Hamburg. Warenhauskonzern und Eigentümerin haben sich auf einen neuen Mietvertrag geeinigt. Es gibt aber einen Wermutstropfen.
Die Einladung kam sehr kurzfristig. Um 9.30 Uhr hatte Geschäftsführer Werner von Appen die Mitarbeiter der Wandsbeker Karstadt-Filiale zu einem sogenannten Rolltreppengespräch zusammengerufen. Nach zehn Minuten schallte eine zweite Durchsage über die Lautsprecheranlage des Kaufhauses, doch bitte möglichst vollzählig zu erscheinen. Es lohne sich. Als von Appen kurz darauf erklärte, dass die geplante Schließung des Standorts erst mal vom Tisch sei, brach der Jubel los.
„Es gab Applaus, und bei einigen flossen auch Tränen“, sagt Betriebsrätin Tanja Anhenn. Es waren Tränen der Erleichterung. „Die ganze Anspannung der letzten Monaten ist abgefallen.“ Auch dem gestandenen Karstadt-Manager von Appen war die Freude anzumerken. „Wir sind froh, dass wir weiterhin Handel in Wandsbek betreiben können“, sagt er.
Karstadt Wandsbek: Räumungsverkauf läuft seit Ende Juli
Eigentlich schien das Ende des traditionsreichen Kaufhauses besiegelt, eine Chance auf Rettung ausgeschlossen. Schon seit Wochen läuft der Räumungsverkauf, den Mitarbeitern wurde gekündigt, oder sie haben einen Vertrag für den Übergang in eine Transfergesellschaft unterschrieben. Jetzt, knapp drei Wochen vor dem letzten Verkaufstag Mitte Oktober, die überraschende Wende: Der angeschlagene Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof (GKK) und die Eigentümerin des Gebäudes, die Union Investment, haben sich doch noch auf einen neuen Mietvertrag mit einer Laufzeit von 3,5 Jahren geeinigt. Die 120 Arbeitsplätze sind erst einmal gesichert.
Die Verlängerung des Mietverhältnisses bis zum 30. April 2024 sei das Ergebnis eines intensiven Dialoges der Vertragsparteien, der von dem Bemühen gekennzeichnet war, eine für beiden Seiten wirtschaftlich tragfähige Lösung zu finden, heißt es in einer Mitteilung des Immobilienunternehmens.
„Wir haben signifikante Zugeständnisse bei den Mietkonditionen gemacht, GKK wiederum hat eine geringere Laufzeit des Mietvertrages akzeptiert. Damit halten wir den wichtigen Mieter in unserem Objekt und sichern uns eine verlässliche Planungsperspektive für die anschließende Umgestaltung und Nachnutzung dieses erstklassigen Gebäudes“, sagt Jörn Stobbe aus der Geschäftsführung von Union Investment. Die Fondsgesellschaft betreibt auch das benachbarte Einkaufszentrum Quarree, das gerade für 40 Millionen Euro saniert wird.
Vermieter plante schon für die Zeit nach Karstadt
Im Laufe des Vormittags hatte Miguel Müllenbach, Chef des fusionierten Warenhauskonzerns, den Deal in einem Mitarbeiterbrief bestätigt. Details zu den Konditionen wurden nicht bekannt. „Wir sind überglücklich“, sagt Betriebsratschef Mark-Oliver Thöne, der sich aus dem Urlaub meldete. In den vergangenen Wochen hatte sich eine Art Verhandlungskrimi um die Zukunft des Hauses entwickelt, in dessen Verlauf Union Investment noch Mitte August das Scheitern der Gespräche bekannt gegeben hatte. In der Wandsbeker Bezirksversammlung waren erste Konzepte für die Zukunft des wichtigen Einzelhandelsstandorts diskutiert worden.
„Eigentlich war die Filiale totgesagt“, so Betriebsrat Thöne, der immer wieder Druck in der Zentrale in Essen gemacht hat. „Es zeigt sich, dass es sich lohnt zu kämpfen.“ Das Kaufhaus in Wandsbek ist mit einer mehr als 100 Jahre langen Geschichte eine der ältesten Karstadt-Filialen in Deutschland. Das denkmalgeschützte Gebäude am Wandsbeker Markt mit einer Fläche von 28.000 Quadratmetern stammt aus den 1920er-Jahren. Es war in den vergangenen Jahren für mehrere Millionen Euro saniert worden. Eine neue Sportabteilung war gerade erst eröffnet worden.
„Es ist ein riesiger Erfolg für die Beschäftigten“, sagt Heike Lattekamp, Ver.di-Landesfachbereichsleiterin Handel. Auch der Hamburger Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) freut sich über die gute Nachricht. Er hatte sich ebenfalls für den Erhalt des Standorts eingesetzt. Starke Anteilnahme war auch von den Kunden gekommen. Mehr als 17.000 haben auf einer Unterschriftenliste gegen die drohende Schließung protestiert. Am Dienstag kamen nun zahlreiche Mails mit Glückwünschen.
Karstadt: Alles soll so werden wie vorher
„Jetzt müssen wir den Laden sukzessive wieder hochfahren“, sagt der Wandsbeker Geschäftsführer Werner von Appen. Als Erstes sollen die knalligen Aufkleber „Wir schließen“ an den Schaufenstern verschwinden. Eine Vermarktungsfirma hatte mit Beginn des Räumungsverkaufs Ende Juli die Regie in dem Kaufhaus übernommen – und mit schrillen Aktionspreisen Schnäppchenjäger angelockt. Verkauft wurden auf den fünf Stockwerken zuletzt auch externe Warenposten. Manche Stammkunden hatte das abgeschreckt.
„Das wird eine Menge Arbeit“, sagt von Appen. Aber alle seien bereit nach den harten letzten Wochen, noch mal anzupacken. Die Rücknahme der Kündigungen startet demnach sofort. Die Verträge für die Transfergesellschaft sind mit dem Erhalt des Standorts nichtig. „Es soll alles wieder so werden wie vorher“, sagt Geschäftsführer von Appen.
Auch Karstadt Sports in Harburg gerettet
Es ist an diesem Tag nicht die einzige gute Nachricht für den Einzelhandel in der Stadt. Auch für den Erhalt von Karstadt Sports im Phoenix-Center gibt es endgültig grünes Licht. Die Galeria-Tochter will zahlreiche Standorte in Deutschland schließen, darunter das Stammhaus an der Mönckebergstraße.
Die Zukunft der Harburger Filiale war lange unsicher. Jetzt haben sich die Unternehmensleitung und der Vermieter, die ECE-Gruppe, über die zukünftigen Konditionen geeinigt. „Die Erleichterung ist groß“, sagt Betriebsratschef Nils Reimann. 23 Jobs in der Filiale sind gerettet. Die Beschäftigen hätten seit mehr als zehn Wochen auf eine Mitteilung gewartet, so Reimann. Die ersten haben inzwischen gekündigt. „Für den Hamburger Süden ist es wichtig, dass man hier weiter Sportartikel einkaufen kann.“
Lesen Sie auch:
- Schwerste Rezession seit 100 Jahren: Pleitewelle in Hamburg
- Mönckebergstraße: Bis zu diesem Tag hat Kaufhof geöffnet
- Wird Karstadt Wandsbek eine große Markthalle?
Karstadt in Hamburg: Nun doch fünf Filialen
- 62 von insgesamt 172 Standorten bundesweit wollte der insolvente Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof im Rahmen eines Sanierungsprogramms schließen. Inzwischen sind es noch knapp 50. In Hamburg waren vier der sieben Kaufhäuser mit insgesamt 450 Mitarbeitern betroffen. Nachdem die Kaufhof-Filiale im AEZ und jetzt Karstadt Wandsbek erhalten werden, stehen noch Karstadt Bergedorf und Kaufhof an der Mönckebergstraße auf der Streichliste. Am Freitag plant Ver.di eine weitere Protestaktion in der Innenstadt.