schiffe.

Corona-Krise: Lage der deutschen Werften ist schwierig

Auf der Lloyd-Werft in Bremerhaven war gerade eine neue Luxusjacht enthüllt worden, 139 Meter lang, da verkündete die Geschäftsführung: Einstellung des Betriebs zum Jahresende. Aufträge fehlen, 300 Beschäftigte bangen um ihre Arbeit.

Das Kreuzfahrtschiff
Das Kreuzfahrtschiff "Odyssey of the Seas". © dpa | Mohssen Assanimoghaddam/dpa

Die Not der Lloyd-Werft hängt mit Problemen ihres Eigners zusammen. Dem Tourismus- und Glücksspielkonzern Genting mit Sitz in Hongkong fehlen Einnahmen. Er betreibt auch die MV Werften in Wismar, Warnemünde und Stralsund. Wegen der Corona-Pandemie blieb unter anderem der Bau zweier Kreuzfahrtriesen für bis zu 10 000 Passagiere stecken. Von 3000 Jobs soll mehr als jeder dritte wegfallen.

Schiffbau hat Tradition im Norden

In Kiel trennt sich die Marinewerft German Naval Yards von 134 ihrer rund 500 Mitarbeiter. Der Grund: Die schlechte Lage der Werften, die durch Corona noch einmal schwieriger geworden sei. Und schon 2020 musste der deutsche Schiffbau hinnehmen, dass der größte Auftrag, den die Deutsche Marine je erteilt hat, ins europäische Ausland ging. Damen Shipyards aus den Niederlanden hat die Federführung beim Bau von vier Fregatten für sechs Milliarden Euro. Die deutsche Werftengruppe Lürssen aus Bremen, die mit Standbeinen Megajachten und Marine ziemlich stabil dasteht, ist nur Juniorpartner.

Hintergrund: Die großen Werften in Norddeutschland

Die IG Metall Küste schlägt Alarm, sie sieht Werftindustrie und Zulieferer aktuell in einem kritischen Zustand. „Die Substanz bröckelt und geht verloren“, sagte Bezirksleiter Daniel Friedrich. „Wir laufen Gefahr, dass wir unter die kritische Grenze kommen, wenn wir zu viele Betriebe und Beschäftigte verlieren. Das würde dazu führen, dass die Branche nicht mehr so unterstützt wird, wie es der Schiffbau verdient hätte.“

Der Schiffbau hat lange Tradition an den deutschen Küsten, aber er ist schon lange keine große Branche mehr. Zwischen Emden im Westen und Wolgast im Osten zählten die 60 größeren Werften 2019 noch 20 300 Beschäftigte, so die Zahlen des Verbands für Schiffbau und Meerestechnik (VSM). Mit Zulieferern bietet die Branche immerhin etwa 200 000 Arbeitsplätze. Und die Werften bauen nicht nur neue Schiffe; auch Wartung, Reparaturen und Umbauten sind ein wichtiges Geschäft.

Technisch gelten deutsche Schiffe als Spitze

Technisch gelten deutsche Schiffe, gerade die Kreuzfahrtschiffe, als Spitze. „Die erfolgreiche Entwicklung im Kreuzfahrtbereich hat zum Teil verdeckt, wie viel Substanz wir im deutschen Schiffbau in den vergangenen Jahren verloren haben“, sagt VSM-Geschäftsführer Reinhard Lüken aber.

Das Dock 10 von Blohm+Voss im Hamburger Hafen. Im Vordergrund ist der Anleger Altona (Fischmarkt) zu sehen.
Das Dock 10 von Blohm+Voss im Hamburger Hafen. Im Vordergrund ist der Anleger Altona (Fischmarkt) zu sehen. © Georg Wendt/dpa | Unbekannt

Ausgefeilte Technik ist teuer, und das ist eins der Probleme des deutschen Schiffbaus. Die anderen: Die deutschen Werften sind im internationalen Vergleich klein. Sie sind hoch spezialisiert und sehr abhängig von staatlichen Aufträgen. Und es gibt fünf norddeutsche Landesregierungen plus den Bund, die jeweils ihre eigene Industriepolitik bei den Werften betreiben.

Eigentlich sei der deutsche Schiffbau seit Jahrzehnten in der Krise, sagt der Experte und ehemalige Professor für maritime Wirtschaft in Bremen, Ulrich Malchow. Der serienweise Bau von Tankern, Containerschiffen oder Fähren sei schon lange in billigere Länder abgewandert. „Der deutsche Schiffbau ist schon sehr dezimiert, er besteht eigentlich nur noch aus Kreuzfahrtschiffen, Jachten und grauen Schiffen“ - gemeint ist die Marine.

Auch wenn die Corona-Krise vor allem die Kreuzfahrtschiffbauer trifft, ist das drängendste Strukturproblem der Marineschiffbau. „Im ganzen Bereich der Marine haben wir keine Klarheit, wie man gemeinsam die Zukunft gestalten will“, sagte IG-Metall-Bezirkschef Friedrich. Das habe die Vergabe des Mehrzweckkampfschiffs MKS-180, mittlerweile Fregatte F126 genannt, in die Niederlande gezeigt.

Zusammenschluss der Werften hätte Vorteile

Bei Marineschiffen sind der Größe nach ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) in Kiel und Emden, die Bremer Lürssen-Gruppe mit Blohm+Voss in Hamburg und German Naval Yards in Kiel (GNY) die wichtigsten Akteure. Nach den Problemen beim Fregattenauftrag kündigten Lürssen und GNY 2020 ein Zusammengehen beim Überwasserschiffbau an. Seitdem ist von dem Vorhaben aber nichts mehr zu hören. TKMS hat ein etwas anderes Profil, ist im Bau von U-Booten stark und deswegen vergleichsweise glimpflich durch die Krise gekommen.

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Ein Zusammenschluss hätte nach Malchows Einschätzung Vorteile: „Man wird sich untereinander keine Konkurrenz mehr machen und auf dem internationalen Markt besser dastehen.“ Die Gegenfrage laute: „Will der Bund nur noch einen Anbieter haben?“

Faktisch sind die drei Werftengruppen an fast allen Bauprogrammen der Marine beteiligt, sei es federführend oder als Zulieferer. Der übers Land verteilte Bau erlaubt ein schnelleres, paralleles Arbeiten. Aber dahinter steht auch industriepolitischer Proporz.

In der Krise warten alle Werften auf einen kommenden Großauftrag

Für die Bundesregierung sei eine starke und zukunftsfähige maritime Wirtschaft mit breiter Wertschöpfung in Deutschland ein zentrales Anliegen, sagt der Koordinator für die maritime Wirtschaft, Norbert Brackmann. Es ist überzeugt, dass die maritime Wirtschaft schon in diesem Jahr vom Wiederaufbau der Weltwirtschaft profitieren kann. „Die Schifffahrt trägt wesentlich zur Sicherung des Welthandels bei und damit auch der Schiffbau.“ Globale Warenströme ließen sich nur über die Meere organisieren.

Der Bund habe im Juni 2020 eine Milliarde Euro für die Unterstützung der maritimen Wirtschaft und die Modernisierung der Schifffahrt in Deutschland bereitgestellt. Beschaffungen würden vorgezogen. „So sollen temporäre Auftragseinbußen überbrückt und die wirtschaftliche Lage der Unternehmen aus allen Bereichen der maritimen Branche verbessert werden.“ Seit 2020 gilt außerdem der Bau von Über- wie Unterwasserschiffen der Marine als nationale Schlüsseltechnologie. Aufträge müssen nicht unbedingt europaweit ausgeschrieben werden.

Mega-Segelyacht „A“ bereitet sich auf Probefahrten vor

Der mit 90 Meter hohen Masten ausgestattete Dreimaster wurde auf der Werft „German Naval Yards“ gebaut und gehört vermutlich einem russischen Milliardär
Der mit 90 Meter hohen Masten ausgestattete Dreimaster wurde auf der Werft „German Naval Yards“ gebaut und gehört vermutlich einem russischen Milliardär © dpa | Carsten Rehder
Die gigantische Segelyacht mit dem Namen „A“ liegt im Dock in Kiel (Schleswig-Holstein)
Die gigantische Segelyacht mit dem Namen „A“ liegt im Dock in Kiel (Schleswig-Holstein) © dpa | Matthias Hoenig
Der weitgehend fertiggestellte 140 Meter lange Neubau soll in den nächsten Wochen zu Probefahrten auslaufen
Der weitgehend fertiggestellte 140 Meter lange Neubau soll in den nächsten Wochen zu Probefahrten auslaufen © dpa | Matthias Hoenig
Als Auftraggeber gilt der russische Milliardär Andrej Melnitschenko
Als Auftraggeber gilt der russische Milliardär Andrej Melnitschenko © dpa | Matthias Hoenig
Die „Sailing Yacht A“ wird seit etwa vier Jahren in Kiel gebaut
Die „Sailing Yacht A“ wird seit etwa vier Jahren in Kiel gebaut © dpa | Matthias Hoenig
Die Masten des Neubaus sind etwa 90 Meter hoch
Die Masten des Neubaus sind etwa 90 Meter hoch © dpa | Matthias Hoenig
Die Mega-Segelyacht
Die Mega-Segelyacht "White Pearl" geht am 21.09.2015 in Kiel (Schleswig-Holstein) auf eine erste Probefahrt. Der mit 90 Meter hohen Masten ausgestattete Dreimaster wurde auf der Werft "German Naval Yards" gebaut und gehört vermutlich einem russischen Milliardär. Foto: Carsten Rehder/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++ © dpa | Carsten Rehder
Die Mega-Segelyacht
Die Mega-Segelyacht "White Pearl" geht am 21.09.2015 in Kiel (Schleswig-Holstein) auf eine erste Probefahrt © dpa | Carsten Rehder
 Der mit 90 Meter hohen Masten ausgestattete Dreimaster wurde auf der Werft
Der mit 90 Meter hohen Masten ausgestattete Dreimaster wurde auf der Werft "German Naval Yards" gebaut und gehört vermutlich einem russischen Milliardär © dpa | Carsten Rehder
Die Mega-Segelyacht
Die Mega-Segelyacht "White Pearl" © dpa | Carsten Rehder
Eine Möwe sitzt am 21.09.2015 in Kiel (Schleswig-Holstein) in Sichtweite der Mega-Segelyacht
Eine Möwe sitzt am 21.09.2015 in Kiel (Schleswig-Holstein) in Sichtweite der Mega-Segelyacht "White Pearl" © dpa | Carsten Rehder
Die Mega-Segelyacht „White Pearl“ wird am 21.09.2015 in Kiel (Schleswig-Holstein) für eine Probefahrt vorbereitet
Die Mega-Segelyacht „White Pearl“ wird am 21.09.2015 in Kiel (Schleswig-Holstein) für eine Probefahrt vorbereitet © dpa | Carsten Rehder
Die neue Mega-Segelyacht „White Pearl“ am 09.09.2015 in Kiel (Schleswig-Holstein) in der Werft German Naval Yards, hat inzwischen alle drei Masten erhalten
Die neue Mega-Segelyacht „White Pearl“ am 09.09.2015 in Kiel (Schleswig-Holstein) in der Werft German Naval Yards, hat inzwischen alle drei Masten erhalten © dpa | Matthias Hoenig
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In der Krise warten aber alle Werften auf einen kommenden Großauftrag für Hunderte Millionen Euro, den Neubau der „Polarstern II“. Einmal ist die Ausschreibung des Forschungsschiffes gescheitert. Nun steht sie wieder an; und jede Werft und jede Landesregierung ist überzeugt, dass die „Polarstern II“ bei ihr am besten aufgehoben wäre.