Hamburg. An der Mönckebergstraße und an der Spitalerstraße stehen viele Geschäfte leer – und nun kommt auch noch eine Großbaustelle.

Wer in diesen Tagen vom Hauptbahnhof in die Hamburger Innenstadt unterwegs ist, begegnet wieder vielen Menschen auf den Straßen. Auch in den Geschäften ist von Woche zu Woche wieder mehr los. Abstandsregeln und Maskenpflicht zum Trotz. Händler locken mit hohen Preisnachlässen. Immer wieder mal bilden sich vor Ladentüren Warteschlangen, weil die maximale Kundenzahl erreicht ist.

Die Normalität, möchte man meinen, kehrt nach dem Corona-Lockdown langsam wieder zurück. Aber spätestens seit der Warenhaus-Konzern Galeria Karstadt Kaufhof angekündigt hat, dass in der Mönckebergstraße Kaufhof und Karstadt Sports geschlossen werden sollen, ist klar, dass der größten Einkaufsmeile der Stadt die schwerste Belastungsprobe noch bevorsteht. Es könnte richtig düster für die Vorzeigestraße werden.

Nach Aus für Karstadt und Kaufhof: Angst vor Domino-Effekt in der City

„Wir sind nach wie vor bestürzt“, sagt City-Managerin Brigitte Engler. Vorher hatte die Frau, die an sich für zupackenden Optimismus bekannt ist, von einer beängstigen Situation gesprochen. Auch Andreas Bartmann, Präsident des Handelsverbands Nord nennt die Schließungspläne einen „massiven Einschnitt für den Handel an der Mö“. Das Pro­blem: Mit den beiden großen Kaufhäusern würden nicht nur zwei wichtige Einkaufsmagneten verschwinden, sondern auch das repräsentative Entree in die City Schaden nehmen. „Wir haben noch keine Lösung, auch weil es so schnell gehen soll“, sagt City-Managerin Engler.

Schon Ende Oktober könnten beide Gebäude mit mehreren Tausend Qua­dratmetern Verkaufsfläche leer stehen. Die Fassaden dunkel, die Türen verrammelt. Für Engler ein „Worst-Case-Szenario“ kurz vor dem Start in das Weihnachtsgeschäft. Anders als noch vor einigen Jahren stehen Nachmieter nicht mehr Schlange. Besonders große Häuser lassen sich kaum mehr vermieten – schon gar nicht schnell. Die Corona-Krise hat die Situation zusätzlich verschärft.

Die Angst: Es könnte lange Leerstände in der Einkaufsmeile geben, mit möglichem Domino-Effekt für andere Händler vor allem im oberen Teil der Straße. Im Vergleich zu anderen deutschen Großstädten verläuft der Neustart in den innerstädtischen Geschäftsvierteln schleppender. Es fehlen nicht nur Touristen und Tagesgäste, sondern auch die Beschäftigten in den zahlreichen Büros, die teils weiter daheim arbeiten und in den Stadtteilzentren einkaufen.

City-Managerin fürchtet wegen Corona weitere Insolvenzen

Schon jetzt stehen mehrere Geschäfte zwischen Hauptbahnhof und Rathausmarkt leer (siehe Karte). Modeketten wie S.Oliver, Salamander und der Sporthändler Stadium haben die City verlassen oder wollen das wie der Sportschuhspezialist Runners Point tun. Das Kindermodengeschäft Petite Bateau, der Kosmetikfilialist Yves Rocher oder der Wohnaccessoire- und Deko-Händler Butlers haben Standorte geschlossen oder sind umgezogen. Das Eiscafé Fräulein von Elbe gibt es nicht mehr. Auch die Zukunft des Modehauses Appelrath Cüpper ist unklar. Das Unternehmen hatte im April ein Insolvenzverfahren in Eigenregie angemeldet. City-Managerin Engler befürchtet „weitere Insolvenzen durch die Corona-Krise“.

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Das nächste Problem: die große Baustelle in der Mönckebergstraße

Hinzu kommt noch ein Problem für die Händler: Seit Wochen ist in der Mönckebergstraße eine große Baustelle, die den Fußgängerverkehr teilweise massiv behindert. Das sind allerdings nur Vorarbeiten. Am 6. Juli beginnt die Hochbahn den lange geplanten barrierefreien Ausbau der U-Bahn-Station Mönckebergstraße. Dafür werden auf beiden Seiten zwischen Levantehaus und C&A hohe Bauzäune aufgebaut. Ein Kreuzen der Straße ist dort dann nicht möglich, die Busse werden im Wechsel einspurig über die Fahrbahn geleitet. Geplante Fertigstellung: Frühjahr 2022.

„Die Kombination aus Baustelle, Corona-Folgen und Schließung der beiden Kaufhäuser macht es Kunden schwer, die Mö als Hauptschlagader des Innenstadthandels wahrzunehmen“, sagt Dietmar Hamm, Geschäftsführer der Kontorhausverwaltung Bach, die das Levantehaus und den Barkhof mit zahlreichen kleineren Läden verwaltet. Im Klartext: Hamm befürchtet, dass noch mehr Menschen wegbleiben.

"Die Faszination der Innenstadt sinkt"

Mit dem drohenden Aus für Kaufhof und Karstadt Sports sei das „schlimmstmögliche Ereignis eingetreten“, so der Branchenkenner. Mit anderen Akteuren hat er für eine Verschiebung der Bauarbeiten plädiert. „Die Selbstheilungskräfte des Handels reichen nicht aus, um diese Krise zu bestehen. Wir brauchen jetzt dringend ein vernünftiges zweites Halbjahr.“ Eine zeitliche Verschiebung der Bauarbeiten ist laut Hochbahn wegen der langen Vorlaufzeit aber nicht möglich. Eventuell könnte im Zuge eines Modellversuchs der Busverkehr auf der Mö während der Vorweihnachtszeit ausgesetzt werden.

„Die Faszination der Innenstadt sinkt“, sagt auch Claudia Leuschner, Geschäftsführerin von Optik Weser in der Spitalerstraße. Besonders für ältere Menschen seien die großen Kaufhäuser wichtige Einkaufsorte. „Es ist heikel, wenn das wegbricht und die Innenstadt mit den vielen Ketten immer austauschbarer wird.“ Dazu kämen die Parkmöglichkeiten, die mit der Schließung wegfallen könnten. „Wir merken schon jetzt, dass es schwieriger und teurer ist, in die City zu kommen“, Leuschner und ihr Mann leiten das letzte inhabergeführte Einzelgeschäft in der Spitalerstraße.

Neue Mieter zu finden, wird immer schwieriger

Angesichts der zunehmenden Bedeutung des Onlinehandels wird es immer schwieriger, überhaupt neue Mieter zu finden. Das zeigt der Leerstand der früheren Stadium-Filiale bereits seit Herbst 2019. Das Gebäude soll nach Recherchen des Abendblatts komplett umgebaut werden. Der erste Stock wird demnach in Büros umgewandelt. Im Erdgeschoss soll die 900-Quadratmeter-Fläche in vier Läden aufgeteilt werden. Ab Oktober könnten die ersten Mieter einziehen, sagt eine Sprecherin des beauftragten Maklers Object Immobilen.

Im Semperhaus in der Spitalerstraße rechnet Verwalter Dietmar Hamm im frühen Herbst mit einer Neueröffnung – fast ein Dreivierteljahr nach dem Auszug von Modehändler s.oliver. An der Ecke Mönckebergstraße/Kleine Rosenstraße, wo bis Januar Salamander und Benetton Geschäfte machten, wird seit Monaten gebaut. Nach Angaben einer Sprecherin des Eigentümers Aachener Grundvermögen gibt es Gespräche mit Interessenten. Unterschrieben ist noch nichts.

In der HafenCity entsteht der nächste große Konkurrent

Welche Auswirkungen die geplante Eröffnung eines neuen Einkaufszentrum in der HafenCity mit 200 Läden hat, ist noch gar nicht absehbar. „Es ist auf jeden Fall eine echte Konkurrenz für die Innenstadt“, sagt die Hamburger Geschäftsführerin des Handelsverbands Nord, Brigitte Nolte. Was die beiden großen Kaufhaus-Standorte in der Mönckebergstraße angeht, ist sie verhalten optimistisch. „Beide haben viel Potenzial“, sagt die Handelsexpertin.

Wegen der exklusiven Lage sieht sie auch die Stadt in der Verantwortung und fordert Gespräche mit den Grundeigentümern. „Das wäre ein Signal, das die Relevanz für die gesamte Innenstadt deutlich macht.“ Es sei aber nicht damit zu rechnen, dass dort wieder auf mehreren Etagen Einzelhandel einziehen werde. „Wir brauchen in den oberen Stockwerken andere Nutzungskonzepte. Eine Option sind Wohnungen, zum Beispiel für Studenten.“