Berlin. Apple ist mehr als zwei Billionen Dollar wert, Amazon hat wie kein anderer von der Krise profitiert. Werden die Konzerne zu mächtig?
Amazon-Chef Jeff Bezos blickt auf ein „höchst ungewöhnliches“ Quartal zurück. Die Corona-Krise hatte dem ohnehin rasant wachsenden Online-Händler im Frühjahr ein Umsatzplus von satten 40 Prozent innerhalb eines Jahres beschert. Während des Corona-Lockdowns kauften Menschen von April bis Juni weltweit für 89 Milliarden Dollar bei Amazon ein – während die klassischen Händler in den Innenstädten große Einbußen hinnehmen mussten. Immer drängender wird daher in Europa, zuletzt aber auch in den USA die Frage: Werden die Tech-Giganten zu mächtig?
In Deutschland ist Amazon nicht nur der größte Online-Händler vor einheimischen Größen wie dem Hamburger Otto-Konzern oder Zalando. Amazon ist auch das am Umsatz gemessen größte US-Unternehmen in Deutschland. 2019, also noch vor dem großem Corona-Boom, kam der Konzern auf 20 Milliarden Euro und löste damit den Autohersteller Ford als Spitzenreiter ab. Das gab die deutsche Repräsentanz der US-Handelskammer AmCham gerade bekannt.
Corona-Pandemie kann den großen Tech-Unternehmen nichts anhaben
Das Geschäft der Digital-Riesen boomt – die Corona-Pandemie hat den „Big Four“, den großen vier, um Amazon, Apple, Facebook und Google kaum etwas angehabt. Im Gegenteil – sie konnten ihren Unternehmenswert teilweise deutlich steigern.
Chris-Oliver Schickentanz, Chef-Anlagestratege der Commerzbank, weiß warum: „Der starke Trend zum Homeoffice ist zum Katalysator für die Digitalisierung geworden.“ Viele Unternehmen habe die Entwicklung darauf hingewiesen, dass sie teils großen Nachholbedarf hätten. „Arbeit im Homeoffice wird in vielen Unternehmen ein dauerhafter Bestandteil werden, was digitale Arbeitsprozesse erfordert.“ Er spricht von einem „Megatrend“, der nicht zu bremsen sei.
Zwei wichtige Ereignisse in dieser Woche dürften das weitere Wachstum stützen: Apple zeigt an diesem Dienstag, ab 19 Uhr deutscher Zeit, in Kalifornien wohl seine zwölfte iPhone-Generation. Und Amazon feiert am Dienstag und Mittwoch mit den „Prime-Days“ seine umsatzstärksten Tage des Jahres. Im vergangenen Jahr landeten während des 48-stündigen Verkaufsmarathons 7,2 Milliarden Dollar (heute rund 6,1 Milliarden Euro) in der digitalen Kasse.
Apple ist mehr wert als die 30 größten Konzerne Deutschlands
Der Boom der Tech-Konzerne erreicht immer neue Rekorde. Der iPhone-Konzern Apple war im August 2018 das erste Unternehmen weltweit, das eine Bewertung von mehr als einer Billion Dollar erreichte. Aktuell bringt es Apple auf sagenhafte zwei Billionen.
Amazon hat seinen Wert allein in diesem Jahr fast verdoppelt auf 1,64 Billionen Dollar. Knapp dahinter der für die Branche schon vergleichsweise alte Software-Konzern Microsoft mit 1,63 Billionen. Die Google-Mutter Alphabet schaffte im Januar den Sprung über die Billionen-Marke und hält sich nach einem Corona-Schock bei 1,02 Billionen. Facebook ist 752 Milliarden Dollar wert.
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Das sind imposante Zahlen, auch im Vergleich zu den deutschen Schwergewichten. Der Aktienindex Dax umfasst die 30 wichtigsten börsennotierten Konzerne Deutschlands, wie den Software-Riesen SAP, Siemens, die Telekom, Adidas und VW. Zusammen sind sie 1,53 Billionen Dollar (1,21 Billionen Euro) wert.
EU will Marktmacht der „Torwächter des Internets“ begrenzen
Ein Grund für den Erfolg der Tech-Konzerne sind auch die Daten, die sie von jedem Nutzer auf dem Weg durchs Internet sammeln. Ein Zweck von vielen: Mit individuell zugeschnittener Werbung lässt sich deutlich mehr Geld verdienen als mit breit gestreuten Kampagnen. Daten werden deshalb als eine Währung der Zukunft gehandelt.
Damit haben die „Big Four“ eine enorme Marktmacht entwickelt. Sie werden auch „Torwächter“ des Internets genannt. Die EU-Kommission will bis Jahresende ein Gesetzespaket vorlegen, das die Konzerne einer stärkeren Kontrolle unterwerfen soll.
Zudem wollen die Staaten teilhaben an den Milliardengewinnen – allein Amazon verdiente im zweiten Quartal 5,2 Milliarden Dollar. Steuern zahlen die Konzerne hierzulande kaum. Frankreich preschte mit einer Digitalsteuer vor, setzte diese aber nach Strafzoll-Drohungen der USA aus.
Die Industriestaaten-Organisation OECD sieht jetzt deutliche Fortschritte bei den Verhandlungen für eine internationale Digitalsteuer. Ein Abkommen könnte bis Mitte kommenden Jahres stehen und jährlich für zusätzliche Steuereinnahmen von 85 Milliarden Euro sorgen, hieß es am Montag.
USA: Vergleiche zwischen Google und ehemaligen Öl-Barone
Inzwischen erreicht die Skepsis auch das Heimatland der Konzerne. Die Start-ups von Einst „haben sich in die Art von Monopolen verwandelt, wie wir sie zuletzt in der Ära der Öl-Barone und Eisenbahn-Magnaten gesehen haben“, heißt es in einem neuen Bericht des US-Repräsentantenhauses.
„Diese Firmen haben zu viel Macht“, steht in der 449-seitigen Untersuchung – und diese Macht müsse eingeschränkt und einer Aufsicht unterworfen werden. Die Abgeordneten bringen sogar eine Zerschlagung ins Spiel, ohne Namen zu nennen. Welche Krise? Diese Branchen sind echte Corona-Gewinner
Darauf weist auch Marktbeobachter Schickentanz hin: „Ein Damoklesschwert über den Tech-Konzernen ist die zunehmend scharfe Rhetorik auch vonseiten der US-Präsidentschaftskandidaten Biden und Trump zur Dominanz einzelner Technologieunternehmen.“
Grundsätzlich hätten die Tech-Aktien aber Potenzial für weitere Wertsteigerungen. Das hohe Wachstumstempo dieses Jahres werde sich zwar nicht halten lassen. „Der Trend zu einer breiteren Akzeptanz und Anwendung dieser Technologie wird jedoch ungebrochen sein“, betont der Commerzbank-Experte.