Hamburg. Neuvermietungen gehen in den ersten neun Monaten des Jahres um mehr als 40 Prozent zurück. Corona und Homeoffice als Hauptgründe.

Manche Auswirkungen der Corona-Krise werden sich erst mit deutlicher Verzögerung zeigen. Für die Bürovermietungen in Hamburg gilt das jedoch nicht. Der Umfang der Neuabschlüsse ist so kräftig eingebrochen, dass man schon weit zurückschauen muss, um vergleichbare Zahlen zu finden: Der Flächenumsatz in den Monaten Juli bis September von gerade einmal 75.000 Quadratmetern ist nach Angaben des Maklerunternehmens Grossmann & Berger das niedrigste in einem dritten Quartal registrierte Ergebnis der vergangenen 15 Jahre. Für das Gesamtjahr 2020 erwarten die Experten der zur Haspa-Gruppe gehörenden Firma ein Vermietungsvolumen von nur noch 350.000 Quadratmetern – es wäre das geringste seit dem Jahr 2003. Selbst gegenüber dem Mittel der zurückliegenden zehn Jahre ergäbe sich damit ein Minus von mehr als 30 Prozent.

Zwar sind die Fakten klar genug; mindestens fünf Immobiliendienstleister – außer Grossmann & Berger auch Engel & Völkers, Colliers International, Jones Lang LaSalle (JLL) sowie BNP Paribas Real Estate – liefern aktuell reichlich Statistiken zum Hamburger Büromarkt. Sie unterscheiden sich nur leicht und weisen für die ersten drei Quartale 2020 einen Rückgang der Neuvermietungen zwischen 41 und 44 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum aus. Doch eines fällt an den Berichten auf: Als maßgebliche Ursache für die schwachen Zahlen nennt man den Konjunktureinbruch. So ziehen etwa die Experten von BNP Paribas einen Vergleich mit dem Jahr 2009, als infolge der Finanzkrise die Bürovermietungen bundesweit um fast 30 Prozent abnahmen.

Hinweise auf dauerhafte Veränderungen am Büromarkt

Von einer womöglich grundlegenden Neubewertung des Flächenbedarfs durch die Gewerbemieter wegen vermehrter Homeoffice-Nutzung ist dagegen nicht explizit die Rede. Allenfalls zu vorsichtigen Andeutungen in dieser Richtung ist man bereit: „Viele Unternehmen prüfen intern, welche räumlichen Veränderungen sich aus der aktuellen Situation ergeben“, sagt etwa An­dreas Rehberg, Geschäftsführer von Grossmann & Berger. Ähnlich zurückhaltend äußert sich Oliver Horstmann, Mitglied der Geschäftsleitung bei Engel & Völkers Commercial Hamburg: „De facto befinden wir uns in einer Orientierungsphase, in der wir beobachten werden, wie sich die Unternehmen organisieren und damit letztlich den Markt beeinflussen.“

Dabei gibt es eindeutige Hinweise auf dauerhafte Veränderungen am Büromarkt – auch in der Hansestadt. So hieß es in einer Studie des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Personalführung (DGFP) aus dem Sommer, 42 Prozent der befragten Unternehmen hätten bereits beschlossen, das Homeoffice-Angebot auszuweiten. 62 Prozent der Firmenverantwortlichen stimmten der Aussage zu: „Wir werden in Zukunft deutlich anders auf wachsende Ansprüche nach mehr Büroflächen reagieren, da wir die Einsparpotenziale durch flexible Arbeit kennengelernt haben.“ Eine weitere Studie des renommierten Münchner Ifo-Instituts kam schließlich zu dem Ergebnis, 54 Prozent der Unternehmen in Deutschland wollten ihre Beschäftigten auch künftig verstärkt von zu Hause aus arbeiten lassen – schließlich hätten viele Betriebe beträchtliche Investitionen in die Technik getätigt, um dies möglich zu machen.

Aufwärtstrend bei den Büromieten gestoppt

Immerhin räumen die Immobiliendienstleister ein, dass der zuletzt beobachtete Aufwärtstrend bei den Büromieten nun wohl gestoppt ist. Zwar ist in Hamburg die Spitzenmiete sogar noch weiter auf etwas mehr als 30 Euro pro Quadratmeter gestiegen. Ein solcher Wert war aber nur in Bestlage der City und auch lediglich bei drei Prozent des gesamten Vermietungsumsatzes in den abgelaufenen zwölf Monaten erzielbar. Die Durchschnittsmiete hingegen hat laut Grossmann & Berger von 17,70 auf 17,30 Euro nachgegeben.

Dem Unternehmen zufolge könnte sie in den nächsten Monaten noch leicht abnehmen, „sollten sich die Nutzer bei hochpreisigen, großvolumigen Anmietungen weiterhin zurückhalten.“ Nach Einschätzung von Piotr Bienkowski, Chef von BNP Paribas Real Estate Deutschland, könnten Immobilieneigentümer vermehrt versuchen, der schwächeren Nachfrage durch Mietanreize zu begegnen – damit dürften zum Beispiel mehr mietfreie Monate nach dem Einzug gemeint sein.

Große Unterschiede beim Leerstand

Wie Grossmann & Berger ermittelt hat, werden in Hamburg die höchsten Durchschnittsmieten aktuell in der City (23,00 Euro), am Hafenrand (21,60), in der HafenCity (21,20) und am Ostufer der Alster (19,90) erzielt, dicht gefolgt von St. Pauli mit 19,50 Euro. Die höchsten Flächenumsätze in diesem Jahr wurden aber – abgesehen von der City mit 69.400 Quadratmetern – in den deutlich günstigeren Quartieren City Süd (42.400) und Bahrenfeld (24.400) getätigt. Verglichen mit dem Vorjahr habe sich das Vermietungsvolumen räumlich verschoben, stellt dazu Oliver Horstmann von Engel & Völkers fest. „Während der Hamburger Westen und die City zulegten, haben die HafenCity und der Osten verloren.“

Andreas Rehberg, Geschäftsführer von Grossmann & Berger.
Andreas Rehberg, Geschäftsführer von Grossmann & Berger. © Roland Magunia

Große Unterschiede zeigen sich beim Leerstand: Überdurchschnittlich hoch ist er in Bahrenfeld (14,2 Prozent), in Eimsbüttel (9,0), am Hafenrand (7,4) und in Wandsbek (5,9), dagegen sind am Westufer der Alster (0,4) und in St. Pauli praktisch keine Flächen frei. Insgesamt ergibt sich in Hamburg laut Horstmann folgendes Bild: „Der seit dem Jahr 2010 kontinuierlich gesunkene Leerstand ist gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 0,2 Prozentpunkte gestiegen und liegt aktuell bei 3,2 Prozent.“

Bürospitzenrendite auf historischem Tiefstwert

Zwar wird sich nach Einschätzung von Grossmann & Berger die Quote innerhalb der nächsten zwölf Monate auf 3,6 Prozent ausweiten, weil das Büroflächenangebot auf rund 500.000 Quadratmeter zunehme. Doch ein Wert unter der Fünf-Prozent-Marke signalisiere noch immer eine „angespannte Marktsituation“ für potenzielle Mieter, erklärt Wolfgang Speer, Head of Office & Occupier Services bei Colliers International Deutschland.

„Die Stadt braucht Flächen, um Unternehmen Optionen zu bieten, wenn die Konjunktur wieder voll anspringt“, sagt André Hoffmann, Teamleiter Bürovermietung bei JLL Hamburg. Großanleger lassen sich von der Corona-Unsicherheit offensichtlich auch nicht abschrecken: Nach Angaben von JLL legte das Volumen der gewerblichen Immobilieninvestitionen in Hamburg in den ersten drei Quartalen um 29 Prozent auf 4,9 Milliarden Euro Transaktionsvolumen zu – das war das stärkste Wachstum unter den deutschen Großstädten. Rund 45 Prozent des Volumens entfielen dabei auf Büros.

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„In dieser herausfordernden gesamtwirtschaftlichen Lage profitiert der Standort Hamburg vom soliden Image, das er sich in den vergangenen Jahren bei Investoren aufgebaut hat“, sagt Richard Winter, Niederlassungsleiter von JLL in Hamburg. Zwar ist die Bürospitzenrendite auf einen historischen Tiefstwert von 2,80 Prozent gesunken. Aber die Nachfrage nach Büroobjekten sei weiter hoch, so Oliver Bergmann, Teamleiter Büroinvestment JLL Hamburg, „weil in der Niedrigzinsphase die Anlagealternativen fehlen“.