Berlin. Als im März der Corona-Lockdown begann, traf das viele Firmen unvermittelt. Doch sie haben gelernt – vieles würde heute anders laufen.
- Als die Corona-Fallzahlen im Frühjahr in die Höhe schnellten, reagierte die Politik umgehend und brachte das öffentliche Leben quasi zum Stillstand
- Auch jetzt steigt die Sorge vor einem erneuten Lockdown, weil die Zahlen wieder deutlich in die Höhe steigen
- Vor allem die Wirtschaft fürchtet einen zweiten Lockdown, doch der würde wohl anders aussehen als der erste
Immer mehr Regionen in Deutschland werden zu Corona-Risikogebieten, die Zahl der Neuinfektionen steigt weiter. Und in der Wirtschaft mehren sich die Sorgen, dass sich Zustände wie im März wiederholen könnten.
Damals trafen die pandemiebedingten Einschränkungen viele Unternehmen weitestgehend unvorbereitet. Als Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am 22. März verkündete, dass sich Bund und Länder auf strenge Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen verständigt haben, zogen Millionen Arbeitnehmer vom einen auf den anderen Tag vom Büroplatz ins wohnungseigene Arbeitszimmer, an den Küchentisch oder an den Beistelltisch im Kinderzimmer um.
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Deutschland ging ins Homeoffice – und blieb dort eine ganze Weile. So manche Firma war erstmals gezwungen, sich mit Themen wie VPN-Verbindungen oder Datenschutz im Homeoffice auseinandersetzen zu müssen. Aber würde es heute genauso laufen?
Corona-Krise: Fast alle Unternehmen haben mit digitalen Lösungen reagiert
„Mit dem Lockdown wurde ein Kulturwandel angestoßen, der nachhaltig verändert, wie wir in Zukunft leben, lernen und arbeiten werden, und diese Entwicklung ist unumkehrbar“, sagte Achim Berg, Präsident des Digital-Branchenverbandes Bitkom, unserer Redaktion.
Die Corona-Krise habe die Defizite bei der Digitalisierung schonungslos offengelegt, in der Wirtschaft zugleich aber einen „Digitalisierungsschub“ ausgelöst, sagt Berg. Er verweist auf aktuelle Daten der Bitkom-Forschungsabteilung. Demnach hätten drei Viertel der Unternehmen mit mindestens 100 Mitarbeitern aufgrund der Erfahrungen in der Corona-Krise ihre Investitionen in digitale Geräte, Technologien und Anwendungen erhöht.
Nur 0,2 Prozent der Unternehmen gaben an, dass Corona keinerlei Auswirkungen auf die Digitalisierung gehabt hat. „In den Führungsetagen herrscht Einigkeit: Je digitaler ein Unternehmen aufgestellt ist, desto besser kommt es durch Krisenzeiten“, so Berg.
Unternehmen waren sehr unterschiedlich digital aufgestellt
Dass es allerdings gar nicht so einfach ist, Unternehmen digital aufzustellen, hat Max H.-H. Schaber, Gründer und Vorstandsvorsitzender der Datagroup SE, selbst erfahren. Die Datagroup SE ist einer der führenden IT-Dienstleister Deutschlands, zu den Kunden zählen Großkonzerne wie Beiersdorf und die Lufthansa ebenso wie Mittelständler und öffentliche Verwaltungen.
„Wir haben Kunden, die im digitalen Reifungsprozess noch sehr unterschiedlich fortgeschritten sind“, berichtet Schaber. So sei es bisweilen einfacher gewesen, einen Dax-Konzern ins Home-Office zu begleiten als so manchen Mittelständler. Im März habe man bis zu zehn Tagen gebraucht, bis alle Kunden voll einsatzfähig waren. „Das bekommen wir jetzt deutlich schneller hin. Wir sind darauf vorbereitet“, sagt Schaber.
Viele Firmen halten sich mit Projekten zurück
Auch wenn die Datagroup als IT-Dienstleister in der Krise besonders gefragt war, so sorgt Schaber, der in seinem Unternehmen knapp 2.700 Mitarbeiter beschäftigt, die Vorstellung von einem zweiten Lockdown. „Beim ersten Mal haben viele Unternehmen die Zeit genutzt, um Aufräumarbeiten und geplante Projekte vorzuziehen“, sagt Schaber.
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Bei einem zweiten Lockdown würden diese Aufträge wegfallen. Ohnehin würden sich Firmen mit neuen Projekten, etwa in der Softwareentwicklung, derzeit zurückhalten. „Alles was verschiebbar war, wurde verschoben“, sagte Schaber. Das wirkte sich auch in den Geschäftszahlen aus. Von den 15 Millionen Euro, die die Datagroup sonst mit der automatisierten Bearbeitung von Geschäftsprozessen durch Software-Roboter, der sogenannten RPA, erwirtschaftet, rechnet Schaber nun mit fünf Millionen Euro weniger.
Die Corona-Krise habe die Digitalisierung beschleunigt, meint Schaber: „Das zeigt, wie flexibel man sein kann, wenn nur der Druck groß genug ist.“
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Corona hat viele Prozesse beschleunigt
Das sieht auch Ralf Pichler so. Der 48-Jährige ist Chef der Detecon, einer auf Management- und Technologieberatung spezialisierter Anbieter des Telekom-Konzerns mit 1230 Mitarbeitern in 13 Ländern. „Das ‚Gute‘ an der Krise war, dass alle betroffen waren. Über alle Branchen und Länder hinweg mussten neue Lösungen gefunden werden. Es gab keine Bevor- und Benachteiligung. Man hatte gar keine andere Chance, als mit der Krise pragmatisch umzugehen. Das hat eine ganze Menge bewirkt“, sagt Pichler.
Selbst in streng regulierten Branchen, etwa im Versicherungs- oder Bankenwesen seien schnell praktikable Lösungen für Kunden gefunden worden. Es zeige, dass Deutschland „ein bisschen mehr Pragmatismus und Mut zur Digitalisierung gut tun“ würde, so der Detecon-Chef.
Detecon-Chef: Betriebe sind besser vorbereitet
Seit der ersten Welle Anfang März habe sich die Beratungsart gewandelt. Sei es zu Beginn der Krise den Unternehmen vor allem darum gegangen, arbeitsfähig zu bleiben, so gehe es derzeit eher um mittel- und langfristige Änderungen. „Digitalisierung geht nicht von heute auf morgen. Einfach nur Technologie auf bestehende Prozesse zu stülpen, bringt einen nicht weiter“, sagt Pichler.
Es gelte, grundlegende Fragen zu stellen. Wie kann Deutschland attraktiver für IT-Fachkräfte werden? Wie kann ein Zusammenbruch von Lieferketten beim nächsten Mal verhindert werden?
Pichler ist überzeugt, dass es bei einem zweiten Lockdown anders laufen würde als im März. „Bei einem zweiten Lockdown würden Mechanismen schneller greifen, man käme schneller in die mobile Arbeit.“ Und auch die Industrie wäre besser vorbereitet, etwa mit bestehenden Hygieneregeln. „Wir haben gelernt, dass ein Lockdown nicht den Untergang der Welt bedeutet“, sagt Pichler. Er hält die Folgen eines erneuten Lockdowns für weniger dramatisch als noch im März.
DIHK-Chef fordert bessere Reisemöglichkeiten für Firmen
Das sieht Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), anders – insbesondere mit Blick auf die aktuellen Risikogebiete. „Angesichts steigender Infektionszahlen sorgen unkoordinierte Regelungen zu innerdeutschen Reisebeschränkungen und Beherbergungsverboten aktuell für große Verunsicherung bei den Unternehmen“, sagte Schweitzer unserer Redaktion.
Er appellierte, dass die Anti-Corona-Maßnahmen der „wirtschaftlichen Erholung nicht den Boden entziehen“ – sowohl innerhalb Deutschlands als auch bei den Reisebeschränkungen ins Ausland. Denn nach wie vor könnten Unternehmen ihre Monteure und Techniker nicht in ausländische Märkte schicken. „Hier brauchen wir Schnelltests und Quarantäneregeln mit Augenmaß, um einen sicheren Reiseverkehr auch in Corona-Zeiten zu gewährleisten“, forderte Schweitzer.
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