Hamburg. Bald drei Jahre lang wurde der alte Frachtsegler restauriert. In diesem Monat übernimmt die Stiftung Historische Museen das Kommando.
Wenn die 115 Meter lange Viermastbark bei Sturm von einer Seite auf die andere rollte und gewaltige Brecher über die Reling rauschten, waren vier Seemänner an den beiden Steuerrädern erforderlich, um auf der tosenden See Kurs zu halten. Zwei mächtige Steueranlagen besaß die 1911 bei Blohm + Voss vom Stapel gelaufene „Peking“, die auf ihren Fahrten oft in solche Wetterlagen geriet. Allein in der Zeit, in der sie für die Hamburger Reederei Ferdinand Laeisz zwischen Hamburg und Chile unterwegs war, umrundete sie 34-mal Kap Hoorn.
Wir stehen achtern auf dem Poopdeck vor den beiden frisch restaurierten Handrädern der Notsteueranlage. Sie war erforderlich, wenn das Steuerseil der Hauptsteueranlage wieder einmal geborsten war. Die sehr steife Brise heute rüttelt an der Takelage und reißt an den Schutzplanen, die noch über einige Decksaufbauten gespannt sind. Die Wellen der Stör tief unter uns sind schaumgekrönt. Ein bisschen kann man sich vorstellen, wie es sich auf der „Peking“ bei Sturm angefühlt haben mag – auch wenn sie jetzt natürlich gut vertäut am Ausrüstungspier der Peters Werft in Wewelsfleth liegt.
Es ist unser vierter und letzter Besuch vor dem Abschluss der zweieinhalb Jahre andauernden und mehr als 35 Millionen Euro teuren Sanierungsarbeiten. Alle paar Monate haben wir uns an Bord die Fortschritte der Maßnahmen angesehen, mit denen die Viermastbark möglichst originalgetreu wiederhergestellt wird, um anschließend zu einem weltweit wohl einzigartigen Museumsschiff ausgebaut zu werden.
Bei unserem ersten Besuch im Winter 2018 war die „Peking“ ein löchriger Schiffsrumpf ohne Masten, ein trauriger Anblick für einen einst so stolzen Frachtsegler. Dann wurden im Sommer darauf Fock-, Groß-, Kreuz- und Besanmast gesetzt – und die „Peking“, die damals noch im Trockendock lag, war zwar immer noch eine Riesenbaustelle, aber zumindest wieder ein Viermaster. Seitdem hat die alte Dame von Woche zu Woche mehr von ihrer Würde zurückerhalten.
Für die Sanierung ist ein Kapitän verantwortlich
Die Sanierungsarbeiten leitet Joachim Kaiser (72), Mitbegründer der Stiftung Hamburg Maritim, im Auftrag der Stadt Hamburg. Der Inhaber des Kapitänspatents und Experte für historische Schiffe ist selbst lange zur See gefahren. Jetzt setzt er viel Herzblut und sein enormes Fachwissen für die „Peking“ ein – darüber hinaus die originale „Bauvorschrift eines stählernen Viermast-Bark-Schiffes“ und weitere Dokumente und Zeichnungen, die er im Archiv der Reederei Laeisz und auf den Dachböden ehemaliger Besatzungsmitglieder oder Zeitzeugen aufgestöbert hat.
Unter Kaisers Regie ist aus dem Wrack wieder die einstige stählerne Legende geworden. Am glänzend schwarz gestrichenen Bug, der sich hoch über das Wasser der Stör erhebt, prangen die leicht nach vorn geneigten Buchstaben ihres Namenszuges, darüber die in einer Pfeilspitze endende Zierleiste. Unter dem Bugspriet ist die einer Geigenschnecke ähnliche Krull angebracht. Und an den vier leicht nach achtern getrimmten Masten wurden bereits alle 18 Rahen und fast die gesamte Takelage angebracht.
Jetzt streicht er oben auf dem Poopdeck über die Messingbeschläge und das honigfarbene Holz der gedrechselten Speichen des Steuerrades. „Diese beiden Räder der Notsteueranlage sind noch original“, sagt Kaiser stolz. „Wir haben sie völlig auseinandergenommen, aufgearbeitet und teilweise mit neuen Speichen ersetzt. Glücklicherweise sind sie aus Teak. Sonst wäre nichts mehr von ihnen übrig geblieben.“
Tatsächlich stand es schlecht um den einst so stolzen Veermaster der Reederei Laeisz, als er im August 2017 auf der Werft in Wewelsfleth eintraf. Es war das Ende einer Odyssee, auf der ihm Wind, Wellen und der Zahn der Zeit beträchtlich zugesetzt hatten: 1932 wurde die „Peking“ infolge der Weltwirtschaftskrise an die Engländer verkauft, dort zum Schulschiff und später als Unterkunft für die Navy umgebaut, 1974 schließlich versteigert und nach New York gebracht, wo sie nach kurzer Blütezeit als Museumsschiff vor sich hin rottete. Bis das nicht mehr seetüchtige Wrack nach langen Verhandlungen durch den Verein „Freunde der Viermastbark PEKING e.V." mit dem Museum auf einem Dockschiff in die Heimat zurückgeholt wurde.
Die Faszination "Peking":
Die meisten Rahen mussten neu angefertigt werden, denn etliches von der Originalausstattung war nicht mehr zu retten. Das meiste konnte aber aufgearbeitet werden und befindet sich mittlerweile wieder an Bord. Zu den restaurierten Decksaufbauten zählt etwa das Kartenhaus aus Teakholz, das mit seinen kassettierten Wänden und den Verzierungen am Dachüberstand ein Schmuckstück ist. Oder das Salon-Skylight: ein hundehüttengroßer Aufbau, dessen Fenster den darunterliegenden Kapitänssalon mit Tageslicht versorgten. Oder die mächtige, in Grün und Rot gestrichene Ankerwinde mit ihren Zahnrädern, Hebeln und Bremsen. Oder die nachgebauten Schweinehocken, zwischen deren weißen Stäben man sich die Rüssel der beiden Schweine gut vorstellen kann, die früher als Frischfleischversorgung für die Besatzung mitsegelten. Oder die formschönen Lüfterhutzen, die mit ihren nach vorn gebogenen, aufgekelchten Trichtern an überdimensionierte Blasinstrumente erinnern und von einem Blechschlosser, der auch Oldtimer restauriert, aufgearbeitet oder neu angefertigt wurden.
Auf dem Brückendeck zeigt uns Joachim Kaiser die Steuerräder der Hauptsteueranlage. Auch sie mussten nachgebaut werden. „Weil die Originale nicht mehr existierten, haben wir uns an den Steuerrädern des baugleichen Schwesternschiffs ,Passat‘ orientiert“, erläutert Kaiser. Die Steuerräder stehen unmittelbar vor dem Kartenhaus und bilden mit diesem ein sehenswertes Ensemble. Doch darum ging es beim Bau des Schiffes nicht. „Beides steht genau dort, von wo aus man den besten Überblick über das Schiff, die Umgebung und das Wetter hatte“, sagt er.
Viele Prunkstücke sind wiederhergestellt an Bord
Die schönen Steuerräder sind beileibe nicht die einzigen neuen Prunkstücke an Bord. Auch die spindelförmigen Gangspille aus grün gestrichenem Gusseisen, um die mit einem Vielfachen menschlicher Muskelkraft Draht und Tauwerk aufgewickelt werden konnten, sind beeindruckend. Oder die drei neu angefertigten stählernen Brasswinden für die Drahtseile, mit denen die Rahen horizontal um die Masten geschwenkt werden können.
Und natürlich sind das die „Mastgärten“ zu Füßen von Groß- und Fockmast: jeweils vier Belegbänke aus dunkel schimmerndem Kambala-Holz, die auf gedrechselten Säulen mit Messingkappen ruhen. Die darüberhängenden Schoten und Blöcke sind ein typisches Bild aus der historischen Seefahrt – ebenso wie die insgesamt 100 Meter langen Nagelbänke, die innen am Schanzkleid des Hauptdecks angebracht sind und an deren Belegnägeln das zur Takelage gehörende Tauwerk festgemacht wird.
Um vom Hauptdeck auf Poopdeck, Brückendeck und Vordeck zu gelangen, sind wir bislang über Bauleitern geklettert. Jetzt führen recht steile Stahltreppen auf die Decks der Poop, Brückenhaus und Back genannten Aufbauten. „Gut festhalten!“, ruft Kaiser, als wir im böigen Wind aufs Vordeck steigen. Vor uns liegt der riesige Anker, der nur mithilfe des Ankerkrans daneben aus dem Wasser gezogen werden kann.
Schmale Laufbrücke verband die drei Hochdecks miteinander
An Backbord und Steuerbord befindet sich hier oben je ein kleiner Leuchtturm mit einem kupfernen Kuppeldach. In der darunterliegenden Laternenkammer wurden die Petroleumlampen aufgefüllt und angezündet und, wenn sie sich eingebrannt hatten, mit einem speziellen Aufzug hoch in den Turm gehievt. Kaiser weist auf die Löcher, die in jedes Türmchen gestanzt sind. „Sie dienen der Ventilation. In der originalen Bauvorschrift findet man dafür eine genaue Anleitung, denn die Petroleumbeleuchtung war eine Wissenschaft für sich.“
Um den Seeleuten früher das Hoch- und Runterklettern zu ersparen, verband eine schmale Laufbrücke die drei Hochdecks miteinander. Fast hätten auch wir sie heute nehmen können: Sie war bereits montiert, wurde wegen Qualitätsmängeln aber wieder abgebaut und zum Tischler zurückgeschickt.
Dann wollen wir einen Blick in den Laderaum werfen. Auch das ist heute möglich, ohne dass wir uns über Baugerüste nach unten schrauben müssen. Der unter der Ladeluke 4 entstandene Treppenturm ist bereits nutzbar – auch wenn die Verglasung und die Holzauflagen auf den Stufen noch fehlen. Recht komfortabel erreichen wir also das Zwischendeck. Vor uns öffnet sich der obere Teil des früheren Laderaums. Durch Zwischendecksluken war der Raum darunter befüllbar, der noch weitaus größer war.
Das kathedralenartige 85 Meter lange Gewölbe ist durch drei zwischenwandähnliche Rahmenspanten gegliedert, die den enormen Druck der Wanten auf den Rumpf abfangen sollten. Die Außenwand ist eine eindrucksvolle Nietkonstruktion aus Stahlplatten an einem Grundgerüst aus rippenartigen Spanten und längs laufenden Stringern. „Ein Traum, wie hier gearbeitet wurde“, findet Kaiser. Als wir das erste Mal hier waren, war das Deck verrottet und die Außenhaut von Rostlöchern übersät. Die Platten sind schon lange ausgetauscht, das Deck erneuert worden. Damit die Reparaturen als solche sichtbar sind, wurden die Schweißnähte nicht glatt geschliffen. Denn die „Peking“ sollte zwar so originalgetreu wie möglich restauriert, die Schäden und Reparaturen aber nicht verheimlicht werden.
Nur eine Ausnahme wurde gemacht, um den historischen Anblick so weit wie möglich zu erhalten: Die verrosteten Bolzen, die die Planken des Hauptdecks über uns gehalten hatten, hinterließen nach ihrer Entfernung Tausende hässlicher Löcher. Kaiser ließ extra dafür kurze Schraubbolzen anfertigen, die von oben verschweißt wurden. Von unten wurden wieder die klassischen Vierkantmuttern darauf verschraubt, die von hier unten an den Decksbalken sichtbar geblieben sind.
Gerade sind Maler dabei, alles in einem warmen Grauton zu streichen. Weitere Arbeiter sind damit beschäftigt, die Schweißlatten an der Außenhaut anzubringen, die früher verhinderten, dass die Ladung in Kontakt mit dem sich dort bildenden Kondenswasser kam. Rund 3500 Meter Kiefernholz werden für die originalgetreue Wiederherstellung verarbeitet.
Auf dem Weg durchs Zwischendeck kommen wir an einem rechteckigen Loch in der Schiffswand vorbei. „Hier sehen Sie, wie wir unsere schöne Arbeit wieder kaputt machen“, sagt Kaiser schmunzelnd – wie bei jedem unserer Besuche. An zwei Stellen wurden für die künftigen Ein- und Ausgänge Türöffnungen in die zuvor restaurierte Schiffshaut geschnitten. An anderer Stelle wurden Teile des zuvor sanierten Decks entfernt: für den gläsernen Fahrstuhl, der Besucher künftig mittschiffs vom unteren Laderaum bis zum Oberdeck bringen soll – mit Zwischenstopp im Zwischendeck. Er war für die Barrierefreiheit auf der „Peking“ unverzichtbar und ist von außen nicht zu sehen.
Auch Rollstuhlfahrer können von Deck zu Deck gelangen
Für einen wie Joachim Kaiser, dessen Herz für historische Schiffe schlägt, ist die Barrierefreiheit ein Tribut an die künftige Nutzung des Schiffes. Doch ohne die Eingriffe in die Originalsubstanz wären ein Betrieb und damit die Rettung des Schiffes nicht möglich gewesen. „Die ,Peking‘ ist das erste Museumsschiff, das so ertüchtigt wird“, sagt er nicht ohne Stolz. Besucher mit Handicap müssen jedoch nicht nur von Deck zu Deck, sondern auch vom Bug zum Heck kommen, ohne Hindernisse zu überwinden.
Und Barrierefreiheit hier, in den unteren Laderäumen, herzustellen hat selbst einem so souveränen Restaurator wie Kaiser Kopfzerbrechen bereitet: Die Unterkanten der historisch vorgegebenen Öffnungen in den Rahmenspanten wären für Rollstuhlfahrer der vorgeschriebenen Neigung wegen nur mit 15 Meter langen Rampen überwindbar, die auch noch an beiden Seiten Geländer erfordern. Sechs solcher Rampen hintereinander hätten aber selbst im Bauch der mächtigen „Peking“ als massive Störung gewirkt.
Die Idee, die er nach langem Nachdenken fand, präsentierte uns Kaiser auf unserem letzten Besuch Ende Februar: Statt langer Rampen sollen nun an zwei der Rahmenspanten Öffnungen ausgeschnitten und mit Scharnieren versehen werden, damit sie wie eine Tür zur Seite geklappt werden können. Ein geringer Eingriff in die Originalsubstanz, jederzeit wieder reversibel und trotzdem funktional – eine Lösung, auf die Kaiser stolz ist. Nicht zuletzt, weil sie ermöglicht, dass sich die Besucher den Originalzustand gut vorstellen können. Aus diesem Grund werden auch die Stahlplatten, die für die Türöffnungen in die Außenhaut geschnitten wurden, direkt daneben aufgehängt.
Dass der Innenausbau nicht komplett dem Originalzustand nachempfunden werden kann, liegt ebenso an der künftigen Nutzung. So werden die neuen Sanitärräume der „Peking“ in den ehemaligen Mannschaftsräumen in der Poop entstehen. „Hier wird es keine historische Inneneinrichtung geben, sondern an Steuerbord die WCs und an Backbord Mitarbeiterräume“, erklärt Kaiser. Der Fußboden werde mit Linoleum ausgelegt, die Wände mit Dämmmaterial isoliert.
140 Tonnen Material haben die Takler schon verbaut
Auch im Brückenhaus sollen später nur der Kapitänssalon, die Kombüse und die Mannschaftsräume auf der Backbordseite wiederhergestellt werden – an Steuerbord entsteht ein barrierefreier Durchgang für die Besucher. Hier fällt ins Auge, dass der Boden aus Oregon-Pine, der Teil des Hauptdecks ist, bereits abgeschliffen wurde. Draußen auf dem Hauptdeck sieht das noch ganz anders aus: Hier quellen noch dicke Würste Sikaflex aus den Fugen zwischen den Planken. 14 Fässer (nicht etwa Kartuschen!) der wasserdichten Klebemasse haben die Decksbauer allein für das Hauptdeck verbraucht. Sollten die Überreste nicht langsam mal entfernt werden? Schließlich müssen die Restaurierungsarbeiten in Kürze beendet sein, weil das Schiff dann von der Stiftung Historische Museen Hamburg übernommen und anschließend – ebenfalls auf der Peters Werft – mit Fahrstuhl, Veranstaltungstechnik und Sanitärräumen ausgestattet wird.
„Wir werden das Hauptdeck erst kurz vor der Übergabe abschleifen, weil die empfindliche Oberfläche durch die Bauarbeiten unweigerlich in Mitleidenschaft gezogen würde“, erklärt Kaiser. Das wird ein schöner Anblick werden: die hellbraunen Planken aus Oregon-Pine, umkränzt von Leibhölzern in dunklerem Kambala-Holz.
Um alles passgenau anfertigen zu können, hatten Mitarbeiter der Firma Wolz Nautic das darunterliegende Stahldeck nach dessen Sanierung mit 3-D-Scannern vermessen und danach im süddeutschen Werk Korkträger- und ganze Deckselemente vorgefertigt und wie Puzzleteile auf der „Peking“ wieder zusammengefügt.
Ebenso akribisch wurde die Takelage angefertigt. Denn Segeln wird der Viermaster künftig leider nicht mehr, dennoch soll alles so authentisch wie möglich sein. Mit der Anfertigung des sogenannten Stehenden Guts (Wanten und Stagen, die sich beim Segeln nicht bewegen) und des Laufenden Guts (über mächtige Blöcke laufende Taue und Drahtseile zum Bedienen der Segel) ist eine Gruppe von internationalen, überwiegend jungen Taklern beschäftigt.
Wie aufwendig und vielschichtig ihre Arbeit ist, wird bei einem Blick in die große Halle klar, wo gerade mehrere von ihnen unterschiedlich dicke Seile aus Draht spleißen oder bekleeden. Es riecht nach Schmierfett und dem Holzteer, mit dem das Takelwerk konserviert wird. Überall stehen Kisten mit den unterschiedlichsten Werkzeugen und Materialien rum: Holzhammer, Kauschen, Blöcke, Spannschrauben, Schäkel und Marlspieker.
Das Gesamtgewicht des Riggs beträgt 168 Tonnen
Einen großen Teil ihrer Arbeit haben die Takler schon erledigt. Die strickleiterartigen Webleinen zwischen den Wanten, an denen die Takler (und früher die Seeleute) behände wie Äffchen emporklettern, sind bereits an den meisten Masten komplett. 140 Tonnen Material – Stahl, Draht, Schäkel, Tauwerk und Rahen – haben sie bislang verbaut; das Gesamtgewicht des Riggs beträgt, inklusive der Masten, 168 Tonnen.
Für die Arbeiten an der „Peking“ haben sich die beiden Takler beziehungsweise Bootsbauer Jochen Gnass und Georg Albinus zusammengetan, die bislang in die Sanierung aller Schiffe der Stiftung Hamburg Maritim (und vieler anderer) eingebunden waren. Sie sind sozusagen die Chefs der Takler. Vorarbeiterin ist eine Frau, Laura Lühnenschloß, die ihr Wissen bei Bootsbauern und auf traditionellen Segelschiffen erworben hat. Für ihr Team hat die 34-Jährige junge Takler aus Süddeutschland, Norwegen, Dänemark, England und Ungarn zusammengetrommelt, darunter viele Frauen.
Bei unserem letzten Besuch warteten noch die mächtigen Rahen an Land auf ihre Montage: Zwei der bis zu vier Tonnen schweren und 29 Meter langen segeltragenden Rundstangen sind original, die übrigen 16 wurden in Wewelsfleth angefertigt. Mittlerweile wurden sie vom Fahrer des Werftkrans an ihre Position gehievt – termingerecht, trotz des oft stürmischen Wetters: Am 31. März endete die wochenlange Arbeit mit dem Einhängen der Royalrahen ganz oben an den Toppen von Fock- und Großmast. Damit hat die „Peking“ alle ihre 18 Rahen wieder – und weil auch Besanbaum und Ladebaum bereits fertig montiert sind, ist das historische Erscheinungsbild der Viermastbark nahezu perfekt.
109 Jahre alt
- Die „Peking“ gehörte zu den „Flying-P Linern“ der Hamburger Laeisz-Reederei. Gebaut wurde sie bei Blohm + Voss, wo sie am 25. Februar 1911 vom Stapel lief. Mit 115 Metern Länge zählte sie damals zu den größten Segelschiffen der Welt. Von 1912 an fuhr die stählerne Viermastbark im Salpeterhandel mit Chile. Dort wurde sie kurz nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs festgesetzt.
- Nach Kriegsende kam sie zunächst nach London, 1921 dann als Reparationszahlung nach Italien. Von dort kaufte die Reederei F. Laeisz das Schiff 1923 zurück und setzte es erneut als Frachtsegler zwischen Hamburg und Chile ein.
- Durch die Konkurrenz der Dampfschifffahrt wurden Frachtsegler immer unrentabler. Auch infolge der Wirtschaftskrise verkaufte die Reederei die „Peking“ 1932 nach England. Sie wurde in „Arethusa“ umbenannt und lag als nicht mehr fahrendes Schulschiff im ostenglischen Upnor vor Anker. 1974 verkauften die Eigner das Schiff an das South Street Seaport Museum nach New York, wo es unter seinem ursprünglichen Namen als Museumsschiff auf dem East River lag.
- Weil das Museum für die Restaurierung kein Geld übrig hatte, verfiel die „Peking“ zusehends. 2015 erklärte sich der Bund bereit, rund 26 Millionen Euro für den Transport des Schiffes, seine Restaurierung und die Einrichtung eines Liegeplatzes in Hamburg zur Verfügung zu stellen. 2017 wurde die „Peking“ per Dockschiff überführt und seither in der Peters Werft in Wewelsfleth bei Brunsbüttel restauriert. fru
Doch Arbeit gibt es trotzdem noch genug: So müssen etwa die drei neu angefertigten Brasswinden mit den aus Stahldraht bestehenden Brassen belegt und justiert werden. „Das ist eine Kunst für sich und geschieht nicht zum Spaß“, sagt Kaiser. „Zur Passage des engen Stör-Sperrwerks müssen die Rahen hart angebrasst werden, bevor die Schleppreise nach Hamburg beginnen kann.“ Tatsächlich misst der Durchlass nur 22 Meter – die längsten Rahen aber sind sieben Meter länger. Überhaupt ist das Verholen der „Peking“ nach Hamburg eine Herausforderung. Man müsse gegen die Tide auslaufen, kurz vor Hochwasser das Sperrwerk passieren und dann gegen die Ebbe Kurs auf Hamburg nehmen, sagt Kaiser. Da die Tour außerdem tagsüber stattfinden solle, kämen in jedem Monat nur wenige Tage infrage.
Davor wird die „Peking“ aber auf der Werft noch besuchertauglich hergerichtet – dann aber unter Leitung der Stiftung Historische Museen Hamburg, die künftig auch für den Museumsbetrieb der „Peking“ verantwortlich ist. Zu der dafür erforderlichen „technischen Ertüchtigung“ gehören laut Kulturbehörde neben dem Einbau der Fahrstühle und der Sanitärräume auch die gesamte Veranstaltungs- und Beleuchtungstechnik. Und die ist komplex: Weil insbesondere das Innere des Schiffes nicht einfach beleuchtet, sondern durch Licht in Szene gesetzt werden soll, läuft derzeit noch eine Ausschreibung dafür.
Der Innenausbau erfolgt am Liegeplatz im Hansahafen
Die Hamburger müssen sich also noch ein wenig in Geduld üben. Vor August wird die Schleppreise die Elbe herauf nicht beginnen, doch einen genauen Zeitpunkt kann die Kulturbehörde noch nicht nennen. Tatsächlich wird nämlich noch nach einem öffentlich erreichbaren Liegeplatz gesucht, wo die „Peking“ eine Zeit lang festmachen und von den Hamburgern besucht werden kann. Wegen der Größe des Schiffes, und auch, weil der Schiffsrumpf keine wasserdichten Schotten hat und daher einen Anprallschutz benötigt, ist es jedoch nicht leicht, einen Liegeplatz zu finden. Anschließend soll es in den Hansahafen vor das jetzige Hafenmuseum geschleppt werden, um dort endgültig fertig ausgebaut zu werden. Der Innenausbau der „Peking“, der auch Rekonstruktionen ausgewählter Teile der historischen Inneneinrichtung umfassen wird, kann dort in aller Ruhe vorgenommen werden – bevor die „Peking“ dann in einigen Jahren vor das neue Hafenmuseum auf dem Grasbrook verlegt wird.
Unser heutiger Besuch auf der Werft neigt sich dem Ende zu. Joachim Kaiser blickt über das aufgewühlte Wasser zu den Wiesen auf der anderen Seite der Stör. Tausende Gänse haben sich dort versammelt und fliegen nun in wilden Scharen auf – um sich nach einer weiten Runde gemeinsam wieder niederzulassen. „Ist das nicht schön: Hier die prächtige ,Peking‘ und da die unberührte Natur?“, fragt er rhetorisch. Bedauert er, dass seine Tätigkeit auf der „Peking“ bald beendet ist? „Nein“, sagt er inbrünstig. „Meine Aufgabe war extrem spannend, und ich habe vier Jahre alle Kräfte auf die Restaurierung verwendet. Aber inzwischen bin ich auch froh, das Ziel bald erreicht zu haben.“
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Man kann es gut verstehen. Es muss schon eine enorme Herausforderung sein, ein so großes, so marodes und so altes Schiff weitgehend originalgetreu zu restaurieren – und dabei noch den Spagat zu bewältigen, dass es künftig auch als schwimmendes Museum den modernsten Anforderungen entspricht. Und dann werden nicht erfahrene Seemänner über das Schiff laufen, sondern lauter Landratten.
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