Berlin. Arbeit im Homeoffice kann Vorteile bringen, aber auch überfordern. Das Bundesbildungsministerium hat diesen Effekt nun untersucht.

Für die einen bedeutet Homeoffice die bessere Vereinbarkeit von Job und Familie, den Wegfall stressiger Pendelwege und durch die dadurch gewonnene Zeit eine erhöhte Lebensqualität.

Für die anderen bedeutet es Stress, den beruflichen Alltag in die eigenen vier Wände zu holen, oft verbunden mit unpassender Ausstattung, wenn der Küchentisch als Schreibtisch herhalten muss. Unabhängig wie man selbst zum Homeoffice steht – für Millionen Deutsche war und ist es in der Pandemie zur Realität geworden.

Homeoffice: Steuerliche Absetzbarkeit soll erleichtert werden

Und während in der Koalition der Streit schwelt, ob es – wie von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) geplant –, künftig einen gesetzlichen Rechtsanspruch auf die Möglichkeit von bis zu 24 Homeoffice-Tagen im Jahr geben soll, stellen sich viele Arbeitnehmer die Frage, ob und wie sie das Homeoffice eigentlich steuerlich absetzen können.

Bisher lässt sich die Arbeit von zu Hause nämlich nur dann in der Steuererklärung vermerken, wenn ein eigenes Arbeitszimmer vorhanden ist. Für viele Arbeitnehmer bedeutet das einen steuerlichen Nachteil, schließlich dürfte bei denen, die ihren Arbeitsplatz an den Küchentisch verlegten, auch die Fahrtkostenpauschale dieses Jahr geringer ausfallen.

CDU fordert 600 Euro Homeoffice-Pauschale

Die Regierung will nun im Zuge des Jahressteuergesetzes nachbessern. „Es wäre ein richtiges Signal, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die Entlastung zukommen zu lassen, die notwendig ist“, sagte der CDU-Finanzpolitiker Sebastian Brehm bei der ersten Lesung des Gesetzes im Bundestag. Er schlug eine Homeoffice-Pauschale von 600 Euro im Jahr vor. Allerdings bestehe noch Diskussionsbedarf – sowohl innerhalb der Partei als auch beim Koalitionspartner, sagte Brehm.

Doch auch die SPD hat bereits die Bereitschaft signalisiert, das Homeoffice steuerlich absetzbar zu machen. Wer wegen des Gesundheitsschutzes zu Hause arbeite, „soll auch seine Aufwendungen steuerlich absetzen können“, sagte Lothar Binding, finanzpolitischer Sprecher der SPD, der „Süddeutschen Zeitung“. Bei den Kosten der Heimarbeit sollten daher Wege gefunden werden, „wie wir zu einer praxisnahen Berücksichtigung kommen“. Der Steuerabzug dürfe dabei jedoch „zu keinem unvertretbaren Verwaltungsaufwand“ führen.

Langzeitumfrage: Arbeitnehmer sind gespalten in der Frage der Überlastung

Deutlich weiter voneinander entfernt sind die beiden Regierungsparteien bei der Frage nach der gesetzlichen Verankerung des Homeoffice. Während die SPD auf das Heil-Gesetz dringt und die Gewerkschaften sogar auf eine Erhöhung der Homeoffice-Tage pochen, kommt aus der Union Widerstand.

Aktuell liegt der Entwurf auf Eis – weil ihn das Kanzleramt unter Verweis auf den Koalitionsvertrag gestoppt hat. Dort sei zwar von einem Auskunftsrecht die Rede – nicht aber von einem Rechtsanspruch. Hubertus Heil hingegen beharrt darauf, dass er den Entwurf nur unverändert weiterverfolgen würde.

Doch nicht nur die Koalition ist in der Frage nach der Arbeit von zu Hause oder unterwegs gespalten – auch die Bevölkerung ist sich uneins. Das zeigt eine repräsentative Civey-Langzeitmeinungsumfrage des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), die unserer Redaktion vorliegt.

44 Prozent der Befragten gaben demnach Anfang Oktober an, dass sie befürchten, dass flexible Arbeitszeiten und ortsunabhängiges Arbeiten sie überfordern könnte. 43 Prozent befürchten demnach keine Überlastung, 13 Prozent sind unentschieden.

Einstellung hat sich im Laufe der Pandemie geändert

„Wir können und werden vieles von dem, was wir momentan notgedrungen improvisieren mussten, sicher auch künftig dafür nutzen, die Arbeitswelt von morgen für alle besser zu gestalten“, sagte Staatssekretär Wolf-Dieter Lukas unserer Redaktion. „Für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, für flexibleres und digitales Arbeiten, aber auch für mehr Produktivität.“

Allerdings zeigt die fünfmonatige Befragung, die für die in zwei Wochen digital stattfindende europäische Arbeitsforschungstagung „beyondwork2020“ im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft durchgeführt wurde, dass die Meinungen schwanken. Vor allem die 18- bis 39-Jährigen haben demnach im Laufe der Pandemie ihre Einstellung geändert. Während sie im Juni die neue Flexibilität noch gelassener wahrgenommen haben, zeigten sie sich zuletzt besorgter.

Forscher mahnen zur Selbstreflexion

„Die neue Flexibilität geht mit neuen Anforderungen einher“, ordnet Nick Kratzer vom Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung (ISF) München die Studienergebnisse einher. Der Selbstorganisationsaufwand der Arbeitnehmer steige, sie müssten sich nun fragen, wann und von wo sie arbeiten, wie hoch der Gestaltungsraum und wie groß der Leistungsdruck ist. „Es sind diese Rahmenbedingungen, die Stress und Überforderung verursachen“, so Kratzer.

Jennifer Gunkel, Dozentin für Angewandte Psychologie an der privaten Hochschule Fresenius in Berlin, mahnt zur Selbstreflexion. „Zu wissen, welche Orte sich für welche Aufgaben am besten eignen, wann sind die besten Arbeitszeiten für mich, wie viel kann ich am Tag schaffen – diese Erfahrung muss man erst mal machen, vor allem als Berufseinsteiger“, sagte Gunkel. Es würden oft schnell Entscheidungen getroffen, die die Arbeitswelt verändern. Sie warnt: „Dieser schnelle Wandel ist eine enorme Chance, man muss nur aufpassen, dass die Vorteile des Wandels überwiegen.“

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