Hamburg. Kaufhof und Karstadt Sports werden in zwei Wochen geschlossen. Nachmieter nicht in Sicht. Abriss eines weiteren Gebäudes droht.

Fußballtrikots, Sneakers oder ein neuer Bikini von Karstadt Sports auf der einen Straßenseite, gleich gegenüber die große Warenwelt bei Kaufhof vom Markenparfüm bis zum Kochtopf. Es gibt wohl nur wenige Hamburger, die nicht schon in einem der beiden Kaufhäuser in der Mönckebergstraße eingekauft haben. Doch in gerade mal zwei Wochen ist Schluss damit. Der Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof schließt beide Häuser. Schon seit Juli läuft der Räumungsverkauf. Bis Ende des Monats wird die Ware, die sich bis zum 17. Oktober nicht verkaufen lässt, weggebracht. Und die etwa 200 Beschäftigten werden nach Hause geschickt. Übrig bleiben kurz vor dem wichtigen Weihnachtsgeschäft zwei leere Gebäude. Riesige Geisterhäuser mit dunkeln Fassaden und verschlossenen Türen am Eingangstor zu Hamburgs wichtigster Einkaufsmeile. Und es sieht nach Recherchen des Abendblatts nicht so aus, dass sich diese Situation schnell ändern wird.

Mitte Juni hatte der Handelskonzern, der aus den früheren Konkurrenten Karstadt und Kaufhof entstanden war, im Rahmen eines Sanierungsprogramms das Aus für die Standorte angekündigt. In der Innenstadt will der Konzern unter dem Dach der Signa Holding nur das Karstadt-Stammhaus in der Mitte der Mönckebergstraße erhalten. Bemühungen, die bisherigen Mieter der Großimmobilien durch günstigere Mietkonditionen doch noch zum Bleiben zu bewegen, waren gescheitert. Schon gleich nach Bekanntwerden des Kahlschlags prognostizierte Andreas Bartmann, Präses des Handelsverbands Nord, einen „massiven Einschnitt für den Handel in der Mö“. Das Problem: Nicht nur zwei wichtige Einkaufsmagnete verschwinden, der Leerstand schadet dem repräsentativen Entree in die Hamburg City und könnte negative Auswirkungen auf die durch die Corona-Krise ohnehin arg gebeutelten Einzelhändler in der Innenstadt haben.

Bislang kein Nachmieter für Karstadt Sports-Gebäude

Bislang gibt es für keine der beiden Top-Immobilien Nachmieter. Dabei sind die Voraussetzungen der Standorte unterschiedlich. Karstadt Sports, 1979 gebaut, ist mit großen Fensterflächen und begehbarem Dach der deutlich modernere Bau. Trotzdem sah die Galeria-Tochter keine Zukunft für das Sportkaufhaus, wohl auch weil sich nur wenige hundert Meter weiter eine Sportscheck-Filiale befindet, die ebenfalls zur Signa-Gruppe gehört. Besitzer des Gebäudes ist nach mehreren Verkäufen seit 2018 die R+V-Versicherung AG. „Wir verhandeln derzeit mit mehreren Interessenten, die sich für die Nachmiete von Karstadt Sports interessieren“, sagte eine Sprecherin dem Abendblatt. Konkrete Angaben wollte sie wegen der laufenden Verhandlungen nicht machen.

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Decathlon und Primark werden als Nachfolger gehandelt

In Branchenkreisen wird nun heftig spekuliert. Unter anderem wird der Name des Sportartikel-Händlers Decathlon genannt. Rafael Burckhardt, Expansionsleiter Nord, erklärte auf Anfrage allerdings, dass das Unternehmen aktuell nicht in Verhandlungen mit dem Eigentümer stehe. „Grundsätzlich sind wir aber bundesweit auf der Suche nach geeigneten Standorten. Auch die Hamburger City könnte interessant sein.“ Auch der Name der Billigmode-Kette Primark, die in Hamburg bislang nur im Billstedt-Center vertreten ist, fällt immer wieder. Gegenüber dem Abendblatt wollte sich das Unternehmen nicht äußern.

Naturkundemuseum kommt wohl nicht ins Kaufhof-Gebäude

Noch deutlich unklarer ist die Zukunft des bisherigen Kaufhof-Hauses. Das denkmalgeschützte frühere Kontorhaus, das zum Bestand der Württembergischen Versicherung gehört, ist stark sanierungsbedürftig. Die Kosten werden auf einen zweistelligen Millionenbetrag geschätzt. „Unsere Aufgabe besteht zur Zeit darin, den Gebäudebetrieb nach Auszug von Kaufhof aufrechtzuerhalten. Hierzu laufen vorbereitende Maßnahmen“, sagte ein Sprecher. Man werde sich danach im Detail mit der Bestandsaufnahme auseinandersetzen. Einen Zeitplan gibt es noch nicht. Genau so wenig wie konkrete Nachnutzungsideen. Spekulationen, das Hotel Park Hyatt im Levantehaus habe Expansionsinteresse, bestätigte der Sprecher nicht. Auch die Idee dort das geplante Naturkundemuseum anzusiedeln, wird dem Vernehmen nach nicht weiter in Betracht gezogen.

Architektenwettbewerb für neues C&A-Haus

Keine guten Aussichten für die Mönckebergstraße. Denn in absehbarer Zeit wird es am jetzigen Standort von C&A noch eine weitere Großbaustelle geben. Eine Sprecherin des Immobilieneigentümers Redevco bestätigte dem Abendblatt, dass das sanierungsbedürftige Gebäude „höchstwahrscheinlich abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden soll“. Der internationale Architektenwettbewerb für ein „urbanes Quartier“ mit Einzelhandel und weiteren Nutzungsmöglichkeiten wie Wohnen oder Hotel läuft seit kurzem. Ergebnisse werden im Frühjahr 2021 erwartet. Danach soll eine endgültige Entscheidung fallen, auch ein Verkauf oder eine Sanierung seien noch denkbar. Klar ist, dass C&A eine neue Bleibe in der City braucht. Nähere Angaben dazu gibt es noch nicht.

Ludwig Görtz befürchtet negative Auswirkungen für andere Händler

Angesichts dieser Situation, die noch bis 2022 durch eine große Hochbahn-Baustelle sowie weitere Leerstände etwa am ehemaligen Stadium-Standort zusätzlich erschwert wird, werden immer mehr Stimmen laut, die eine grundsätzliche Debatte über die Zukunft der Innenstadt fordern. „Es ist für den Anfang der Straße sehr schlecht, wenn zwei große Häuser lange leer stehen. Gerade in der dunkeln Jahreszeit“, sagte Schuhhändler Ludwig Görz, der seit Jahren im Trägerverband Innenstadt engagiert. Er befürchtet negative Auswirkungen für die Einzelhändler in der Nachbarschaft. „Wir müssen uns möglichst bald zusammensetzen, um neue Lösungen zu finden.“ Görtz will die zuständigen Behörden der Stadt ins Boot holen, um Nutzungsänderungen mitzugestalten. Unter anderem hatte er vorgeschlagen, das Karstadt-Sports-Haus in eine Markthalle mit Gastronomie umzubauen. Als Übergangslösung könne er sich dort auch eine Dependance der Kunsthalle vorstellen.

Immobilienmanager: Mö braucht großen Wurf

Auch City-Managerin Brigitte Engler wünscht sich ähnlich wie die Geschäftsführerin des Einzelhandelsverbands Nord, Brigitte Nolte, eine „neue Nutzungsmischung mit Kultur und Erlebnisangeboten, Einzelhandel und Gastronomie“. Dietmar Hamm, Geschäftsführer der Kontorhausverwaltung Bach, die in der Nachbarschaft der beiden Problem-Kaufhäuser Gebäude besitzt, geht noch weiter. „Die Mö braucht im Ganzen einen großen Wurf. Wir haben jetzt die Chance sie zu dem Boulevard Deutschlands zu machen, vielleicht sogar Europas“, so der Immobilien-Manager.

Opposition: Leerstand und Vermüllung wären ein Desaster

Es besteht Handlungsbedarf. Henning Vöpel, Direktor des Wirtschaftsforschungsinstituts HWWI, hatte es jüngst Abendblatt drastisch formuliert: „Hamburgs City muss komplett neu gedacht werden. Die Zeit des stationären Einzelhandels in seiner bisherigen Form läuft ab.“ Das ist auch in der rot-grünen Regierungskoalition angekommen, die sich auf die Fahnen geschrieben hat, die Attraktivität der Innenstadt zu verbessern. Aus Sicht der Opposition geht das zu langsam. „Es ist eine Gestaltungsaufgabe der Politik, gemeinsam mit den Eigentümern, den Verbänden und der ganzen Stadt sicherzustellen, dass das Licht in der Mönckebergstraße nicht ausgeht“, sagte Götz Wiese, wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU. Wichtig sei jetzt, dass schnell eine Lösung für die beiden Kaufhaus-Standorte gefunden und umgesetzt werde. „Leerstand und Vermüllung hinter dem Hauptbahnhof wären für die gesamte Innenstadt ein Desaster.“